Gordon hob beide Augenbrauen, trank einen Schluck Wasser und blickte abwechseln erst O.C. und dann William an, ehe er antwortete: »Billy, dann solltest du deinen Mitarbeiter zurecht stoßen! Du hast in all den Jahren doch schon öfters mit Rassismus zu tun gehabt. Zeig deinem Team, dass du der Chief bist! Zur Not wirst du deinen Mitarbeiter eben zur Kooperation zwingen müssen … oder ihn schlicht und ergreifend vor die Tür setzen. Du bist sonst doch auch nicht so zimperlich, Junge!«
Damit hatte Gordon mal wieder ins Schwarze getroffen. O.C. saß nur ruhig da, nippte ab und zu an seinem Bier und freute sich innerlich, weil William gerade in eine Richtung gedrängt wurde, bei der er, O.C., jeden Moment einspringen konnte.
»Gordon, ich habe diesem Mann bereits am Tag meines Dienstantritts zweimal das Nasenbein gebrochen …«
O.C. brüllte auf vor Lachen: »Ich hatte es mir schon fast gedacht!«
»O.C.«, entgegnete William, »das ist nicht witzig …«
Zu Gordon gewandt fuhr er fort: »Ich habe den Mann beinah soweit, dass man halbwegs vernünftig mit ihm arbeiten kann. Und ich möchte einfach nicht, dass mein neuer Mitarbeiter gleich wieder um seine Versetzung bittet, nur weil ich einen rassistischen Hinterwäldler aus Alabama bei mir beschäftige, der bereits wegen Gewalt Schwarzen gegenüber seinen Posten verloren hatte und nach Georgia gezogen ist.«
»William, wenn sich dieser Mann von einem einzelnen Kollegen dermaßen einschüchtern ließe, wäre er es nicht wert, bei dir zu arbeiten. Denkst du, er würde sich einschüchtern lassen?«
William dachte noch nach, da ergriff O.C. das Wort: »Ganz ehrlich, ich denke eher, dass Deputy White mit Officer Collister den Boden wischen würde als umgekehrt. William, haben Sie denn nicht seine Vitae gelesen?«
William hatte sie im Büro überflogen, konnte sich jedoch nicht mehr an Einzelheiten erinnern. »Nicht im Details, O.C.«, antwortet er daher, ehe er noch eine Schluck Root Beer trank. »Ich habe sie nur grob überflogen.«
O.C. lachte wieder, nahm einen Schluck aus seiner Bierdose und sagte bloß: »Er hat früher Football bei den Atlanta Falcons gespielt.«
Daran konnte sich William wirklich nicht erinnern. Verflucht! Er hätte sich das Dossier gründlich durchlesen sollen. Doch seine Gedanken waren da noch um den Umzug und die Lieferung seines Hausstandes gekreist.
»Denken Sie, O.C., er wäre vielleicht interessiert?«
Cracker Barrel, Fairview, Georgia
Er konnte es noch immer nicht glauben. Sheriff Thomas aus Canton hatte sich mit ihm in Woodstock getroffen, um über einen zeitnahen Wechsel nach Fairview zum Police Department zu sprechen. Das würde bedeuten, dass er Abigail jeden Tag sehen könnte, und an den Wochenenden hätte er jeweils frei.
Michael Luther White hatte im Cracker Barrel von Fairview am Fenster Platz genommen und studierte die Karte. Er wusste ohnehin, was er bestellen würde. Doch er brauchte etwa, das ihn ein bisschen ablenkte, während seine Gedanken noch immer um das Gespräch mit Sheriff Thomas und der Aussicht auf eine Anstellung in Fairview kreisten. Also studierte er die Karte und malte sich dabei aus, was wohl seine Freundin dazu sagen würde, die gleich Mittagspause hätte.
Pünktlich um 14 Uhr erschien Abigail und setzte sich zu ihm. Sie hatte jetzt eine halbe Stunde Pause, und diese Zeit würde er nutzen, um sie über die Neuigkeiten des heutigen Tages ins Bild zu setzen.
»Abi, man hat mir einen neuen Job angeboten.«
Abigail wusste, dass sich Michael einst auf den Posten eines Deputies im Cherokee County beworben hatte. Hatte es nun vielleicht doch geklappt? »Wo? Und als was?«
Michael lehnte sich etwas nach vorn und griff nach Abigails Händen. Dann schaute er ihr in die Augen und sagte: »Hier, in Fairview! Es gibt wohl eine vakante Stelle beim Police Department.« Michael strahlte förmlich vor Glück.
»Wann hattest du denn dein Vorstellungsgespräch?«
Wieso mussten Frauen immer so direkt sein? »Ich hatte noch kein Gespräch. Doch Sheriff Thomas aus Canton denkt, ich hätte die Stelle so gut wie sicher.«
»Und ab wann?«
»Keine Ahnung. Er meinte, er würde heute mit dem Chief sprechen. Als er mich fragte, wie und wo er mich erreichen könne, sagte ich ihm, dass ich hier sein würde.« Er nahm sich wieder die Speisekarte und blickte hinein, als wüsste er nicht, was er bestellen sollte.
»Denkst du, es wird sich jemand melden?«
»Der Sheriff klang sehr zuversichtlich. Doch lass uns was bestellen; ich habe seit dem Frühstück vorhin nichts mehr in den Bauch bekommen.«
Sie bestellten beide etwas zum Mittagessen und unterhielten sich dabei über die vielen Möglichkeiten, die sich ihnen böten, sollten der Sheriff oder der Chief sich melden und Michael die Stelle bestätigen.
Sweetwater Creek Drive, Fairview, Georgia
O.C. grinste wie ein Honigkuchenpferd. Diesen Moment wollte er vollends auskosten. Er sah die hoffnungsvollen Blicke Williams und auch den abwartenden Blick des Commissioners. »Ja, er ist interessiert.«
William konnte es kaum glauben. »O.C., danke!« William freute sich, trank einen Schluck Root Beer, als ihm etwas einfiel: »Ab wann könnte er anfangen? Und was wird der Sheriff von Cobb County dazu sagen?«
»Nun, am besten wäre es wohl, wenn er am 1. März anfangen könnte.« O.C. musste immer breiter grinsen.
»Am 1. März? Aber das wäre dann ja bereits …«
»… morgen!«, beendete O.C. Williams Satz und grinste weiter vor sich hin. »Ich bin von Woodstock aus direkt nach Marietta gefahren, um meinen Kollegen vor Ort zu konsultieren. Er schuldet mir so manchen Gefallen. Ich hatte Glück – er war im Büro. Also erzählte ich ihm von Ihnen, William, und von Michaels Wunsch, im Cherokee County tätig zu sein. Sollten Michael und Sie sich einig werden, genügt ein Anruf von mir, und der Mann gehört Ihnen.«
William war bar erstaunt, was der Sheriff für ihn heute alles auf die Beine gestellt hatte. »O.C., wie kann ich Ihnen danken?«
O.C. tat so, als überlegte er angestrengt. Dann lachte er kurz auf, stellte seine leere Bierdose neben sich auf den Boden und antwortete: »Ganz einfach … drei Gefallen: Erstens, wir sollten das ›Sie‹ lassen. Wir sind Pfeifenbrüder, wir sind Kollegen und wir sind Freunde! Zweitens, meine Dose Budweiser ist leer und drittens … ich habe einen Bärenhunger! Lasst uns Cynthia in der Küche helfen und das Essen auffahren.«
Die drei Männer lachten herzhaft, reichten sich die Hände und gingen zurück ins Haus, wo Cynthia bereits das Essen angerichtet hatte.
»Na, ihr habt ja eine blendende Laune!«, stellte sie vergnügt fest. »Gut, dass ihr rein kommt; das Essen ist soweit fertig.«
Cynthia hatte alles schön auf Tellern angerichtet und einen Haufen Sandwiches belegt. Daneben gab es Mabels Muffins. Genug, um eine halbe Kompanie zu verpflegen.
William nahm sie liebevoll in den Arm, gab ihr einen Kuss und sagte leise zu ihr: »Danke, du bist echt ein Engel.« Dann wandte er sich O.C. zu: »Wann und wo kann ich den Mann erreichen?«
»Am besten jetzt auf seinem Handy. Er hat mir gesagt, dass er bei seiner Freundin auf dich warten wolle; sie arbeitet hier, in Fairview … beim Cracker Barrel .«
»Er ist hier, in Fairview? Ich fahre sofort zu ihm …«
»Stop!«, rief auf einmal Cynthia. »Hier und jetzt fährt niemand irgendwohin! Zuerst essen wir etwas. Oder meinst du wirklich, ich stelle mich hier in die Küche, belege euch die Sandwiches und bleibe dann allein mit dem Essen daheim?«
O.C. lachte wieder, setzte sich hin und nahm sich einen Muffin. »William, das war ein Machtwort. Komm, lass uns erst etwas essen. Dann begleite ich dich und stelle euch beiden einander vor.«
Gordon, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte, nahm neben O.C. Platz, griff sich ein Sandwich, sah Cynthia an und meinte dann: »Cynthia, während O.C. und William weg sind, können wir beide uns mal ein bisschen unterhalten.« Dabei zwinkerte er ihr verschwörerisch zu, was auch William nicht verborgen blieb.
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