„Laura, du bist unfair. Objektiv betrachtet hat Mike Recht. Wir haben keinen Beweis dafür, dass Martha entführt wurde. Die Polizei wird daraufhin gar nichts machen und abgesehen von der Vorhersage, dass sie entführt wurde, konnte auch Lady Kara nichts Brauchbares beisteuern. Also lass uns bitte bis morgen noch abwarten, dann sind die 48 Stunden vorbei und wir werden die Polizei informieren“ schlichtete sie.
Laura war es zuwider, einfach abzuwarten. Andererseits hatte sie auch keine andere Idee, um die Situation zu verbessern. Lady Kara hatte keinerlei Informationen für sie, um mit einer Suche beginnen zu können. Und dunkle Räume gab es überall. Wäre doch nur William hier! Er würde sie zumindest verstehen und ihr glauben. Wütend und enttäuscht stampfte sie in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten. Isabella und Mike blieben auf der Terrasse zurück.
„Und was hat Madame Wahrsagerin euch sonst noch für Blödsinn aufgetischt?“
„Nichts!“
„Das kann ich mir nicht vorstellen. Also was hat sie gesagt? Ich lache auch nicht, versprochen!“
„Wirklich nichts! Ich habe nach Martha gefragt und danach war Laura so aufgeregt, dass sie nur noch die Polizei verständigen wollte.“
„So viel Raffinesse habe ich dir gar nicht zugetraut! Darum also das Theater um die angebliche Entführung.“
„Du glaubst nicht daran?“, fragte Isabella ihn.
„Nein. Ich halte von diesem Quatsch nicht das Geringste. Was ist mit dir?“
„Grundsätzlich halte ich es für Profitmacherei und Spielwiese für Betrügereien.“
„Aber? Du klingst, als würde ein großes aber kommen.“
„Nun ja, bei ihr hatte ich nicht den Eindruck, dass sie lügen würde. Außerdem sind ihre sogenannten Vorhersagen komisch.“
„Was meinst du mit komisch?“
„Naja, die Tatsache, dass sie gleich von Entführung gesprochen hat! Keiner von uns hatte etwas in dieser Richtung gesagt oder gedacht. Denk doch mal logisch nach! Hellseher leben davon, ihre Aussagen so vage wie möglich zu halten. So klingt es mystischer und übernatürlicher und jeder kann die Aussage so interpretieren, wie er will und es für einen passt. Sie liegen dadurch immer richtig und ihre Kundschaft kommt immer wieder. Eine Entführung dagegen ist nicht gerade vage, sondern sehr präzise und auch nicht interpretierbar sondern eindeutig. Also warum sollte sie so eine Behauptung auf die Gefahr hin aufstellen, dass sie Laura als Kundin verliert, wenn es nicht stimmt?“
„Klingt logisch, aber deshalb glaube ich es trotzdem noch nicht“, bestand Mike auf seinen Standpunkt.
„Ich habe nicht gesagt, dass ich es glaube, sondern nur, dass ich derzeit am zweifeln bin. Laura wird sicher sauer sein. Ich gehe besser zur ihr rein und helfe ihr beim Essen. Bis später.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und ging durch die Terrassentür zurück ins Haus. In der Küche fand sie Laura, die den Salat putzte und die ganze Arbeitsfläche mit Lebensmittel und Haushaltsutensilien übersät hatte. Laura war zwar manchmal chaotisch, doch nie in der Küche. Die Küche war ihr Heiligtum. Hier war alles strukturiert und alle ihre Handgriffe waren routiniert. Die Situation brachte sie gewaltig aus dem Konzept, das sich auch auf ihre Arbeit übertrug.
„Kann ich dir helfen?“ fragte Isabella.
Laura stierte weiterhin in die Spüle zum Salat.
„Laura, bitte. Ich will mit dir nicht streiten und ich kann verstehen, dass du enttäuscht bist. Aber andererseits musst du auch meine Situation verstehen.“
„Ach ja, muss ich das?“ giftete Laura sie an.
„Du weißt genau, was ich von Hellsehern und dergleichen halte und trotzdem hast du mich zu Lady Kara gebracht. Eigentlich müsste ich sauer auf dich sein!“
„Das ist was anderes. Ich wollte dir helfen. Ich dachte, wenn du deine Zukunft kennst, bist du nicht mehr so traurig, weil du weißt, was Schönes auf dich zu kommt.“
„Wer sagt, dass ich wissen möchte, was auch mich zukommt? Und wer sagt, dass etwas Schönes kommt? Vielleicht wird alles nur noch schlimmer, als es jetzt schon der Fall ist. Egal, wie es für mich kommt, ich will es definitiv vorher nicht wissen. Und so wie du an Lady Kara glaubst, musst du auch anderen zugestehen, dass sie nicht an sie glauben. Mike hat nur versucht, dir das Vorgehen der Polizei zu erklären. Und die werden sich sicherlich nicht mit der Auskunft, dass eine Wahrsagerin es vorhergesehen hat, zu einer Suche bewegen lassen.“
„Es tut mir leid, aber ich glaube nun mal daran, weil ich schon sehr oft erlebt habe, dass sie Recht hat. Zu wissen, dass Martha in der Gewalt von skrupellosen Verbrechern ist und ich kann ihr nicht helfen, macht mich rasend. Ich möchte irgendetwas tun.“
„Das glaube ich dir. Aber momentan wüsste ich nicht, was du tun könntest. Lass uns bis morgen noch abwarten, dann wissen wir mehr. Die Arbeit wird dich morgen ablenken und wenn wir bis abends immer noch nichts von ihr gehört haben, dann können wir immer noch zur Polizei gehen. Willst du zur Beruhigung bei ihr vorbei fahren?“
„Du hast ja Recht. Die Fahrt können wir uns sicher sparen. Mike war bestimmt sehr gründlich. Hilfst du mir Gemüse für den Salat zu schnippeln? William wird gleich nach Hause kommen und dann können wir essen.“
„Gerne. Mit was soll ich anfangen?“
„Erst Paprika, dann Tomaten und Champignons und zum Schluss noch die Gurke da drüben bitte. Ich reibe noch schnell die Steaks ein, dass sie kurz noch etwas einziehen können.“
Isabella machte sich über das Gemüse her, während Laura allerhand Gewürze auf die Steaks streute und festdrückte. Die Arbeit in der Küche und das rationelle Gespräch mit Isabella, halfen ihr sich wieder zu beruhigen. Logisch betrachtet hatten die beiden zwar Recht, aber leider waren Lauras Gefühle nicht immer logisch.
„Mir hat unser Ausflug heute, trotz des frühen Endes, viel Spaß gemacht. Es war schön, mit dir über alles quatschen zu können und dir ein Stück meiner Arbeit zu zeigen. Ich hoffe es hat dir auch ein wenig gefallen.“
„Das Astoria Place war den Ausflug auf jeden Fall wert. Ich habe noch nie so lecker gegessen, wie dort. Und die Atmosphäre dort, ist dir wirklich gelungen. Viel schöner fand ich aber, dass wir wie in alten Zeiten über alles gesprochen haben. Es ist anders jemanden am Telefon zu sprechen, als wenn man sich doch persönlich gegenübersitzt. Und das hatten wir schon viel zu lange nicht mehr getan.“
„Ich bin wirklich froh, dass du es endlich gewagt hast zu kommen. Auch wenn nicht ich der Grund für deine Reise war, sondern die derzeitigen Umstände. Meinst du, du hast deine Flugangst soweit überwunden, dass du wiederkommen wirst? Zum Beispiel zu meiner Hochzeit?“
„Wenn ich es jetzt schon geschafft habe, werde ich es sicherlich auch zu deiner Hochzeit schaffen. Das werde ich mir sicherlich nicht entgehen lassen, auch wenn ich jetzt noch gar nicht daran denken darf!“
„Gut, dann hätte ich eine Bitte an dich. Würdest du meine Trauzeugin werden? Es gibt keinen Menschen, außer William, dem ich mehr vertraue, als dir. Und wenn ich deinen Segen dazu bekomme, weiß ich auch, dass ich wirklich das Richtige tue.“
„Warum hast du Zweifel? William liebt dich über alles und du liebst ihn auch. Was sollte daran schief gehen? Und falls ich dich daran erinnern darf, bin ich derzeit in Liebessachen sicherlich der schlechteste Berater, wenn man mein eigenes Desaster mit einbezieht.“
„Ich hake Ralf unter die Kategorie blind vor Liebe ab und sehe ihn als eine Erfahrung, die du eben machen musstest. Das heißt aber nicht, dass das Leben mit 29 Jahren schon abgehakt ist und es keine anderen Männer mehr gibt.“
William kam zur Küche herein.
„Wie, es gibt noch andere Männer für dich? Reiche ich dir etwa nicht aus?“ scherzte er.
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