»Und sonst bleibt alles gleich?«
»Nun ja, über Ihre Bezüge kann ich Ihnen nichts sagen; das ist Aufgabe Ihres Arbeitgebers, der dann die Stadtverwaltung von Fairview sein wird und nicht mehr das County.«
Wieder überlegte Deputy White, und O.C. konnte sehen, wie sehr es hinter dessen Stirn arbeitete.
»Soll ich mit Chief Justice reden, Deputy? Sind Sie dabei?«
Michael White trank seine Tasse leer, die zwischenzeitlich immer wieder aufgefüllt worden war. »Ich muss mal kurz verschwinden«, antwortete er und begab sich in Richtung der Toiletten.
Myers' Real Estate, Fairview, Georgia
Cynthia fuhr um Punkt 12 Uhr mittags ihren Computer herunter. Sie hatte einige Interessenten ausfindig gemacht und per Email über Ihre Exposés in Kenntnis gesetzt. Am Montag würde sie dann merken, ob einer geantwortet hätte. Doch jetzt war es an der Zeit, das Büro abzuschließen und nach Hause zu fahren. Sie hatte sich überlegt, kurz ein Bad zu nehmen und die Beine zu rasieren. Danach würde sie sich etwas anderes anziehen, zum Walmart fahren und schließlich bei William vorbeischauen.
Beschwingt eilte sie zu ihrem roten GMC Yukon, startete den Motor, setzte den Blinker und fuhr zügig zu sich nach Hause. Wieder hörte sie ihren bevorzugten Radiosender Eagle 106.7 mit Country Music, sang lauthals mit und bemerkte dabei nicht, dass sie wieder von einem dunklen BMW verfolgt wurde.
State Route GA-92, Woodstock, Georgia
Deputy White kam nach einem kurzen Moment von der Toilette zurück und setzte sich wieder an seinen Platz. O.C. blickte ihn nur fragend an und wartete auf eine Antwort.
»Und Sie würden das dann auch mit meinem Sheriff klären?«, fragte Michael White plötzlich.
»Ja, das würde ich. Er schuldet mir noch mehr als bloß einen Gefallen …«
Wieder überlegte Deputy White und spannte O.C. auf die Folter.
»Was ist? Sind Sie dabei?«
Deputy White richtete sich auf seiner Sitzbank auf: »Ja, Sir, ich bin dabei.«
Sweetwater Creek Drive, Fairview, Georgia
Nachdem William und Gordon beinah anderthalb Stunden vor dem Kamin sitzend verbracht hatten, standen sie nun auf, brachten ihre Tassen in die Küche und räumten auch diese in die Spülmaschine. Gordon nahm sich wieder etwas Wasser aus dem Kühlschrank, und William reinigte seine Pfeife.
»Wann wollte deine Freundin vorbeikommen, Billy?«
»Ich weiß nicht. Sie meinte: Gegen Nachmittag.«
Plötzlich hörten sie einen Wagen, der auf die Auffahrt fuhr. Gordon nahm einen Schluck Wasser und schaute zur Tür.
Wenige Augenblicke später schloss Cynthia die Haustür auf und kam mit einer großen, braunen Einkaufstüte bewaffnet herein. Sie nahm direkt Kurs auf die Küche und erblickte Gordon, der noch immer vor dem Kühlschrank stand.
»Hi! Ich bin Cynthia Myers … Sie müssen demnach Commissioner Malone sein.« Sie stellte die Einkaufstüte ab, legte ihre Handtasche daneben und reichte Gordon die Hand.
»Hallo, Miss Myers … ja, ich bin Gordon Malone und äußerst glücklich, Sie kennenzulernen.«
William legte seine Pfeife auf den kleinen Beistelltisch und ging zu ihnen.
Cynthia trat ihm entgegen und gab ihm einen flüchtigen Kuss zur Begrüßung. »Hallo, Chief! Ich habe beim Walmart ein bisschen eingekauft. Budweiser für O.C., Root Beer für dich und dann noch etwas Toast, Wurst, Käse, Salat, Tomaten und Zwiebeln für Sandwiches.«
»Du bist ein Engel.« Er gab ihr nun seinerseits einen Kuss und ging wieder zum Kamin, um die Pfeife fertig zu reinigen.
Cynthia wandte sich wieder der Küche und Gordon Malone zu. »Leider weiß ich nicht, was Sie am liebsten trinken, Commissioner. Doch hätten wir jetzt genügend Budweiser und Root Beer.«
»Danke, Miss Myers, ich halte mich meistens an stilles Wasser aus Billys Kühlschrank.«
»Billy? Ich habe nie gehört, dass jemand Billy zu William gesagt hätte.«
»Nur Gordon nennt mich Billy«, antwortete William aus dem Kaminzimmer, »und auch meine Frau … manchmal.«
»Mögen Sie Sandwich, Commissioner?«
»Ja, sehr gern. Doch bitte, nennen Sie mich Gordon.«
Cynthias Gesicht strahlte, als sie antwortete: »Cynthia! Freut mich sehr, Gordon.«
William war gerade mit der Reinigung seiner Pfeife fertig und hatte sie soeben in einem Ständer auf dem Kaminsims verstaut, als vor dem Haus wieder ein Wagen zu hören war. Kurz darauf klingelte es an der Tür, und Cynthia lief nach vorn, um aufzumachen.
»Hey, O.C.! Komm doch rein …«
Es war tatsächlich Sheriff O.C. Thomas. Auch heute trug er wieder eine Jeans, diesmal mit einem bräunlichen Flanellhemd, an dessen linken Brust der Sheriffstern haftete. Unter seinem Arm trug er eine große Einkaufstasche.
»Howdy! Cynthia, Sie sehen von Mal zu Mal schöner aus.« Mit diesen Worten glitt er graziös an Cynthia vorbei, was man aufgrund seiner Körperfülle kaum angenommen hätte. Unter dem rechten Arm sah William, dass er noch eine weitere Umhängetasche bei sich trug und ging ihm entgegen.
»Hallo, O.C.! Kann ich Ihnen was abnehmen?«
»Danke, William, es geht schon.« Er stellte die Einkaufstasche auf der Arbeitsplatte der Küche ab und legte die Umhängetasche auf Gordons Sessel vor dem Kamin. »Ich wollte nur mal schauen, wie es euch geht. Habt ihr den Schock von gestern einigermaßen verwunden?«
Cynthia, die von dem gestrigen Vorfall noch nichts wissen konnte, blickte erschrocken auf: »Was für ein Schock?«
William führte sie im Arm in Richtung Kaminzimmer und erklärte ihr, was sich gestern Abend an der Tankstelle in der Commerce Street ereignet hatte. Er erklärte ihr, was nun alles auf Juan zukäme und dass noch nicht ganz sicher sei, ob er es überhaupt schaffen würde. Noch sei er auf der Intensivstation, und allerlei Schläuche würden aus seinem Körper hinausführen.
»Oh Gott, das ist ja schrecklich!«
»Das ist unser Beruf …«
Währenddessen hatte O.C. seine Einkaufstasche geleert und ging den Inhalt nun mit Gordon durch. Seine Frau hatte wieder gebacken, diesmal jedoch Muffins, die sie in eine große Papiertüte gepackt hatte. Gordon half ihm beim Auspacken, während William noch immer Cynthia erklärte, dass Gewaltverbrechen durchaus zu dem Job eines Polizisten gehörten.
* * *
Einige Minuten später saßen die drei Männer auf der Veranda in den Schaukelstühlen und sprachen über dies und das. Cynthia stand in der Küche, um Sandwiches zu schmieren, und würde sich gleich dazu gesellen.
Diesen Moment wollte O.C. nutzen, um kurz das Gespräch auf berufliche Dinge zu lenken: »William, mein Freund, wie weit sind Sie schon mit der Suche nach einem neuen Mitarbeiter gekommen?«
Die Frage war William etwas peinlich, weil er sich zwar fest vorgenommen hatte, mit Deputy White in Kontakt zu treten, dies dann aber doch auf die lange Bank geschoben hatte. Daher antwortete er auch leicht verlegen: »Noch nicht sehr weit. Ich wollte Deputy White schon längstens angerufen haben, habe es aber immer wieder aufgeschoben.«
O.C. grinste nur breit in seinen Bart hinein.
Gordon wusste gar nicht, worum es überhaupt ging. Daher fragte er: »Was für ein neuer Mitarbeiter? Und wer ist Deputy White?«
William antwortete ihm: »Die Stadtführung hat mir einen weiteren Mitarbeiter bewilligt, und O.C. war letzte Woche so nett, mir einen potenziellen Kandidaten zu empfehlen.«
»Und?«, bohrte Gordon nach.
»Ich würde ihn wirklich sehr gern einstellen. Seine Akte ist vielversprechend, und O.C. hatte ihn mir extra empfohlen.«
»Worauf wartest du dann noch?«
William überlegt kurz, wie er es ausdrücken sollte: »Gordon, Michael Luther White ist ein Schwarzer.« Er trank einen Schluck Root Beer. »Du weißt, dass ich nichts gegen Schwarze habe. Doch in meiner Truppe ist ein Mann, der bereits arge Probleme mit Juan hat; nicht auszudenken, wie groß die Probleme werden könnten, wenn nun auch noch ein Farbiger zum Team dazu stößt.«
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