Sie ließ Wulfi in den Garten und setzte sich doch noch vor den Fernseher. Aber obwohl ein spannender Krimi lief, konnte Sabine sich nicht konzentrieren. Ihr Unterbewusstsein funkte Erinnerungen an Schokolade, Zwiebelringe, Brotchips und Fruchtgummis in ihr Bewusstsein. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen, und sie wälzte sich unruhig in ihrem Sessel hin und her. Nur ein bisschen Schokolade oder wenigstens ein Käsebrot!
„Gut, dass ich kein Auto hier habe, sonst würde ich runter zum Freja’s fahren und mir ein Schnitzel mit Pommes holen“, brummte sie. Die Gewohnheit, Selbstgespräche zu führen, hatte sich schnell wieder eingestellt. Nicht mehr lange, und sie war wieder genauso verschroben wie damals, ohne Sascha. Und um das zu verhindern, musste sie abnehmen. Ihre Beziehung mit Sascha wurde auf jeden Fall besser, wenn sie körperlich anziehender für ihn war. Dann blieb er auch bei ihr.
„Es ist der erste Tag, das schaffst du! Was sind schon drei Wochen, die vergehen doch im Flug“, murmelte sie mit zusammengebissenen Zähnen und kämpfte gegen Bilder von Pommes, riesigen Cheeseburgern und Eisbechern mit Schaum und Marmelade obendrauf.
Erschöpft von ihrem Kampf gegen sich selbst, stellte sie den Fernseher ab und wollte ins Bett gehen. Wulfi war inzwischen wieder hereingekommen und widmete sich seinem Ochsenziemer. Kaum, dass Sabine einen Fuß auf die erste Treppenstufe gesetzt hatte, klingelte das Telefon.
„Hej, meine Süße!“
„Anders! Hej!“
„Na, was treibst du so?“
Sabine ging zu ihrem Sessel zurück und erzählte ihm von Jasper.
„Das klingt doch toll! Bestimmt entwickelt sich da was. Die Funken scheinen ja zu fliegen“, sagte er begeistert.
„Na ja, wer weiß, ob da was draus wird. Er scheint über seine Svende noch nicht hinweg zu sein, und ich bin ja noch mit Sascha zusammen!“
„Das stimmt leider.“
„Leider?“
„Ich bin Sascha gegenüber sehr skeptisch, wie du weißt. Wegen dem wolltest du dich damals umbringen, als wir uns an Bodils Strand trafen, weißt du noch?“
„Ja, na sicher weiß ich das noch.“
„Gut. Manchmal habe ich da nämlich meine Zweifel.“
„Wieso denn das?“
„Weil es mir oft so vorkommt, als ob du ihm alles durchgehen lassen würdest. Außerdem hat er dich damals so übel betrogen. Und trotzdem nimmst du ihn wieder bei dir auf. Dein Körper sagt dir ja ziemlich deutlich, was er davon hält. Wenn ich dich an deine E-Mail erinnern darf.“
„Du meinst, weil ich keine Lust mehr auf Sex habe.“
„Genau.“
„Das kann auch daran liegen, weil ich ihm zu dick bin und mich dann nicht wohl bei der Sache fühle. Aber dagegen ist ein Kraut gewachsen. Ich mache nämlich eine Diät. In drei Wochen bin ich schlank.“ Sie erklärte dem entsetzten Anders die Funktionsweise der Shakes.
„Bist du verrückt?! Du ruinierst dir deine Gesundheit!“
„Ach wo, das haben schon viele mit Erfolg durchgezogen. Klar habe ich Hunger, aber es ist ja auch der erste Tag.“
„Erfolg? Süße, wenn du dich zu dick findest, dann nimm auf langsame Art ab. Zwei Kilo pro Monat sind reichlich. Das wären immerhin vierundzwanzig Kilo in einem Jahr, das ist eine ganze Menge!“
„Schon, aber ich will in den nächsten drei Wochen ...“
„Ah, alles klar. Du willst ausgerechnet dem zuliebe in drei Wochen möglichst viel Gewicht verlieren.“
„Ja!“
„Das ist Quatsch!“
„Kein Quatsch, zehn Kilo sind weg, wenn er wiederkommt.“
„In drei Wochen? Zehn Kilo? Willst du dich umbringen? Schon wieder? Und schon wieder wegen dem?“
„Das geht!“
„Sabine. Du wohnst da ganz allein! Wenn dein Kreislauf schlappmacht deswegen, und du in Ohnmacht fällst, kriegt das außer deinem Hund keiner mit.“
„Mir geht’s gut. Du machst dir zu viele Sorgen!“
„Ich mache mir eher zu wenig Sorgen. Was mich am meisten stört, ist, dass du das wegen Sascha machst. Er ist das doch gar nicht wert!“
Sabine schwieg.
„Jetzt sagst du nichts mehr und bist sauer auf mich. Obwohl du weißt, dass ich recht habe“, beharrte Anders.
„Ja ... aber ... ach ... ich habe doch schon alleine gelebt hier, Anders. Und du weißt, dass das ganz schön hart war!“
„Ah ... da liegt der Hase im Pfeffer, wie man hier so schön sagt. Du liebst ihn ja gar nicht mehr.“
„Doch!“
„Nein. Sonst hättest du etwas anderes gesagt. Wenn nur Einsamkeit der Grund ist, dass er bleiben soll ...“
„Ich will, dass er mich nur einmal so ansieht, wie er Britt angesehen hat“, flüsterte Sabine besiegt ins Telefon. Anders kitzelte immer die bittere Wahrheit aus ihr heraus.
„Wenn er dich nie so angesehen hat, wird er das auch zukünftig nicht tun.“
„Doch, Britt ist schlank und zieht sich toll an“, protestierte Sabine.
„Dann hat er sie vielleicht voller Bewunderung angesehen, aber das war nur Lust. Er hat sie doch ganz schnell fallenlassen. Wie kannst du dich mit einer miesen Schlampe wie Britt vergleichen? Die hat doch einen Charakter wie Attila der Hunne mit PMS!“
Wider Willen musste Sabine lachen, obwohl ihr inzwischen ein paar Tränen über das Gesicht kullerten.
„Charakter ist in einer Beziehung das Wichtigste“, erklärte Anders eindringlich.
„Ja, das stimmt schon. Aber ihr Männer seid Augentiere. Ihr müsst eine Frau auch sexy finden. Hübsch.“
„Na, wenn Frauen vor allem auf den Charakter schauen, wieso gibst du dich dann mit Sascha ab? Der ist doch ein Schönling.“
„Nein, kein Schönling. Er sieht gut aus, ja. Aber wir verstehen uns auch gut, und ...“
„Und ihr habt den gleichen Geschmack bei Büchern und so. Ja. Weiß ich. Betonst du immer wieder. Da frage ich mich aber, ob das ausreicht? Meinst du, du bist die Einzige, die auf Horror Bücher steht? Es gibt jede Menge Kerle, die das tun.“
„Aber ob ich noch einen anderen kriegen könnte ...? Vielleicht bilde ich mir ja auch nur ein, dass Jasper mit mir flirtet“, flüsterte Sabine ins Telefon und wischte sich die Tränen ab.
„Na, da haben wir ja den Kern des Problems. Lass mich mal zusammenfassen: Du bist mit Sascha zusammen, der dich betrogen hat. Du vergleichst dich mit Britt und ziehst dabei optisch den Kürzeren. Du willst nun unbedingt ganz schnell extrem viel abnehmen, damit Sascha dich geil findet und mit hängender Zunge hinter dir her ist, obwohl du sowieso nicht mehr mit ihm ins Bett willst. Aber du denkst, nur so kannst du ihn halten. Und halten willst du ihn, weil du sonst alleine wärst und glaubst, keinen anderen mehr abzukriegen.“
„Wenn du es so sagst, klingt das alles ziemlich bescheuert“, gab Sabine zu.
„Wahrscheinlich deshalb, weil es bescheuert ist !“
„Ich weiß auch nicht ... ich weiß gar nichts mehr.“
„Dann hast du ja jetzt etwas zum Nachdenken.“
„Na, schönen Dank auch“, lachte Sabine, „kurz vorm Schlafengehen rufst du mich an und wirfst mir so einen Brocken vor die Füße!“
„Gern geschehen.“ Sabine konnte das Grinsen in seiner Stimme hören. „Halte dich lieber an Jasper, wenn du denkst, er flirtet, wird das auch so sein. Was früher nicht gut war für dich, wird nie gut werden. Wenn dieser Jasper nicht mehr mit seiner Frau zusammen ist, dann wird er schon bereit sein für etwas Neues.“
„War Sascha doch damals auch nicht. Er kam zu mir, aber er wollte eigentlich wieder zu Vera zurück.“
„Ich denke nicht, dass man Sascha und Jasper vergleichen kann, Sabine. Das mit Sascha ist damals nichts Halbes und nichts Ganzes gewesen. Der brauchte nur jemanden. Und dass du in ihn verknallt warst, wusste er. Da hat er zugeschlagen.“
„Und wieso ist er dann nicht bei Britt geblieben, sondern kam zu mir?“, rief Sabine wütend.
„Na, das ist doch klar! Britt war für ihn nur Sex. Bei dir hat er sich wohlgefühlt. Aber mehr war es leider nicht, meiner Meinung nach, sonst hätte er dich nicht betrogen. Vielleicht liebt er dich ja jetzt, es klingt so, nachdem was du mir erzählst. Aber ist die Liebe eines solchen Mannes denn irgendetwas wert? Würdest du mir zu so einem Partner raten, wenn es andersherum wäre?“
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