«Oh ja, das ist er!», antwortete Stella strahlend.
«Aber bitte denk an deine Überzeugungen, Stella, an das, was dir wichtig ist. Hast du schon mit ihm darüber gesprochen?»
Stella blickte zu Boden. «Noch nicht. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich mit ihm sprechen möchte.»
Julia schien erleichtert zu sein. «Falls du meine oder Phils Unterstützung möchtest, melde dich, okay? Wir ersetzen dir hier in Neuseeland ja ein bisschen deine Eltern.» Sie strich Stella mütterlich durchs Haar und sagte schmunzelnd: «Ich denke, in den wichtigen Themen haben wir auch dieselbe Meinung.»
Stella nickte dankbar, sie schätze Julia und Phil sehr.
Kapitel 7 : Wie sag ich es ihm bloß?
Am nächsten Abend setzten sich Ben und Stella zusammen in den Garten hinter dem Haus. Ben war gespannt, was ihm Stella erzählen wollte. Sie druckste herum.
«Was möchtest du Wichtiges mit mir besprechen?», fragte Ben lächelnd.
Stella hielt ihm ihre Hand hin. «Siehst du diesen Ring?», fragte sie.
«Er hat eine Bedeutung, Ben. Eigentlich hätte ich vor unserem Kuss gestern darüber sprechen sollen, aber ich wollte die schöne Stimmung nicht zerstören.»
Ben schaute sie fragend an. Hatte er einen Fehler gemacht?
Sie fuhr fort: «Meiner Meinung nach ist Sex ein sehr kostbares und wunderbares Geschenk, das Gott sich für die Ehebeziehung ausgedacht hat. Deshalb möchte ich mir das für meinen zukünftigen Ehepartner aufsparen.»
Jetzt war es ausgesprochen! Es herrschte eine lange Weile absolute Stille.
Natürlich hatte Ben so etwas schon gehört. Er hatte immer den Eindruck gehabt, dass Sex für Christen etwas Schlechtes sei, sozusagen ein notwendiges Übel, schließlich gebot Gott den Menschen, dass sie sich vermehren sollten.
«Okay», sagte er stockend, «ich akzeptiere selbstverständlich deine Meinung. Ich bin auch überhaupt nicht der Typ, der sofort mit einer Frau ins Bett steigt ... äh ...» Er räusperte sich. «Wenn du es genau wissen möchtest, ich hatte bisher nur eine Freundin, Naemi, von der ich dir erzählt habe, und wir haben nicht miteinander geschlafen.»
Stella war erleichtert und dankbar für seine Offenheit. «Meinst du es denn ernst mit mir?», kam es ihr zögerlich über die Lippen.
Seine Antwort erfolgte sofort und ohne jedes Zögern: «Oh ja, Stella!»
Sie schaute ihn dankbar an.
Er nahm ihre Hände mit ernstem Blick: «Du willst dir Sex aufheben für die Ehe, so viel habe ich verstanden. Aber was verstehst du genau unter Sex?»
Sie sah ihn verwirrt an.
«Ich meine, was ist mit Händchenhalten, das tun wir ja nun schon ...», er lächelte fast verlegen. «Wie ist es mit Küssen? Wie und wo darf ich dich berühren?»
Das waren gute Fragen. In der Theorie hatte sich Stella diese Fragen auch schon gestellt, nur war sie da viel strenger mit sich selbst gewesen als jetzt, wo ihre Gefühle Achterbahn fuhren.
«Ich denke Händchenhalten ist auf jeden Fall okay!», erklärte sie lächelnd.
Dankbar drückte er ihre Hände noch fester.
«Der Kuss gestern war wunderschön!», schwärmte sie.
«Küssen ist erlaubt?», fragte Ben.
Sie nickte und sagte: «Keine Zungenküsse, okay? Das wäre mir zu viel.»
Ben nickte, damit konnte er leben. «Wir gehen es langsam an, okay, Stella? Du musst mir sagen, was dir zu weit geht. Du bist mir sehr wichtig! Ich möchte auf keinen Fall etwas tun, was du nicht willst!»
Stella war sehr erleichtert über Bens Reaktion, die ihr zeigte, dass er es wirklich ernst mit ihr meinte und dass er ihre Meinung akzeptierte.
Eine Woche später machten sie am Samstagabend einen Spaziergang am Strand. Stella bückte sich nach einer großen Paua-Muschel, die in allen Regenbogenfarben im Sonnenlicht glänzte. «Wow! Ben, schau dir diese wunderschöne Muschel an!»
Ben bestaunte die Muschel, doch Stella spürte, dass er etwas auf dem Herzen hatte. «Ist irgendetwas nicht in Ordnung, Ben?»
Er erschrak, seine Freundin war wirklich sehr sensibel und spürte sofort, wenn ihn etwas beschäftigte. Ben hatte sich etwas ausgedacht für den nächsten Tag. Er wollte mit Stella eine Wanderung durch einen Regenwald an einen Strand machen. Doch die Anfahrt mit dem Auto würde etwa zwei Stunden und die Wanderung nochmals rund vier Stunden in Anspruch nehmen. Das war also ein Tagesausflug. Er wusste, wie wichtig der Gottesdienst für Stella war und hatte sich deshalb bis jetzt nicht getraut, sie zu fragen, ob sie ihn morgen ausfallen lassen würde, um den Ausflug mit ihm zu unternehmen.
Jeden Sonntag fand ein lebendiger Gottesdienst in der alten, typisch neuseeländischen Holzkirche statt. Ben war noch nie dabei gewesen, er benötigte seiner Meinung nach eine längere Kirchenpause. Stella jedoch kam immer ganz begeistert aus dem Gottesdienst, sie ging jeden Sonntag hin.
Ben blickte zu Boden und zeichnete mit dem Fuß Kreise in den Sand.
«Ben, sag mir, was los ist, bitte!» Stellas Stimme klang flehend. Ben streichelte ihr über die Wange. «Ach, Stella, ich weiß, wie wichtig dir der Gottesdienst am Sonntag ist, du hast noch keinen versäumt, jedenfalls nicht, seit ich hier bin.»
Stella legte den Kopf schief und schaute Ben erwartungsvoll an. Auf was wollte er hinaus? «Und?»
Ben zeichnete noch einen Kreis in den Sand. «Ich würde morgen so gerne den ganzen Tag mit dir zusammen sein. Ich liebe dich!» Er schaute noch immer auf den Sand unter seinen Füßen. «Ich möchte einfach nur mit dir zusammen sein. Ich habe eine wunderschöne Wanderung entdeckt. Mitten durch einen Regenwald an einen unberührten Strand.» Ben machte eine Pause und schaute endlich auf.
Sie lächelte. «Nun möchtest du mich fragen, ob ich für dich den Gottesdienst sausen lassen würde, nicht wahr?»
Ben stotterte: «Nun ja, äh, ich weiß, es ist dir wichtig.»
Stella lachte. «Also, Ben, ich weiß gar nicht, was du für ein Theater machst. Frag mich doch einfach, anstatt um den heißen Brei herumzureden.» Sie lehnte den Kopf an seine Brust und umarmte ihn.
«Klar, ich komme gerne mit dir mit. Ich möchte doch auch mit dir zusammen sein. Den ganzen Tag. Den ganzen Sonntag!»
Ben staunte. «Echt?» Er küsste sie erleichtert auf die Stirn.
«Kommst du dann nächsten Sonntag mit mir zum Gottesdienst? Das würde mich sehr freuen. Aber ich möchte dich nicht drängen, überleg es dir in Ruhe!»
Er küsste sie nochmals zärtlich. «Auf jeden Fall werde ich nächste Woche mit dir zum Gottesdienst kommen. Auch wenn es mich, ehrlich gesagt, ziemlich Überwindung kostet.»
Sie strahlte übers ganze Gesicht.
Am nächsten Tag saßen sie schon in aller Frühe im Auto. Sie fuhren auf schmalen Straßen in eine kaum besiedelte Gegend. Wenn ab und zu ein Haus in der Nähe war, erkannte man das an den lustigen Briefkästen, die an der Straße standen. Die erfinderischen Neuseeländer gestalteten diese oft fantasievoll. Gerade waren sie an einem fischförmigen Briefkasten vorbeigefahren, in dessen weit geöffnetes Maul der Briefträger die Post legen musste.
Irgendwann wurde die Straße noch schmaler und war nicht mehr geteert.
«Eine Gravel Road , eine Schotterstraße!», rief Ben begeistert und gab etwas mehr Gas. «Zum Glück ist das so eine alte Kiste, mit einem neuen Auto könnte ich diese Strecke wohl kaum fahren.»
Stella klammerte sich am Sitz fest. «Auf jeden Fall nicht in diesem
Tempo», sagte sie gespielt vorwurfsvoll.
Immer wieder flogen Steine gegen das Auto, doch das störte Ben wenig. Der Wagen schaukelte und wurde durchgeschüttelt. Ben fuhr mit Vorliebe in die Schlaglöcher und freute sich wie ein Kind.
Stella wurde es irgendwann zu viel. Sie rief: «Mann, Ben, kannst du nicht langsamer fahren? Die Straße ist in einem furchtbaren Zustand!»
Ben lachte und sah zu Stella hinüber. Doch als er merkte, dass sie sich wirklich nicht mehr wohl fühlte, drosselte er sofort das Tempo und umfuhr die nächsten Löcher vorsichtig.
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