„Meuchelmörder, die kann man anheuern, sie erledigen dann die Drecksarbeit für Dich.“ Die Ratte spuckte auf den Boden. Das war ja praktisch, da müsste er sich nicht zeigen und der Verdacht würde auch nie auf ihn fallen. Die Idee gefiel ihm, sie gefiel ihm sogar sehr gut.
„Und wie komme ich an deinen Vetter heran?“ Sebastiano lächelte hinterhältig.
„Das ist einfach, ich erklär Dir, wo die Armee im Moment lagert, frag nach Hauptmann Ricardo, das ist mein Vetter und richte ihm Grüße von mir aus. Damit er Dir auch glaubt, und Dich nicht gleich umbringt.“ Jetzt war ihm doch etwas mulmig zu Mute, dass der Kontakt so gefährlich werden würde, hatte er nicht bedacht. Sebastiano sah ihn erwartungsvoll an.
„Und, wirst Du hingehen?“ Deumtineo war das falsche Lächeln der Ratte nicht entgangen.
„Ja, danke, beschreibe mir den Weg, oder besser noch, komm doch einfach mit. Dann kannst Du Deinen Vetter selbst sehen.“
„Wenn Du denkst, Du bist mit mir sicherer dran, dann täuscht Du Dich.“ Sebastiano lachte dröhnend. „Ricardo hasst mich, weil ich sein kleines Geheimnis kenne.“ Das war nicht so gut, aber es war der einzige Weg. Wenn dieser Hauptmann ein Meuchelmörder war, dann konnte er ihm auf jeden Fall helfen, er musste es versuchen.
„Sebastiano, so war das nicht gemeint, vielen Dank, für Deine Hilfe, erkläre mir einfach wie ich dort hingelange, und ich komme schon zurecht.“ Sebastiano erklärte es ihm genau, es war nicht zu verfehlen, und nachdem Deumtineo sich verabschiedet hatte, ging jeder seines Weges.
Hauptmann Ricardo lief um das Lager herum, er würde jetzt gerne jemanden umbringen, einfach nur so, um sich abzureagieren. Diese Soldaten, die er zugeteilt bekommen hatte, waren Trottel allererster Güte. Sie verweigerten nicht etwa einen Befehl, dann hätte er sie ja zum Tode verurteilen können, nein, sie stellten sich in der Ausführung an wie kleine Kinder, nachlässig und unorganisiert. So etwas ging ihm gehörig auf die Nerven. Er hörte ein Rascheln im Gebüsch und sah kurz darauf eine alte Feldmaus daraus hervorkriechen, es sah so aus, als würde er doch noch einen abmurksen können.
„Halt! Wer da?“ Sein Ton war entsprechend autoritär.
Deumtineo zuckte zusammen.
„Mein Name ist Deumtineo...“ Ricardo schnitt ihm das Wort ab.
„Das interessiert mich nicht, Du hast unbefugt Militärgelände betreten, ich muss Dich töten.“ Ricardo schnappte sich die Maus und schüttelte sie ein bisschen. Er würde sie nicht sofort töten, sondern erst ein bisschen Spaß haben.
„Nein, lass mich los, Dein Vetter schickt mich, tu mir nichts!“ Deumtineo schrie vor Angst. Ricardo lockerte seinen Griff ein wenig.
„Welcher Vetter, was faselst du da?“
„Sebastiano, Dein Vetter, er hat mich geschickt.“ Ein grimmiges Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
„Ah, Sebastiano, der Blödmann, warum schickt er mir eine Feldmaus?“
„Weil ich einen Interfector brauche, und er hat gesagt...“ Mehr brachte Deumtineo nicht heraus. Hauptmann Ricardo drückte ihm gerade die Kehle zu.
„Was hat der Idiot noch gesagt? Hast Du es irgendjemandem erzählt?“ Deumtineo schüttelte so gut es ging den Kopf. Ricardo lockerte endlich seinen Griff. Deumtineo sog tief die Luft in seine Lungen.
„Wann kapiert der endlich, dass es ein Geheimnis ist, verdammt, also, was willst Du?“ Die Feldmaus räusperte sich und hüstelte etwas, bevor er antwortete.
„Ich brauche jemanden, der für mich in den Krieg zieht, um mein Eigentum zurückzubekommen. Du bekommst natürlich etwas davon ab.“
Ricardo war erstaunt, die Maus wollte ihn engagieren?
„Um was handelt es sich denn da, lohnt sich das überhaupt für mich? Ich will schon meinen Schnitt machen, wenn ich für Andre töte.“ Der Hauptmann hatte Deumtineo inzwischen losgelassen, und der rieb sich über seine Kehle, bevor er antwortete.
„Es geht um ein Lebenselixier, es verleiht das ewige Leben und große Macht, und, es gehört von Rechts wegen mir. Aber die Hohepriesterin, Maxi ist ihr Name, hält es vor mir verborgen und behütet es. Wenn ich es zurückbekomme, teile ich mit Dir, dann werden wir beide ewig leben und sehr mächtig sein.“
Der Hauptmann warf ihm einen zutiefst ungläubigen Blick zu.
„Ewiges Leben? Was ist dass denn für ein Quatsch, niemand lebt ewig...“ Deumtineo unterbrach ihn.
„Doch, es funktioniert, ich bin schon achttausendfünfhundert Tage alt, ich schwöre es Dir.“ Ricardo schaute sich die verhutzelte Maus genau an, so viele Tage? Kaum zu glauben, aber wenn etwas dran sein sollte an der Sache, wäre es schon der Wahnsinn.
Ewig zu Leben hat was, fand jedenfalls Ricardo.
*
Normalerweise trete ich meine Herbstreise erst am Ende des zehnten Mondes an, diesmal muss ich sie aber vorverlegen. Deumtineo hat die Familien verängstigt, es ist wichtig, dass ich mit allen rede und zwar bald. Amissa begleitet mich, Benedikte bleibt im Kloster. Zu zweit werden wir gut vorankommen, da wir uns um Nahrung und Unterkunft keine Sorgen machen müssen.
„Mama, gehen wir, wie immer, zuerst nach Osten, oder möchtest Du diesmal im Westen anfangen?“ Ich habe davon gesprochen, meine Route ändern zu wollen, mich aber noch nicht festgelegt.
„Schatz, ich glaube, wir fangen im Westen an. Bei den Neusiedlern im Schuppen. Die kennen wir noch nicht so richtig, und das will ich ändern.“ Amissa grinst.
„Du bist bloß neugierig.“ Erwischt, natürlich bin ich neugierig, bis jetzt habe ich nur die Frau kennengelernt, den Rest dieser Familie, noch nicht.
Damien kommt auf uns zu.
„Hohepriesterin, könnte ich Euch begleiten? Mich würde interessieren, wer so alles hier lebt. Viele Familien kenne ich gar nicht.“ Ich werfe einen kurzen Blick auf Amissa und nicke dann.
Berti teilt mir noch schnell mit, dass er die Schüler heute nach Hause schicken will, damit sie dort helfen können. Das ist gut, je mehr Mäuse beim Sammeln dabei sind, desto besser. Außerdem können die Studenten dann gleich anwenden, was sie bei uns gelernt haben. Ich drücke Cito zum Abschied, gut möglich, dass wir ihn unterwegs immer mal wieder treffen werden, er ist viel draußen unterwegs.
Als die Sonne aufgeht, gehen wir los, Benedikte und Emilo sind am Wäldchen und winken uns. Dort gehen wir sowieso vorbei, dann kann ich sie noch einmal in den Arm nehmen. Während ich sie drücke flüstert sie mir ins Ohr.
„Hab ich das nicht toll eingefädelt?“ Und schaut dann in Richtung Amissa und Damien. Ah, deshalb ist sie daheim geblieben. Ich lächle ihr verschwörerisch zu.
*
Wir schlüpfen durch die Palisaden, lassen den Holunder links liegen und begeben uns zum Schuppen der Menschen. Dort gibt es wunderbare Verstecke, in die aber seit mindestens tausend Tagen keiner einziehen wollte, erst diese neue Familie hat es gewagt. Es ist sehr dicht an den Menschen, deshalb muss man einfach wachsamer sein, als am See.
In der hinteren linken Ecke ist der Einstieg in die Behausung der Neusiedler. Ich rufe laut hinein. Kurz darauf erscheint eine etwas dickliche, matronenhafte Maus mit hellgrauem Fell.
„Was kann ich für Euch tun?“ Begrüßt sie uns. „Ach herrje, die Hohepriesterin, kommt herein, kommt herein.“ Sie überschlägt sich fast vor Eifer. „Was verschafft mir die Ehre?“
„Nun, ich mache jeden Herbst eine Reise und besuche alle Familien, um zu sehen, wie es ihnen geht und ob sie für den Winter gut gerüstet sind, oder noch irgendetwas brauchen,“ antworte ich. Wir gehen in die Wohnhöhle, alles ist blitzblank. Es riecht angenehm frisch, und die drei Kinder spielen in einer Ecke.
„Schön haben Sie es hier,“ sage ich, „gemütlich und sauber.“
„Ich gebe mir Mühe, es den Kindern so schön wie möglich zu machen.“ Sie lächelt stolz.
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