Tarte Tatin und Rébellion
Kiara Borini
Texte: © Copyright by Kiara Borini
Umschlag: © Copyright by Kiara Borini
Verlag: Kiara Borini
14542 Werder (Havel)
kiara@borini.eu
www.facebook.com/borini.books
Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,
Berlin
Jede Geschichte lebt davon, dass Lesende und Zuhörende eifrig Fragen stellen. Auch dieses Buch hat schon vor Veröffentlichung einen ausgewählten Leserkreis gehabt, der eifrig davon Gebrauch gemacht und mit berechtigter Kritik dafür gesorgt hat, dass die Geschichte besser wird. Besser wurde dadurch nicht nur der Inhalt, sondern auch die Orthografie.
Aus dem Kreis der Vielen möchte ich besonders zwei Personen namentlich hervorheben:
Frau Michalak und Frau Voges, die beide für Text und Form ein überdurchschnittliches Engagement gezeigt haben. Danke!
Was noch an Fehlern übergeblieben ist, geht natürlich auf meine Kappe!
Kiara Borini, Sommer 2017 in Berlin
Diese Geschichte ist fiktiv! Die Personen und die Handlung sind erfunden. Sie ist keine Blaupause einer real existierenden Firma. Auch die Personen sind frei erfunden. Deshalb kann es zu diesem Buch auch zu keinem Zeitpunkt eine Lesehilfe wie bei den Buddenbrooks geben, welche die handelnden Personen mit realen Personen gleichsetzt. Einfach, weil eine solche Gleichsetzung nicht möglich ist.
Wer dennoch meint, Personen, Handlungen und Muster zu erkennen, tut das wahrscheinlich aufgrund der Tatsache, dass es Menschen, die ähnlich handeln wie Eric, Ludgar, Tatin und all die anderen, in vielen Firmen und Teams tatsächlich zu geben scheint. Die Autorin geht halt mit offenen Augen durch die Welt.
Und dass diese Muster sich zu wiederholen scheinen, ist doch schon Grund genug, sich darüber Gedanken zu machen.
“Tatin, ich freue mich schon auf deinen Apfelkuchen morgen. Der ist immer lecker!”, meinte Eric noch beim Weggehen. Und bevor sie etwas antworten konnte, war ihr Kollege auch bereits in den Feierabend verschwunden. Eric hatte mal wieder das Gefühl, dass etwas im Anflug sei. Mit der Gesundheit sei nicht zu spaßen! Schließlich hatte er sich den ganzen Tag über schon räuspern müssen. Nicht, dass sich daraus etwas Chronisches oder gar ein Kehlkopfkrebs entwickele. Um seine Gesundheit war Eric stets sehr besorgt!
Immerhin hatte er gewusst, dass sie morgen einen Apfelkuchen mitbringen würde. Also erinnerte er sich wohl an ihren Geburtstag, überlegte sie.
Tatin wurde sie von ihren Kollegen in der Zentrale der Versicherung genannt. Das hatte mit der Tarte Tatin zu tun, die sie wirklich oft mitbrachte. Backen war ihre Leidenschaft und dieser französische Apfelkuchen ihre Spezialität, seit sie sich vor vielen Jahren während eines Frankreichurlaubs diese spezielle Keramikbackform gegönnt hatte. Sie erblickte auf dem Parkplatz ihren Pluriel . Es war ihr erstes neues Auto gewesen, gekauft, nachdem sie den Job in der IT-Abteilung der Versicherung ergattert hatte. Diese Kreuzung zwischen Kleinwagen und beinahe Cabrio hatte sie spontan begeistert. Und sie hatte beschlossen, das neue Auto gleich bei einem Frankreichurlaub einzuweihen. Seitdem hatte es auf der Stoßstange den Abdruck von einer Anhängerkupplung. “Ein französisches Auto muss so aussehen”, hatte damals ihr ebenfalls neuer Kollege Eric gemeint, dem sie den Schaden gezeigt hatte. Getröstet hatte sie sich noch im Urlaub mit dieser Backform, deren Kuchen zu ihrem Markenzeichen werden sollten. Fast dreizehn Jahre wurde ihr Auto inzwischen alt. Beinahe ebenso lange hatte sie den Spitznamen Tatin. Das war deutlich besser, als die nette Annette zu sein, wie sie in ihrer früheren Firma genannt wurde. Ach, eigentlich haftete ihr die nette Annette seit der Schulzeit an. Anfangs hatte sie sich noch darüber gefreut, aber es war auch ein wenig ein Stigma, nett sein zu müssen. Tatin war da unverfänglicher. Man musste nur ab und zu einen Kuchen backen, um das Anrecht auf den Namen zu behalten. Sie beobachtete das Wetter. Es war einer der ersten warmen Tage in diesem noch jungen Frühling und lud zum Offenfahren ein. Das Dach in Schiebedachposition bringen, oder als Cabriolet öffnen? Aber dazu hätte sie aussteigen müssen und das Dach mitsamt der Heckscheibe per Hand in den Kofferraum klappen. Der Pluriel war vielseitig, was das Öffnen des Dachs betraf, daher rührte sein Name. Er sollte das Erbe der legendären Ente mit ihrem Rolldach antreten, was ihm aber hinsichtlich der Verkaufszahlen nie so recht gelang. Doch das Heckfenster unter dem Kofferraumboden zu verstauen, dazu war sie heute eindeutig zu faul. Denn sie hätte dazu die Einkäufe aus dem Kofferraum laden müssen, um das Heckfenster mit seiner raffinierten Klappmechanik unter dem Boden des Kofferraums verstauen zu können. Zudem stand noch das Kuchenbacken auf dem Programm. Also öffnete sie die Dachhaut lediglich in der Schiebedachposition und fuhr nach Hause. Das Auto war vielseitig, wie sie fand, aber mitunter auch nicht unbedingt praktisch im Alltag. Man konnte ihn sogar in einen völlig offenen Spider verwandeln, dann blieb aber die Frage, wo man die abnehmbaren Dachbögen lagerte, die nicht ins Auto passten. Und im Falle eines Regenschauers hatte man keine Möglichkeit, das Dach wieder zu schließen. Es gab auch einen Pick-Up-Modus, der es gestattete, lange Gegenstände auf einer ebenen Ladefläche zu transportieren. Nur war dann das Nummernschild hinten nicht mehr lesbar, und die Diskussion mit den Ordnungskräften hatte sie diesen Modus nur ein einziges Mal nutzen lassen.
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Zu Hause angekommen, griff sie zum Infrarotthermometer, das sie seit einigen Monaten auf dem alten Telefontischchen liegen hatte. Dadurch hatte das Tischchen wieder einen Nutzen, den es sonst, seit sie keinen Festnetzanschluss mehr hatte, nicht mehr aufwies, könnte man dort nicht das Thermometer aufbewahren und die Autoschlüssel ablegen.
Sie richtete es auf das Sofa. 38,5 Grad zeigte es an und sie legte es beruhigt wieder auf seinen Platz. Maximilian lebte also noch! Max war ein inzwischen steinalter Kater, den sie zusammen mit ihrem Job bei der Versicherung von einer Kollegin übernommen hatte. Diese war nach ihrer Pensionierung nach Australien ausgewandert und hatte ihr einen damals fünf Jahre alten Kater und die nun von ihr seit fast fünfzehn Jahren bekleidete Stelle überlassen. Sie hatte Max lange so genannt. Aber inzwischen zog sie es vor, ihn Maximilian zu nennen, denn er war in Würde gealtert und liebte tagsüber das Sofa, das er wie einen Thron beanspruchte. Und da sie ihn dort meist in derselben Position vorfand, die er innehatte, wenn sie die Wohnung verließ, hatte sie sich den Trick mit der Temperaturmessung aus der Ferne überlegt. Der Gedanke, abends auf ihn zuzugehen und beim Streicheln festzustellen, dass er steinhart und kalt wäre, ließ sie innerlich erschaudern. Für heute aber gab es Entwarnung. Maximilian lebte und wartete bestimmt auf sein Futter.
Nachdem sie Maximilians Futter in der Mikrowelle angewärmt hatte, begann sie, sich die Utensilien für das beabsichtigte Backvorhaben zurechtzulegen.
Eine Tarte Tatin unterscheidet sich von einem herkömmlichen Obstkuchen dadurch, dass sie von oben nach unten gebacken wird. Zuerst kommt das Obst in die Form, der Teig obendrauf. Erst nach dem Backen wird sie umgestülpt. Dabei erleichtert eine spezielle Keramikform das Backen ungemein.
Zuerst schälte sie sechs große Äpfel, viertelte sie, und entfernte die Kerngehäuse.
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