Aber auch Satanael machte sich Gedanken, was nach diesem grossen Krieg kam, nach seiner Engelsherrschaft. Er plante ebenfalls langfristig und er wusste, die Menschen würden ihn nie vergessen. Sie mochten besiegt und verbannt werden, doch nichts war für die Ewigkeit. Es würde immer Menschen geben, deren Sehnsucht nach seiner Herrschaft gross genug war, dass sie bereit waren jene Opfer zu bringen, um ihm eine Rückkehr zu ermöglichen. Nicht umsonst hatte er die Menschen in die Geheimnisse des Himmels und jener der Magie eingeweiht. Er würde dafür sorgen, dass dies nicht unter den Trümmern seines Imperiums verborgen blieb. Sie hatten wie Götter gelebt und schlussendlich war das ein Traum, den jeder hatte. Zurück zu den Wurzeln, zurück zur alten Stärke, als man selbst dem Himmel die Stirn bot. Seine Zeit war noch lange nicht vorbei, noch besass er Asse im Ärmel, welche er zur gegebenen Zeit ausspielen würde. Denn jeder General musste Niederlagen einplanen, wenn er gewinnen wollte. So war der grosse Krieg eben. Aber ein ungewisser Faktor waren Samael und die Seinen, er konnte sie nicht richtig einschätzen. Wie jeder andere hatte er ihn heimlich bewundert und seinen Stolz verstanden. Dennoch hätte er es niemals gewagt, dieses Opfer zu bringen. Satanael wusste, dass Samael ihn für sein Bestreben verachtete. Schon als sie noch Brüder waren, betrachtete er ihn nur abschätzig, als würde er sein Inneres kennen. Deswegen hatte er auch nie versucht ihn auf seine Seite zu ziehen, er war bereits damit zufrieden, dass Samael sich nicht in die kommende Auseinandersetzung einmischte, denn es hätte sein können, dass das Göttliche ihm verzieh. Doch dem war nicht so. Stur wie Samael war, hielt er an seinem Bestreben fest. Erleichtert war Satanael auch darüber, dass sie zukünftig nicht dieselbe Hölle teilen mussten, denn als ein gefallener Erzengel hatte er gewisse Vorzüge gegenüber den Geistern. In seiner eigenen Hölle würde er seinen Aufstieg planen.
Die Rephaim waren bereit, sie waren das Gegenstück zu den Engeln. Gezüchtet für den Kampf, standen sie nun unter Waffen und erwarteten die Ankunft des Gegners. Natürlich kannte man den Standort des Tores, durch das die himmlischen Heerscharen kommen würden, ebenso die Zeit. Das Schlachtfeld war vorbereitet, dieses Jahr war es wohl endlich soweit. Seit jenen Zeiten, als Samael und die Seinen rebellierten, hatte keine Welt je wieder eine solch imposante Auseinandersetzung gesehen. Man war angetreten, um seine Ideale zu verteidigen. Das Licht kam, um die Dunkelheit zu stoppen. Satanael war im Begriff gewesen, die Welt in eine Hölle zu verwandeln und das konnte man nicht mehr hinnehmen. Dass selbst bereits eine Hölle existierte, war ein enormer Rückschlag gewesen. Man hatte sich geschworen, dies niemals wieder zuzulassen. All das hatte dazu geführt, dass die Sühne der Menschen mit dem Himmel viel komplexer wurde als gedacht. Der freie Wille der Menschen, gepaart mit ihrer Unwissenheit, hatte grossen Schaden angerichtet. Bereits jetzt war es ungewiss, was die Zukunft der Menschen war. Man durfte nicht noch weiter abwarten, bis die Umstände ununkehrbar wurden. Wie Satanael es beabsichtige, war dies eine Auseinandersetzung zwischen der Zukunft der Seelen und der Geister. Diese Idee der freundschaftlichen Fusion beider in einem Körper war gefährdet. Nicht umsonst hatten die Gottmenschen keine Seelen. Das wäre unzumutbar gewesen und so wie sie vom Wesen waren, hätten sie niemals einen Platz innerhalb des Göttlichen erhalten. Zudem durfte man nicht zulassen, dass Satanael dies auf die Menschen übertrug. Bereits jetzt gab es viel zu viele Seelenlose, diese Schmach konnte man nicht mehr hinnehmen.
Zu den Rephaims gesellten sich noch die Anakim. Es waren jene riesenhafte Monster, ohne Seele oder Geist, welche Satanael erschaffen hatte, um sie gegen die Engel antreten zu lassen. Nach langer und intensiver Suche hatte er sechs geeignete Herzen gefunden. Somit war sein Arsenal komplett. Die Anakim hörten alleine auf seine Befehle und mit jedem bezwungenen Gegner würden sie wachsen, bis ihre Hand den Himmel erreichen konnte. Aus Blut und Staub geformt, war ihre Hülle härter als Stein. Man konnte sie nur besiegen, wenn man das Herz zerstörte, das durch den Körper geschützt wurde. Sie kannten keine Schmerzen und würden nicht vom Gegner ablassen, bis der Befehl ausgeführt war. Somit waren sie eine mächtige Waffe, sie waren die letzte Schöpfung in Satanaels Plan den Himmel herauszufordern. So aufgestellt, war man bereit Geschichte zu schreiben. Nie würden die Menschen diese Auseinandersetzung vergessen, wo das Göttliche gezwungen war, seinen Himmel zu verlassen, um auf die Erde geschickt zu werden, um eine Schlacht zu schlagen, über die Zukunft des Menschengeschlechts. Satanael blickte mit Wohlwollen auf all das zurück, was seit der Erschaffung des Menschen geschah. Samaels Sturz hatte ihm die Augen geöffnet und er hatte aufgehört sein wahres Wesen zu verbergen, aus Angst vor der Strafe. Was auch immer der Plan mit den Menschen gewesen war, er hatte es ins Gegenteil verkehrt. Mit einem heissen Brandeisen hatte er sie markiert und bis ans Ende aller Tage an sich gebunden. Und bis dahin würden Tausende seinem Ruf folgen und seine Reihen füllen. Der Widerstand gegen das System hatte begonnen. Von nun an würde er mit dem Göttlichen im Streit liegen und anhand unzähliger Leben der Menschen beweisen, dass er in allem Recht behielt. War das vollendet, würde er seinen Anspruch einfordern als wahrer König der Erde. Was er tat war kein Unrecht, er verstand lediglich die wahre Natur der Menschen und ihre Bedürfnisse besser als sonst jemand.
Endlich war jene Zeit um, die man Satanael und den Seinen gewährt hatte, um auf Erden zu tun und zu lassen was sie wollten. Ungeduldig wartete man bis das letzte Sandkorn fiel. Nun konnte man wahre Stärke und Entschlossenheit demonstrieren. Die himmlischen Armeen standen bereit, um unter der Führung der Erzengel, den Dämonen, ihren Nachkommen und ihrer anderen Geschöpfen die Stirn zu bieten und sie daran zu hindern, den Menschen noch grösseren Schaden beizubringen. Nie wieder würde man zulassen, dass das Böse dermassen erstarken und die Menschen ins Verderben führen konnte. Satanael hatte gezeigt, wozu er fähig war, durch und durch abgefallen. Man musste verhindern, dass er seine Pläne noch weiter ausführen konnte. Und so rüsteten die Engel für den Krieg, man würde die Erde betreten und alles vernichten, das keine Seele besass. Diese Ungeheuer, welche der Schöpfung spotteten, musste man vom Antlitz der Erde tilgen. Sie waren etwas, das es nie hätte geben dürfen, ohne einen Anteil am Göttlichen, verdammt dem Bösen zu dienen. Man musste sie aufhalten bevor sie ihre wahre Natur erkannten, geschaffen die Hölle zu bringen. Denn dies war lediglich der Anfang. Würde man Satanael weiter gewähren lassen, würde er alles gefährden, das man vor dem Erschaffen des Menschen erreicht hatte und das durfte man nicht zulassen. Er war bereit diesen Schritt zu tun, das erkannte man anhand seiner Taten und damit übertraf er sogar Samael an Gefährlichkeit. Er war kein Engel mehr, aber auch kein Mensch, er wurde zu etwas Neuem, etwas, von dem man gehofft hatte, es hinter sich gelassen zu haben. Man konnte nur hoffen, dass irgendwann der Mensch es wert war, all das auszulösen. Dennoch hinterfragte niemand die unergründlichen Wege, man war geschaffen worden um zu dienen. Irgendwann würde man es verstehen und diese Kenntnis wäre Grund genug, um der Vergangenheit zu verzeihen, egal welche Opfer man in dieser kommenden Auseinandersetzung bringen musste.
Und so fing es an. Die Rufe der gefallenen Gerechten wurden erhört und man kam, um den Verbliebenen endlich zu Hilfe zu eilen. Ihre Leidenszeit war vorbei...
Auf einer weitläufigen Wiese stand eine urtümliche Tür ohne Schloss, die niemand öffnen konnte. Sie war älter als der Mensch und schon lange vor ihm hier. Niemand von ihnen wusste, was sie war oder welchen Zweck sie erfüllte. Sie war eine Passage, welche den Himmel mit der Erde verband, sie entstand, als man Beide trennte. Öffnen konnte man sie nur durch Magie, welche nur die Erzengel besassen. Im Umkreis von hunderten Metern gab es nur Graslandschaft, welches von dichten Wäldern umschlossen wurde. Ein leichtes Erdbeben ging vom Tor aus, bevor helles Licht die Türe aufzulösen schien. Der Durchgang war geöffnet. Als erster, nach vielen Jahren, betrat der Erzengel Gabriel die Welt, gefolgt von seinen Truppen. Ihre Aufgabe war es die Umgebung zu sichern und die Ankunft der Anderen vorzubereiten. Und so positionierten sie sich im Umkreis des Tores und beobachteten wachsam die angrenzenden Wälder.
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