Ich, der ich nach Befreiung strebe, brauche keinen Reichtum und keinen guten Ruf,
Denn sie halten mich nur in Samsara gefangen.
Es ist hilfreich, uns diese Worte wiederholt ins Gedächtnis zu rufen. Wir sollten unserem Ansehen gegenüber gleichgültig bleiben, während wir in Übereinstimmung mit dem Dharma handeln. Das Gleichgewicht unseres Geistes sollte nicht durch Lob oder Tadel, Gewinn oder Verlust gestört werden. Wenn wir an diesen Dingen haften, werden wir fortwährend von unserer spirituellen Praxis abgelenkt. Wir werden bei dem Versuch, Besitz und gutes Ansehen zu erwerben, unsere Energie verschwenden, und wenn diese Bemühungen fehlschlagen, werden wir höchst deprimiert sein. Aus diesen Gründen war es der Brauch der alten Kadampa-Lehrer und Je Tsongkhapas, andere zu loben und ihre eigenen Fehler und Beschränkungen zu verkünden.
Das leichtsinnige Reden über unsere meditativen Erfahrungen oder die Praxis zieht Hindernisse und Behinderungen an, genau wie das öffentliche Reden über unseren Reichtum Diebe anzieht. Obwohl wir uns in unserer Tantra-Praxis eifrig bemühen sollten, sollten wir unsere Praxis anderen gegenüber nicht enthüllen. Es gibt nur zwei Ausnahmen von dieser Regel: Wir sollten uns unseren Gurus anvertrauen, und wir können Aspekte unserer Praxis mit Freunden diskutieren, die mit ähnlichen Übungen beschäftigt sind, vorausgesetzt, daß sie Vertrauen besitzen und ihre Verpflichtungen auf reine Weise einhalten.
Wenn wir diese vier besonderen Ursachen erzeugen und alle notwendigen Bedingungen für eine erfolgreiche Praxis, die erklärt worden sind, erfüllen, werden wir durch die Praxis der Anweisungen von Vajrayogini sicherlich schnell Realisationen erlangen.
WAS SIND DAS ÄUSSERE UND DAS INNERE REINE DAKINILAND?
Das äußere Reine Dakiniland liegt jenseits der Welt der gewöhnlichen Erfahrung. Es ist das Reine Land von Buddha Vajrayogini und Buddha Heruka. Ein Reines Land ist eine Welt, die frei von Wahren Leiden ist. Es gibt keinen Ort in Samsara, der ohne Wahre Leiden ist, weil die samsarische Umgebung an sich ein Umstand ist, der zur Erfahrung von Leiden führt. Gewöhnliche Wesen werden ohne Wahl in Samsara geboren und müssen fortwährend Unzufriedenheit und Elend erfahren. Doch wenn wir unseren Geist reinigen, reinigen wir unsere Erfahrung der Welt und erreichen damit ein Reines Land, frei von allem Leiden.
Es gibt verschiedene Reine Länder in Verbindung mit verschiedenen Buddhas. Das Reine Dakiniland ist den Reinen Ländern Tushita und Sukhavati ähnlich, außer daß das Reine Land von Heruka und Vajrayogini das einzige ist, in dem Lebewesen Höchste-Yoga-Tantra-Unterweisungen erhalten und auch in die Praxis umsetzen können.
Wenn diejenigen, die sehr alt und krank sind, durch die Führung von Vajrayogini das Reine Land erreichen, werden sie nicht mehr länger die Leiden des hohen Alters und der Krankheit erfahren. Alle Anzeichen ihres hohen Alters werden verschwinden, und sie werden in Sechzehnjährige von großer Schönheit und Vitalität verwandelt, die sich einer endlosen Lebenszeit erfreuen. Alle Vergnügen, die sie wünschen, werden spontan erscheinen. Sie werden niemals wieder in Samsara geboren werden, außer sie wählen es aus Gründen des Mitgefühls. Jeder, der dieses Reine Land erreicht, wird direkt von Heruka und Vajrayogini Unterweisungen über das Höchste Yoga-Tantra erhalten und dadurch schnell Erleuchtung erlangen.
Das äußere Reine Dakiniland kann auch im Sinne der persönlichen Erfahrung eines einzelnen Praktizierenden erklärt werden. Von diesem Gesichtspunkt aus wird das äußere Reine Dakiniland durch das Vollenden der Erzeugungsstufenübungen von Vajrayogini erlangt. Während unserer Schulung in der Erzeugungsstufenmeditation visualisieren wir unseren Körper als den reinen Körper von Buddha Vajrayogini, unsere unmittelbare Umgebung als das Mandala von Vajrayogini und unsere Welt als Reines Dakiniland. Wenn wir uns unaufhörlich mit der Erzeugungsstufenpraxis beschäftigen, werden sich die gewöhnlichen, unreinen Erscheinungen unseres Geistes allmählich verringern und schließlich ganz aufhören. Haben wir einmal eine dauerhafte Realisation der Erzeugungsstufe erlangt, werden wir nur noch reine Erscheinungen erfahren, und unsere Welt wird in das Reine Dakiniland verwandelt. Der große Lehrer Tenpa Rabgyä sagte, daß das Reine Dakiniland weder einen weit entfernten Ort darstelle, noch daß es notwendig sei, diese Welt zu verlassen, um es zu erreichen.
Reine Erscheinungen werden nur von realisierten Praktizierenden erfahren. Es wird allgemein sowohl im Sutra als auch im Tantra akzeptiert, daß die Welt unserem Geist als fehlerhaft, unvollkommen und unbefriedigend erscheint, weil unser Geist unrein und durch Verblendungen und ihre Prägungen verunreinigt ist. In Ornament für klare Realisation sagt der Ehrwürdige Maitreya, daß die Umgebung der Lebewesen zum Reinen Land eines Buddhas wird, wenn ihr Geist vollkommen rein wird.
Ein Reines Land kann nur durch die Reinigung des Geistes erreicht werden. Selbst wenn wir das äußere Reine Dakiniland aufgrund einer dauerhaften Realisation der Erzeugungsstufe erreicht haben, werden wir anderen immer noch als gewöhnliche, unreine Wesen erscheinen. Gewöhnliche Menschen können nicht erkennen, daß eine andere Person in einem Reinen Land ist, weil sie das Reine Land dieser Person nicht erkennen und deren Erfahrung nicht mit ihr teilen können. Einmal fragte jemand Milarepa, in welchem Reinen Land er die Erleuchtung erlangt habe, und Milarepa zeigte auf seine Höhle. Der Fragende konnte nur eine kalte, leere Höhle sehen, aber für Milarepa war jene Höhle ein Reines Land.
Weil der Geist gewöhnlicher Wesen unrein ist, wird alles, was ihnen erscheint, als gewöhnlich gesehen. Als gewöhnliche Wesen mit gewöhnlicher Erscheinung können wir nichts als völlig rein und vollkommen erfahren. Sogar eine Ausstrahlung von Buddha erscheint uns, als hätte sie Fehler. Aufgrund der gewöhnlichen Erscheinung, die wir haben, betrachten wir uns selbst und alle anderen als unvollkommen - den Fehlern wie Krankheit und Altern unterworfen.
Gemäß den Sutra-Unterweisungen sind das Festhalten am Selbst und die Verblendungen, die daraus entstehen, der Ursprung von Samsara. Doch gemäß den Unterweisungen des Geheimen Mantras sind gewöhnliche Erscheinungen und gewöhnliche Vorstellungen der Ursprung von Samsara. Das Festhalten am Selbst, das von den Sutra-Praktizierenden erkannt wird, ist nur eine grobe, gewöhnliche Vorstellung.
In diesem Zusammenhang ist jedes Lebewesen, das kein Buddha ist, jede Umgebung, außer der eines Buddhas, jedes Vergnügen, außer dem eines Buddhas, und jeder Körper, außer dem eines Buddhas, gewöhnlich. Die Wahrnehmung dieser Objekte als gewöhnlich, die aufgrund eines unreinen Geistes zustande kommt, ist gewöhnliche Erscheinung, und die Geistesarten, die sich die Objekte auf diese Weise vorstellen, sind gewöhnliche Vorstellungen. Gemäß den Unterweisungen des Geheimen Mantras sind gewöhnliche Erscheinungen Behinderungen zur Allwissenheit, und gewöhnliche Vorstellungen sind Behinderungen zur Befreiung. Die gewöhnlichen Erscheinungen und gewöhnlichen Vorstellungen besitzen viele verschiedene Ebenen der Subtilität.
Einer der Hauptzwecke der Praxis der Erzeugungsstufenmeditation ist das Aufgeben der gewöhnlichen Erscheinungen und der gewöhnlichen Vorstellungen. Wir können die gewöhnlichen Erscheinungen aufgeben, indem wir die klare Erscheinung erzeugen, daß wir Vajrayogini sind, und wir können die gewöhnlichen Vorstellungen aufgeben, indem wir den göttlichen Stolz entwickeln, Vajrayogini zu sein.
Aufgrund unserer gewöhnlichen Wahrnehmungen und gewöhnlichen Vorstellungen erfahren wir einen endlosen Kreislauf von gewöhnlichem Tod, gewöhnlichem Zwischenzustand und gewöhnlicher Wiedergeburt. Dieser endlose Kreislauf, bekannt als «Samsara», muß durchbrochen werden. Durch die Erzeugungsstufen- und Vollendungsstufenpraxis können wir die drei gewöhnlichen Zustände von Tod, Zwischenzustand und Wiedergeburt reinigen und dabei die drei Körper eines Buddhas erlangen.
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