Gordon atmete langsam und ruhig ein. Williams Worte bestätigten ihm, was er und das Morddezernat vermutet hatten. Doch es gab noch einen weiteren Punkt, den er William nicht verheimlichen wollte: »Einige glaubten anfänglich, du stündest hinter dem Mord an deiner Frau.«
»Na klar, wegen der $250,000 von der Lebensversicherung. Ach, ehe ich es vergesse … das Geld ist seit gestern auf meinem Konto. Erinnere mich bitte nachher dran, sollte ich es vergessen.« William nahm sich wieder seine Pfeife, glättete die Oberfläche der Asche und zündete sie neu an. »Als ob ich meine Frau hätte töten lassen können. Das ist absurd!«
»Billy, der Verdacht ist aus der Welt geschafft. Das Morddezernat hatte mehrheitlich bereits gegen diese Theorie gestimmt, und eine Überprüfung der Policen ergab eindeutig, dass deine Frau ihre Police abgeschlossen hatte, nachdem du deine zugunsten Angelas veranlasst hattest. Und nichts deutet darauf hin, dass dies auf dein Geheiß erfolgt wäre. Ganz im Gegenteil! Die Versicherung hat mittlerweile bestätigt, dass deine Frau erwähnte, dich damit überraschen zu wollen. Und da beide Policen über jeweils $250,000 liefen und kein deutlich höherer Betrag eingesetzt wurde, hat man den Verdacht gegen dich fallen gelassen.«
»Fragt sich nur«, fuhr William nach zwei leichten Zügen an seiner Pfeife fort, »wer alles für den Mord infrage kommt.«
»Das fragen wir uns auch, mein Junge.«
Die beiden Freunde saßen schweigend vor dem Kamin, genossen das beruhigende Spiel der Flammen und tranken ihren Tee.
William rauchte weiterhin seine Pfeife, dann ergriff er wieder das Wort: »Gordon, ich glaube, mich hat ein dunkler BMW von New York aus bis nach Fairview verfolgt.«
Gordon zuckte sichtlich zusammen, als er Williams Worte vernahm: »Ein dunkler BMW? Mit dunkel getönten Scheiben?«
Jetzt wurde auch William hellhörig: »Ja. Woher weißt du …?«
Gordon erzählte ihm nun ausführlich von dem dunklen BMW, der ihn bereits seit Tagen in New York verfolgte, und er erzählte ihm von dem Zwischenfall vor der Citibank im chinesischen Viertel, ganz in der Nähe der Police Plaza. William hörte aufmerksam zu, dann erzählte er wiederum, was sich hier in Fairview mit dem BMW zugetragen hatte.
»Deine Maklerin wurde hier in deinem Haus auf den BMW aufmerksam?« Entgegen Williams Befürchtungen, lächelte Gordon ihn freudig an und fragte: »Möchtest du mir vielleicht verraten, was deine Immobilienmaklerin hier zu schaffen hatte? Nachdem sie dir dein Haus doch bereits verkauft hatte?«
Der schelmische Blick Gordons entging William nicht, der innerlich unmerklich aufatmete. »Sie wollte im Erdgeschoss ein wenig putzen.«
»So, so … erzähl mir von ihr!«
Und William begann zu erzählen … wie sie sich kennengelernt hatten, wie sie sich ihm gegenüber verhalten hatte. Wie sie aussah, was sie so alles tat, ihre offene Art und Weise …
»Liebst du sie, mein Junge?«
»Ich weiß es nicht, Gordon. Ich mag sie … sehr sogar. Doch ich weiß nicht, ob ich schon bereit zu mehr bin.«
»Weiß sie von deiner Frau?«
»Ja. Und sie akzeptiert es.«
»Nun, wenn ihr beiden euch arrangiert habt und wisst, woran ihr jeweils seid, ist es doch toll. Billy, ich freue mich für dich!«
William fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Dennoch hatte er seine Bedenken: »Ich weiß nur nicht, ob es richtig ist … Angela ist gerade mal seit zwei Monaten beerdigt.«
»… und sie hätte sicherlich nicht gewollt, dass du in Melancholie versinkst und dein Leben wegwirfst. Hör mir zu, mein Junge: Du warst deiner Frau stets ein liebevoller und treuer Ehemann … und das wusste sie auch. Sie würde mit Sicherheit wollen, dass du glücklich bist.«
An seiner Pfeife ziehend, blickte William während dieser Worte ins Feuer. Auch Cynthia hatte ihm bereits gesagt, dass es nicht schlimm sei, und sie musste immerhin akzeptieren, dass er seine Frau noch immer liebte und wohl auch immer lieben würde.
»Wirst du sie mir vorstellen?«
»Sie kommt nachher vorbei. Ich wollte erst mit dir allein sein …«
»… um es mir schonend beizubringen?« Gordon lachte. »Billy, du bist ein verdammt guter Cop … knallhart und nicht umsonst so erfolgreich. Doch in manchen Dingen bist und bleibst du einfach ein Kindskopf.«
William sah mit seinem Dackelblick zu Gordon, der sich sichtlich amüsierte, und zog wieder an seiner Pfeife.
»Hättest du etwas mit einer anderen Frau angefangen, während du mit Angela verheiratet warst, hätte ich dir wahrlich die Leviten gelesen. Du weißt, dass ich dich immer als Sohn und sie als Schwiegertochter betrachtet habe. Auch ich habe deine Frau geliebt … ihr wart so ein schönes Paar. Doch denke bitte daran, dass ich dich in den Süden geschickt habe, eben damit du ein neues Leben anfängst. Mache einen Neuanfang, werde glücklich!«
»Vielleicht hast du recht, Gordon …«
»Was heißt hier: vielleicht ? Und ob ich recht habe!«
»Du hast doch aber seit dem Tod deiner Frau keine Beziehung mehr angefangen, Gordon.«
»Glaube nicht, Billy, dass ich es nicht gewollt hätte. Ich habe nur seither leider nicht die Richtige gefunden. Jeanne hatte sogar damals darauf bestanden, dass ich mich nach einer neuen Frau umsehen sollte. Im Gegensatz zu dir, mein Junge, war ich bereits 52 Jahre alt, als ich meine Frau zu Grabe tragen musste. Du bist zehn Jahre jünger und warst nicht bereits 27 Jahre lang verheiratet.«
»Und seit 2007 bist du nun allein?«
»Seit 2007 habe ich keine feste Partnerin, Billy. Das heißt aber nicht, dass ich deswegen immer allein war.«
William wusste, dass er mit Gordon stets über alles reden konnte. Doch bis eben hatten sie noch nie über Liebesdinge gesprochen. Und er war selbst überrascht, wie locker er mit seinem alten Freund darüber sprechen konnte. Daher sah er seinen Mentor nur noch fragend an.
»Guck nicht so, Billy. Natürlich habe ich hin und wieder Frauen kennengelernt und bin auch mit der einen oder anderen zu ihr nach Hause gegangen. Doch es war eben keine dabei, mit der ich es länger hätte aushalten wollen. Es gibt nicht mehr so viele, die einem Mann von über fünfzig ihr Herz schenken wollen. Bei einigen war es wohl eher kühles Kalkül mit der Aussicht auf ein angenehmes Leben, da ich Commissioner bin und nicht allzu schlecht bezahlt werde. Doch nicht eine war dazu bereit, außer ihrem Bett auch meine Sorgen mit mir zu teilen.«
»Das tut mir leid für dich, Gordon.«
»Das muss es nicht, mein Junge. Ich habe immer schnell gemerkt, woran ich war.«
»Danke, Gordon.«
»Wofür? Dass ich dir mal wieder den Kopf zurecht gerückt habe?« Gordon musste wieder lachen. »Das wird langsam zu einer lieben Angewohnheit.«
State Route GA-92, Woodstock, Georgia
Seit beinah zwei Stunden saßen O.C. Tomas und Michael Luther White bereits im IHOP , aßen ihre mittlerweile kalten Pfannkuchen, tranken Kaffee und unterhielten sich. Sheriff Thomas hatte dem jungen Deputy haarklein geschildert, um was für einen Posten es sich handelte. Weg vom Posten des Deputies und hin zum Officer eines Police Departments. Und er schilderte ihm auch, was in der Nacht zuvor passiert war.
»Sie sehen also, Deputy, dass eine möglichst schnelle Antwort von Ihnen dringend vonnöten ist.«
»Ich weiß doch gar nicht, ob Chief Justice mich in seiner Truppe haben möchte«, entgegnete der Deputy, der sich noch an seine Absage aus Canton erinnerte.
»Das lassen Sie mal ruhig meine Sorgen sein, Deputy! Ich werde nachher mit ihm reden. Doch vorher möchte ich wissen, ob ich mit Ihnen rechnen kann.«
Deputy White ließ sich einen Moment Zeit, um über die Worte des Sheriffs nachzudenken. Dann fragte er: »Wie sieht es mit den Arbeitszeiten aus?«
»Besser als beim Sheriff Department. Sie haben feste Arbeitszeiten von 8 Uhr morgens bis 17 Uhr nachmittags. Keinen Schichtdienst, keine Wochenendarbeit. Die Samstagsschichten haben Chief Justice und ich im Police Department abgeschafft, da diese durch mein Sheriff Department abgedeckt werden können.«
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