Weihnachten mit
Kiara Borini
Zwölf Kurzgeschichten
zur Weihnachtszeit
Kiara Borini
Impressum
Texte:
© Copyright by Kiara Borini
Bilder:
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Umschlag:
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Verlag:
Kiara Borini
14542 Werder (Havel)
kiara@borini.eu
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Weihnachten ist für mich ein ganz besonderes Fest. Eines, das ich jedoch mit Tradition, Riten und bestimmten Handlungsmustern jedes Jahr aufs Neue für mich erkämpfen will und muss. Um der Idee von Weihnachten willen, weil es eigentlich ein schönes Fest ist. Und ich fände es schade, wenn ich den Zugang dazu verlöre.
Denn im Übergang von meiner Kindheit zur Jugend ereignete sich in meiner Familie an einem speziellen Weihnachtsabend eine furchtbare Tragödie. Danach war Weihnachten auf einen Schlag nicht mehr so, wie zuvor. Das Unbeschwerte, das Kindliche war schlagartig verschwunden.
Folglich standen die Weihnachten, die danach kamen, immer in der Erinnerung an die traurigen Ereignisse dieses speziellen Weihnachten, und es bedurfte einiger Anstrengungen, dem jeweils aktuellen Weihnachten trotzdem gerecht zu werden.
Geholfen haben mir dabei selbst definierte Rituale, z.B. die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens, den Geist der Weihnacht für mich jedes Jahr wieder neu zu entdecken.
So entstand langsam eine neue, kleine Tradition, in dem ich versuchte, in jede Adventszeit diese Geschichte irgendwie zu integrieren. Sei es als Theaterbesuch, als Lektüre, als Gesprächskreis oder gemeinsamer Fernsehabend...
Irgendwann entstand langsam eine weitere Tradition parallel dazu. Erst ganz zaghaft, dann immer deutlicher. Mit kleinen, selbstgeschriebenen Geschichten, die ich Jahr für Jahr im Freundes- und Kollegenkreis verteilte, entstand im Laufe der Jahre eine eigene Tradition. So wie Plätzchen backen und meine stümperhaften Versuche mit Adventsmusik auf der Gitarre irgendwann untrennbar zu der Art gehörten, wie mir ganz persönlich Weihnachten Jahr für Jahr wichtig wurde.
Manche dieser kleinen Geschichten wurden von den Beschenkten für so gut befunden, dass ich später beschloss, sie zu veröffentlichen. Einige waren sogar bebildert und sind als farbige Kinderbücher erhältlich. Andere gerieten in Vergessenheit und schlummerten viele Jahre in Unterordnern auf den Festplatten meiner Computer und warteten darauf, einem größeren Kreis präsentiert zu werden. Und, natürlich spielen Katzen in vielen dieser Geschichten eine wichtige Rolle.
Diese Sammlung startet mit bereits bekannten, aber auch unveröffentlichten Geschichten in zwei Formen: als gedrucktes, wie auch als elektronisches Buch. Beide Formen werden sich jedoch in der Ausstattung unterscheiden. Die gedruckte Fassung wird die Bilder, die zu einigen Geschichten gehören, als schwarz-weiß Grafiken zeigen, um die Produktionskosten im Rahmen zu halten. Bei der elektronischen Version besteht diese Notwendigkeit nicht.
Ach ja, auch wenn in die Geschichten eigene Erlebnisse sowie Geschichten aus dem Freundes- und Bekanntenkreis mit einfließen, so sind sie doch überwiegend und im Wesentlichen eines: Fiktion. Gerade in der Weihnachtszeit vermischt sich die reale Welt mit der, die aus Erinnerungen und Fantasie besteht. Und mit einem Becher Glühwein in der Hand, ist es wichtiger, gemütlich einer guten Geschichte zu lauschen, als in ihr unbedingt den Wahrheitsgehalt herausdestillieren zu wollen.
So, nun aber viel Spaß beim Lesen und ein friedvolles und ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Eure/Ihre
Kiara Borini
Nellchen, der (beinahe)
Bernhardiner
Lord Nelson war schon bei der Geburt ausgesprochen besonnen und in sich ruhend. Kaum auf der Welt, besah er sich die Lage und wunderte sich nur ein ganz klein wenig, dass sich noch gar niemand um ihn kümmerte. Es war schlicht niemand da, um ihn trockenzulecken und abzunabeln, denn als viertes von vier Geschwistern war seine Mutter Meredith zum einen ausgiebig mit seinen drei anderen Geschwistern beschäftigt, die gerade an ihrem Bauch nuckelten, zum anderen war sie inzwischen auch extrem erschöpft von den Ereignissen des Abends. Sie war eine junge (vielleicht zu junge) Katze, die das Abenteuer von Geburt und Aufzucht zum ersten Mal erlebte.
Lord Nelson wartete also. Irgendwann würde ihm jemand die klebrige Hülle vom nassen Fell lecken und die Nabelschnur durchbeißen. Derweil wischte er sich mit seinen kurzen, noch haarlosen Vorderpfoten den Schleim aus der Nase und wartete. Sicher würde sich jemand irgendwann um ihn kümmern. Was sollte er sich also aufregen.
Und natürlich kümmerte sich Meredith einige Zeit später um ihn, leckte ihn trocken und gab ihm Milch. Und so wurde Lord Nelson ein großer und starker Kater. Diese ursprüngliche Ruhe strahlte er auch weiterhin aus, als er längst erwachsen war und ein gutes Stück größer als seine Mutter.
“Eigentlich hätte er ein Bernhardiner werden sollen”, hörte er die Leute oft sagen. Zwar wusste er nicht, was sie damit meinten, aber es klang wie ein Lob, und so war er damit zufrieden.
Natürlich nannten sie ihn auch meist nicht Lord Nelson, sondern schlicht und kurz Nellchen. Aber auch das war gut, denn da sie ihn oft und lange kraulten, war es wohl so, dass sie ihn mochten, egal ob sie ihn als Lord Nelson ansprachen oder als Nellchen. Immerhin; er war beinahe ein Bernhardiner, soviel war sicher.
Und tatsächlich, mit seinem weichen und dichten Fell, mit seinem Zimt farbenen Rücken, dem weißen Bauch und den weißen Beinen, sah er optisch wirklich einem Rettungshund vom St. Bernhard ähnlich. Natürlich war er, ganz Katze eben, deutlich kleiner.
Aber die Ruhe, die er ausstrahlte, verstärkte den Eindruck zusätzlich. Ein Bonsai-Sennenhund, und noch dazu ein ganz besonders liebenswerter.
Auch wenn er nicht so recht wusste, was ein Bernhardiner war, so hatte ihn der Ehrgeiz gepackt, nicht nur fast ein Bernhardiner zu sein, sondern ganz und gar.
Irgendwann lief im Fernsehen eine Dokumentation über die Hunde, die man im Hospiz am Großen St. Bernhard züchtete, um mit ihrer Hilfe Menschenleben zu retten. Das gefiel Nellchen!
‘Menschen retten! - Nützlich sein! Vielleicht hatte das Leben doch noch etwas Großes mit ihm vor’, überlegte er. Wenn man nur lange genug wartet, dann wird sich schon eine Gelegenheit ergeben, da war er sich sicher.
Nun, mit den üblichen Aufgaben eines Bernhardiners schien es allerdings da, wo Nellchen zu Hause war, nicht so gut bestellt.
Nellchen wohnte auf dem flachen Land; und zwar dort, wo das Flachland am Flachsten war. Schnee gab es nur in Dosierungen, die erst gar keine Lawinen entstehen ließen.
Und selbst wenn es genügend Schnee gegeben hätte: Es war so flach, dass sie einfach liegengeblieben wären, ohne irgendwelche Leute zu gefährden. Was also braucht man in solchen Gegenden einen Rettungshund? Eben!
Was Nellchen aber noch mehr Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass er sich mit Wasser, in welcher Form auch immer, nur in seinem Trinknapf anfreunden konnte. Natürlich kannte er Schnee! Das erste Mal war er noch voll Freude in die weiße Pracht auf dem Rasen getobt, als die Terrassentür geöffnet wurde. Doch er hatte schnell eingesehen, dass nass und kalt nicht seine Welt war. Der Schnee und er würden keine großen Freunde werden. Das Sofa vor der Heizung war eher seine Welt. Ja, so ließ sich der Winter aushalten. - Keine guten Voraussetzungen für einen Retter von Weltformat. Aber so gemütlich!
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