1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 ‘Ich war schon bei der Insel. Dann habe ich gesehen, dass du über Wasser schwimmst. Das ist natürlich langsamer. Also bin ich zurückgekommen.’
Die Insel in der Flussmitte. Dennis und ich hatten immer schon mal vor, die zu erkunden, es dann aber aus immer wieder anderen Gründen gelassen.
„Und wie ist sie so, die Insel?”
‘Steinig, nicht dieser Boden, den du Rasen nennst. Es sind auch keine Menschen dort. Dort ist ein hoher Zaun und vierbeinige Tiere die „Rawau” machen.’
„Hunde. Also wohnt dort jemand, der nicht will, dass wir ihn besuchen. Lassen wir es besser.”
Wir schwammen zurück an Land und ich trocknete mich ab. Chiòcciola nahm ihr Handtuch aus der Tasche und tat dasselbe. Dann kam der Moment, den ich im Strandbad am meisten hasste. Da es keine Kabinen gab, musste man sich immer umständlich mit Tüchern verhüllen, um den nassen Badeanzug gegen einen trockenen zu tauschen. Ich überlegte schon, ob ich mich einfach so nass in die Sonne legen sollte. Aber irgendwie klebte er an mir wie ein nasser Sack. So schön er im Laden ausgesehen hatte, im praktischen Einsatz war dieser Badeanzug ganz entschieden nicht mein Favorit. Zum Glück hatte ich noch einen Bikini eingepackt.
Nach einigen Verrenkungen unter dem Badehandtuch und nur wenigen unbedeckten Hautpartien später, lag ich neben Chiòcciola, die noch immer in ihrem Badeanzug steckte, nur dass er trocken war.
„Wow! Das ging schnell mit dem Handtuch.”
‘Danke, dass du mich erinnert hast, ein Handtuch mitzunehmen. Handtücher sind wirklich ganz praktisch bei so etwas.’
„Das trocknet aber unglaublich schnell. Was ist das für ein Stoff?”
‘Es ist so etwas wie eine zweite Haut für uns. So wie alle Dinge, mit denen wir uns bedecken.’
Zweite Haut, das traf den Nagel auf den Kopf. Wie eine zweite Haut schmiegte sich ihr Badeanzug an ihre Haut. Wie vorhin, keine Falte, nichts, was schien zu drücken oder zu kneifen. Ich überlegte die ganze Zeit schon, wo mir ähnliche Bilder begegnet waren. Und dann fiel es mir wieder ein. Vor einiger Zeit hatte ich in einem Magazin einen Beitrag über Body Painting gesehen. Das war irritierend ähnlich gewesen: Täuschend echte Bekleidung, die nur nicht auftrug und deshalb das Auge nach einiger Zeit irritierte.
Ich erinnerte mich an die Kirschen und überlegte, wo wir sie wohl abwaschen könnten. Schon war Chiòcciola aufgestanden und lief mit der Schale zum Havelufer und wusch die Kirschen im lauwarmen Pipi-Wasser.
‘Was sind Pipi-Kirschen?’
„Alles ist gut”, sagte ich in Gedanken an den großen Schwall Havelwasser den ich vorhin schon im Mund gehabt hatte. „Du musst die Kerne ausspucken.”
Dennis meinte, wir sollten ins KaDeWe fahren. Wenn es irgendwelche Lebensmittel bei uns gibt, dann sind die dort in der fünften Etage praktisch zusammengetragen. Dort gäbe alles; man müsse nur die Gänge abklappern, um das zu finden, was dem Raumschiff fehlt.
Also planten wir für den kommenden Tag einen Ausflug nach Berlin.
Pünktlich um neun standen Dennis und Rìccio bereits abreisefertig im Flur, während ich mir noch einen Erdbeer-Smoothie machte, den ich auch vorhatte zu trinken.
Weil aber beide offensichtlich keine Verzögerung duldeten und mit ihren imaginären Hufen scharrten, groß ich den Inhalt des Mixers in ein verschraubbares Glas und packte es in meinen Shopper. Ich hatte lange überlegt, welche Tasche denn für Berlin cool wäre, dann fiel meine Wahl auf einen Shopper, den ich vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte, und der mir für Berlin passend schien. Dumm war nur gewesen, dass die Farbe nicht zu meinem T-Shirt passte, und ich mich entschied, mich nochmals umzuziehen. Das rächte sich jetzt mit dem Smoothie.
‘Chiòcciola kommt nicht mit, sie hat eine gerötete Oberfläche.’
Mist, auch mein Pelz brannte etwas. Wir hatten uns nicht eingecremt und die Sonne war dann wohl doch zu stark gewesen.
„Ich hoffe, es ist nicht zu schlimm”, meinte ich und mir war schon vor dem Aussprechen klar, dass es wohl eher ein Vorwand war. Hatte ich irgendetwas falsch gemacht gestern?
Eine unangenehme Tatsache der Ferien war, dass der Bus, der uns während der Schulzeit zum Bahnhof bringt, in den Ferien nicht fuhr. Also mussten wir die gut sechs Kilometer zu Fuß zurücklegen. Dennis und Rìccio waren ein paar Schritte voraus und ich konnte nur Dennis Wortfetzen hören. Das mit den Gedanken klappte irgendwie heute nicht so gut. Vielleicht lag es daran, dass die beiden etwas voraus gingen. Oder lag es daran, dass das mit den Gedanken einfacher war, wenn sich nur zwei an dem Austausch beteiligten. Also trottete ich hinterher und lauschte den Gesprächsfetzen, die von Dennis zu mir hinüberdrangen. Es ging wohl um irgendwelche Raum-Zeit-Dinge.
Am Bahnhof angekommen, informierte uns die Tafel über dem Bahnsteig bereits darüber, dass der Regional Express zwanzig Minuten Verspätung haben würde.
‘Wenn die Verspätung doch die Regel ist, warum ändert man nicht die Regel?’
Rìccio hatte meine Gedanken wohl richtig erraten.
„Es sind ja auch manchmal fünfzehn Minuten”, kam mir Dennis dazwischen. Aber es zeigte auch, dass dieser Gedankenflur offensichtlich auch mit drei Beteiligten funktionierte.
Und wahrscheinlich wegen der langen Wartezeit hätten wir fast vergessen, für Rìccio eine Fahrkarte zu lösen. Zu sehr sind wir an unsere Monatskarten gewöhnt.
Die Fahrt war unspektakulär und sogar entspannend, denn anders als sonst hatten wir sogar Sitzplätze.
Am Bahnhof Zoo stiegen wir aus und gingen am Aquarium lang bis wir auf Höhe des KaDeWe rechts in die Nürnberger Straße einbogen. Von dort hatten wir es nur noch ein kleines Stück auf der Tauentzienstraße bis wir vor dem KaDeWe standen.
Ich hatte mich wirklich nur ganz kurz in der riesigen Kosmetikabteilung umgesehen und im Vorbeigehen eine Duftprobe mitgenommen. Aber die beiden waren wie vom Erdboden verschwunden. Da Dennis auf dem Weg in die Feinkostabteilung das Stockwerk mit der Multimedia-Abteilung passieren musste, dachte ich, dass ich meine Verspätung sicher mehr als wettmachen würde auf dem Weg in den fünften Stock.
Ich beeilte mich also nicht zu sehr, sondern hielt im Vorbeigehen meine Augen und Nase auf, ob es noch etwas Neues zu entdecken gäbe, was den Weg auf einen der kommenden Geburtstags- oder Weihnachtswunschzettel finden konnte.
Richtig stolz auf mich war ich, als ich oben ankam, dass ich nicht noch einen Schlenker zu den Taschen gemacht hatte. Aber schließlich hatten wir etwas Wichtiges vor.
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Die Feinkostabteilung ist riesig! Ich kam bei den Käsebrötchen raus und schlenderte durch die Gänge. Zunächst wunderte es mich nicht, dass ich die beiden nicht sah. Die Abteilung ist riesig und neben allerlei exotischen Gemüse- und Obstsorten, gab es jeden erdenklichen Käse zu kaufen. Also welchen zum Essen und solchen, den nur Berlin Touristen ernsthaft in Betracht ziehen zu kaufen. Selbst bei den Broten gab es mehr Auswahl, als man wohl jemals durchprobieren könnte. Es folgten Weinregale und solche mit hochprozentigem Alkohol. Mich faszinierte vor allem welche Preise für manche Flaschen verlangt wurden.
Irgendwann kam ich in eine kühlere Region, in der Frischfleisch zum Verkauf angeboten wurde. Neben den üblichen Sorten auch Wildspezialitäten und eher ungewöhnliche Fleischsorten wie etwa Bärenfleisch.
Ich bin bestimmt nicht sehr geradlinig durch den Gänge gestreift, denn manche Regale sah ich mehrfach, und bestimmt hatte ich einige auch unbemerkt ausgelassen.
Dann sah ich im Übergang zur Fischabteilung plötzlich Dennis, der versuchte Rìccio zu trösten. Beide standen vor einer Tiefkühltruhe und Rìccio sah wie vor Schmerzen gekrümmt aus.
‘Ihr esst auch Schnecken?!’
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