Ich schlabbere geräuschvoll Wasser aus meinem Napf. Das Brumm-Quitsch-Geräusch verstummt. Ich trotte zurück, schaue um die Wandecke. Das Ding ist weg. Endlich. Ein leichter Plastikgeruch markiert noch, wo das Wesen war, sogar auf meinem Sesselhocker. Ich springe zurück auf meine letzte Position, bevor das Ungetüm alles übernahm. Wenn Der noch mal kommt, blüht Dem aber was. Freunde werden wir in diesem Leben bestimmt nicht mehr. Ich wühle mich in eine neu hingelegte und frisch gewaschene Wolldecke, wälze mich mit meinem Widerrist und meiner Kruppe meines Rückens, das meine flusigen Haare nur so fliegen, hinterlasse meine Duftstoffe von meiner Haut in dem Polster und der Decke. Überschreibe mit meinem Hundegeruch die penetranten Waschmittelduftstoffe und den fiesen Staubsaugergeruch. Glatte Haarborsten bohren sich tief in das Polstergewebe. Das ist mein Revier, alles klar, denke ich, umhüllt von meiner eigenen Haar-Duft-Wolke.
Sie kommt um die Ecke, schaut mich an, versucht die Wolldecke unter mir wieder gerade zu ziehen. Gibt dann aber auf. Hartnäckig bleiben die Deckenfalten unter meinem Körper, fixiert durch meinem Gewicht, liegen. Sie krabbelt auf allen vieren an mir vorbei, um auf ihren Platz auf dem Sofa zu gelangen. Gemeinsam schauen wir eine Tierdoku auf dem Flachbildschirm an. Ich robbe mich auf den Rücken liegend zufrieden auf Ihren Schoß und ‚chill’ ne Runde.
Mir ist langweilig. Ich sitze unter dem riesigen Schreibtisch und warte. Meinen Bürostuhl musste ich leider hergeben. Darauf hat jetzt ein Architekt Platz genommen. Sie reden schon eine ganze Weile, sehen sich konzentriert bunte Pläne auf den PC-Bildschirm an. Keiner nimmt Notiz von mir. Normalerweise döse ich auf meinen Stuhl, begleitet vom dumpfen Klackern der Tastatur. Oder beobachte wie sie die Maus hin- und herschiebt, während das Flimmern des Bildschirms Muster auf ihrem Gesicht malt und ihre Brille das Licht widerspiegelt. Sie nennt das dann Arbeiten.
Komm, sagt sie, wir müssen jetzt arbeiten. Dann trabe ich vor, hoppele die Treppe runter zum Büro und setze mich auf meinen Chefsessel. Selbst wenn die Putzfrau da ist, mit dem Staubsauger alles bearbeitet, bleibe ich dort sitzen. Ich lege meine Schnauze auf die Holzlehne und beobachte gewissenhaft das staubfressende Ungetüm, wie es mit quietschenden Lauten über den Boden schleift. Ich nehme meinen Job ernst.
Mein Zeitgefühl sagt mir, das bald Mittagspause ist. Ich schaue von meinem Posten unterm Tisch hoch, beobachte die beiden. Kurzes Fiepen von mir. Null Reaktion von den Beiden. Ok, dann nicht. Ich sehe mich gelangweilt um, die Tür zum Flur steht einen breiten Spalt weit offen. Dann gehe ich mal alleine los. Ich wackele durch die Tür, bin im Flur, wo auch mein Schlafplatz ist. Hmm, ein aromatischer Geruch zieht mir in meine empfindliche Nase. Ich schaue noch mal zurück. Die quatschen immer noch. Mit dem Lautgesumme ihrer Stimmen im Hintergrund, tapse ich in Richtung des angenehmen Geruchs. Gegenüber der Treppe steht eine Tür auf und mir wabbern Duftmoleküle entgegen. Dann bin ich im Hauswirtschaftsraum, nicht gerade mein Lieblingsplatz. Hier wohnen der Staubsauger und noch andere Maschinen, die fiese polternde oder jaulende Geräusche von sich geben. Aber jetzt schlafen sie. Oh, da kommt der Duft her. Eine Plastikklappbox. Genau meine Höhe. Ich stecke meinen Kopf rein, tauche meine Nase in den Haufen dunkler Arbeitssocken. Inhaliere. Göttlich, welch ein Geruch. Ich schnappe mir eine. Halte sie am Zehenende mit meinen kleinen Schneidezähnen fest. Vorsichtig ziehe ich das verschwitzte Stoffding über die Plastikkante. Es bleibt etwas widerspenstig hängen. Mit einem Ruck habe ich es aus der Box befreit. Toll, die Beute muss ich Frauchen präsentieren. Stolz erhobenen Kopfes trage ich die Beute, versuche mit meinen Vordertatzen nicht auf das am Boden schleifende Sockenende zu treten. Da liegt das schlaffe Ding jetzt auf meiner runden Teppichinsel im Büro. Ich warte. Keiner von ihnen kuckt unter den Schreibtisch. Ich trabe noch mal los, zielgerichtet steuere ich die Wäschebox an. Es sind noch reichlich Herrenarbeitssocken da. Ich arbeite den Haufen ab. Jede einzelne ziehe ich raus, schleife sie durch den Flur, lege sie zu der ersten. Ein dunkler göttlicher Haufen schlaffer gut durchgezogener Socken. Ich setze mich stolz zum Sockenberg, halte eine der Baumwollsocke mit meinen Vorderpfötchen fest und sabbere genüsslich drauf rum.
Der Mann steht endlich auf, sie rollt mit ihrem Stuhl nach hinten und erblickt meine stolz dargebotene Ausbeute an köstlich duftender Socken. Ihhhh, nee, muss das sein, Gismo, das ist ja widerlich, sagt sie und schaut mich an. Ich glaube sie freut sich. Ich grinse sie an.
Meinen schönen Sockenberg, den ich so gewissenhaft zusammen getragen habe, nimmt sie mit beiden Händen auf und trägt ihn zurück zur Wäschebox. Selbst meine liebevoll nass gesabberte Socke lässt sie mir nicht da. Ich schaue zu wie sie die dunklen Baumwollsocken in die Box stopft und anschließend die Tür hinter sich zu zieht. Sie will die aromatische Sammlung also für sich behalten. Socken die 12 Stunden in Sicherheitsschuhen durchgeschwitzt wurden sind eben was Besonderes. Ok, sie ist der Chef. Sie bestimmt, ob und wann ich was abbekomme. Die waren ja auch echt lecker vom Geruch.
Dann sind wir endlich draußen, laufen unsere Mittagsrunde.
Frauchen:
Nachdem sich eine Kundin fast auf dich raufgesetzt hat, habe ich Bürostühle dazu gekauft. Jetzt darfst du immer auf deinem Chefsessel sitzen bleiben.
Ich sehe zu Ihr auf. Sie steht an der Spüle und wäscht Essenstöpfe ab. Ich rieche mein Essen, das dort oben auf dem Küchenschrank steht. Der Geruch von Fleisch und gekochten Kartoffeln wabbert bis zu mir runter, vermischt mit dem Geruch des warmen Spülwassers aus dem Edelstahlbecken. Ich höre das Knistern der auf dem Wasser platzenden Schaumblasen. Dein Essen ist noch zu heiß, sagt sie, während sie ihren rechten Zeigefinger in die warme Masse drückt und anschließend die Hand wieder ins Spülwasser taucht. Ich fiepe kurz auf vor Anspannung, Speichel sammelt sich in meiner Schnauze. Sie stellt einen großen glänzenden Edelstahltopf auf die Abtropfblechriffel der Spüle. Ich kann mein Essen nicht sehen, ich bin zu klein. Meinen Kopf in den Nacken gelegt, meine Ohren seitlich abstehend, versuche ich mit glänzenden Augen zu erfassen was oben so vor sich geht. Ein großer blanker Deckel wird gegen den Topf gelehnt. Weißer Schaum läuft wie Sabber vom gewölbten Deckel runter. Ich scanne jede ihrer Bewegungen genau ein. Mein kleiner Kopf geht wie beim Betrachter eines Tennismatch von links nach rechts und wieder zurück, so wie sie mit ihrer vom Waschwasser schrumpeligen Hand weitere Töpfe und Deckel schrubbt und sie nacheinander aus dem Becken holt. Auf dem Topf-Deckel-Turm am Spülbeckenrand legt sie zum Abschluss ein Tassenhandtuch.
So, es ist fertig, sagt sie, während mein Essen an ihrer Hand nach unten schwebt. Ich trippele ungeduldig hin und her um zu sehen, wo mein kleiner Napf auf den Fliesen landen wird.
Und während ich meine rosa Zunge in die auf meinem Essen lecker duftende Flüssigkeit tauche, streicht sie hauchzart mit ihrer Hand über meinen Kopf und verlässt die Küche. Unbeirrt davon sehe ich nicht auf, sondern schlabbere konzentriert die warme würzige Flüssigkeit auf, bis ich mit meinen Zähnchen die ersten festen Essensbrocken zu fassen bekomme. Ich hebe kauend meine Schnauze, damit die Stücke nach hinten rutschen und ich sie schlucken kann. Stecke meine Nase wieder in den Napf und greife mit meinen kleinen Zähnchen das nächste saftige Stück Fleisch. Meine Schnurrbarthaare streifen dabei über den kleinen Napfrand. Essenströpfchen bleiben an den Tasthaaren hängen. Es gibt nur mich und das Essen, der köstliche Geschmack auf der Zunge wenn ich das Essen im Maul zerbeiße, die Duftmoleküle die explosionsartig dabei auf meinem Gaumen freigesetzt werden, um meine Nase tänzeln, sich in meinem Fell absetzen. Herrlich.
Читать дальше