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ELITEN, LURCHE, FLACHE ERDE!!11!!!
(Von Eliten, die Lurche vom flachen Rand der Erde schubsen!!11!!!)
Kiara Borini
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Für Emma , die mir während des Schreibens zwei Tastaturen kaputt gesabbert hat; für Meredith , die mich durch leichtes Anstupsen an die regelmäßigen, wie außerplanmäßigen Mahlzeiten erinnert hat; Cannello , den das alles mit fast britischer Gelassenheit nur am Rande interessiert hat; Sookie , die währenddessen mein Bett warmgehalten hat und Macchiata , die ihren Kommentar nie vorenthalten hat. - Meist war es Protest.
Und natürlich für Daniela , die sich tapfer beim Korrekturlesen durch den Text gekämpft hat. - Die Fehler belieben natürlich trotzdem meine!!11!!!
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Nicht Ärgern, Lachen!!11!!!
Ach ja, und hört mit dem Hass auf; der Rest ergibt sich von selbst.
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Es war ein ausgezeichneter Inder, nein, korrekt ein vorzügliches indisches Restaurant, in einer ruhigen Seitenstraße in Zehlendorf in Berlin gelegen. Im Kiez und darüber hinaus bekannt, weil die Tandoori-Gerichte in einem eigens gemauerten Lehmofen zubereitet wurden.
„Murgh Malai Tikka“ war eine der Spezialitäten, die sich gerade auf dem Tisch befand, genauso wie leckere vegetarische Speisen, dazu diverse Naans, Baturas, Paneer Pakoras und natürlich Papadams, diverse Soßen und für jede der jungen Damen ein großes Glas Mango-Lassi.
So saßen sie kichernd am Vorabend des Valentinstags beisammen: Sandra, die an diesem Freitag den dreizehnten ihren 21. Geburtstag feierte, zusammen mit Melanie, Jaqueline und Katja.
Sandra war die jüngste in diesem Quartett. Die anderen waren bereits im Laufe des letzten Jahres 21 geworden. Sie studierten, hatten ausgelernt und ihre erste feste Arbeitsstelle oder planten gerade einen Auslandsaufenthalt.
Kurzum, sie hatten sich viel zu erzählen. Und auch wenn sie allesamt emanzipiert und erwachsen genug waren, dem kommenden Valentinstag keine große Aufmerksamkeit oder gar Wichtigkeit beizumessen. So ganz unromantisch waren die jungen Damen dann allerdings doch nicht: Und so erzählten sie der Reihe nach von ihren Erwartungen an diejenigen, die aktuell ihr Herz erobert hatten.
Und wie das so in kleinen Gruppen ist, mit jedem Redebeitrag wurde es lustiger und phantasievoller, die Erwartungen an die jeweiligen Liebhaber wurden freizügiger und unerfüllbarer. Und natürlich wurde das Ganze untermalt von allerlei Gekicher. Und obwohl lediglich Joghurtgetränke auf dem Tisch standen, war die Stimmung ausgelassen.
„Ich habe zu Weihnachten diesen Balconett-BH bekommen mit diesem String-Tanga. Den hatte ich noch nie an. Es gab einfach keine Gelegenheit, wenn ihr wisst, was ich meine“, meinte Sandra mit einem Augenzwinkern. „Aber wenn er ein richtig gutes Restaurant ausgesucht hat und hinterher nicht zu müde ist, dann bin ich zumindest vorbereitet. Und wenn nicht, dann hat er eben sein Valentinstagsgeschenk nicht abgeholt. Sein Pech!“
Jaqueline saß nach vorn gebeugt, so dass ihr brauner Pagen-Schnitt ihr ins Gesicht hing und nuckelte an ihrem Strohhalm. Fast hätte sie sich an ihrem Mango-Lassie verschluckt. Sie richtete sich auf und sah zu Sandra hinauf, die ihr gegenübersaß. Jaqueline war klein, eigentlich sehr klein. Alle hatten sich darauf verständigt, dass Jaqueline fast ein Meter sechzig groß war. Darauf legte sie Wert: Ein Meter sechsundfünfzig, oder gar nur fünfundfünfzig, das hätte fast nach Ausgrenzung geklungen, fand Jaqueline. Es hätte sie der Teilhabe beraubt, zur Außenseiterin gemacht. Und nein, dass war sie nicht, sie war mitten drin im Leben. Niemand wäre auf die Idee gekommen, sie als Kind zu behandeln, sie nicht als erwachsene Frau wahrzunehmen. Sie war darüber hinaus quirlig wie ein Wurf junger Hunde und tanzte auf allen Hochzeiten. Wo sie war, war immer das Zentrum jeder Ansammlung von Menschen. Im Moment bereitete sie sich gerade auf einen Studienaufenthalt in Paris vor. Sie lernte Sprachen wie niemand sonst am Tisch, oder auch nur wie jemand, den die anderen kannten. Sie ging auf fremde Menschen zu wie niemand sonst, auch wenn sie sich recken musste, um den Menschen in die Augen zu sehen.
Melanie atmete pfeifend wie eine Hyäne, nur Katja war noch in der Lage, Worte zu formulieren:
„Ich mag diese Strings ja nicht so. Wenn mir etwas in der Po-Ritze hängt, finde ich das fies. Das versaut einem den ganzen Tag“, kicherte sie.
Sandra lachte und erwiderte: „Jetzt wisst ihr, warum ich den BH zwar schon ein paar Mal anhatte, aber mich mit Strings nicht wirklich anfreunden kann. Das ist nicht meine Welt, aber was tut man nicht alles für seinen Liebsten.“
Wieder ging eine Bemerkung in allgemeinem Gelächter unter, und niemand hatte Stefan gesehen, der an den Tisch herangetreten war, einen Strauß Supermarkttulpen ungelenk in der Hand, einen Fahrradhelm in der anderen.
„Da ist es ja gut, dass ich gerade zur rechten Zeit komme. Strings sind meine Spezialität, meine zweite Dissertation wird Strings nie wieder so erscheinen lassen, wie sie derzeit wahrgenommen werden. Denn meine Strings sind fundamental anders.“
Der letzte Satz war im allgemeinen Gelächter schon gar nicht mehr zu verstehen.
„Das“, meinte Sandra mit viel Mühen und unter Zuhilfenahme ihrer rechten Hand, die sie auf ihr Zwerchfell presste, „Das ist Stefan, mein älterer Bruder. - Und das klägliche Gemüsezwiebelbündel ist wohl für mich als Geburtstagsgruß, oder?“
„Ja, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Alles Gute, was du dir so wünscht als Frau.“
„Strings“, lachte Jaqueline.
„Du bist der Nerd-Bruder, oder?“, prustete Melanie los. Sie war die freche Berliner Göre in der Runde. Ein bisschen zu groß, ein bisschen zu breite Schultern und immer ein bisschen zu vorlaut.
„Na, zumindest mit den Strings kann ich euch helfen, falls das noch ein Thema ist“, meinte Stefan trocken. Groß, schlaksig und immer in Bewegung. Er trug einen Hipster-Bart, Brille mit dunklem Rand, die seine braunen Augen gut zur Geltung brachte. Seine braunen Haare kringelten sich vom Schweiß, der sich unter seinem Fahrradhelm gebildet hatte.
„Setz dich“, fand Katja. „Wir sind gerade in der richtigen Stimmung, eine männliche Expertise zum Thema Strings zu hören.“ Katja war die Exotische im Bunde. Von ihrem Vater hatte sie eine karamellbraune Hautfarbe geerbt, ihre Mutter hatte die dunkelgrünen Augen beigesteuert.
Das ließ Stefan sich nicht zweimal sagen. Er setzte sich ans Kopfende des Tisches und fing an zu dozieren.
„Meist sind Mädchen ja nicht so interessiert daran, was das Universum im Innersten zusammenhält. Die Nobelpreise zeigen ja auch in der Gesamtschau, dass die MINT-Fächer schlicht Männersache sind. Deshalb will ich auch ein wenig ausholen, damit das für euch Mädels verständlich wird.“
„Lass mich raten: Strings, oder?“, unterbrach Jaqueline ihn, bevor er überhaupt in Fahrt gekommen war.
„Natürlich Strings, aber der Reihe nach. In der aristotelischen Weltsicht war das Atom, das atomos , das Unteilbare. Aus diesem Grundbaustein setzte sich die gesamte Welt zusammen. Alles was wir hier sehen, der Tisch, die Speisen.“ - und dann zum hinzugetretenen Kellner: „Für mich bitte einen Chai-Tee, danke!“ - „Alles hier ist aus Atomen zusammengesetzt. Natürlich sehen wir zunächst die größere Ebene, die Moleküle, dann, bei höherer Vergrößerung, in ihnen enthalten, die Atome. Aber, wenn ihr in den letzten Jahrzehnten auch nur ein wenig aufgepasst habt, dann wisst ihr, dass man Atome durchaus teilen kann.“
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