1 ...7 8 9 11 12 13 ...22 KHK Kortner und KOK Schneider kannten natürlich ihren Chef und wussten auch mit dessen Art, die nicht jedem behagte, umzugehen. KHK Kortner sagte:
„Wir sind vielleicht auf eine noch sehr dünne Spur gestoßen, die aber wirklich noch sehr, sehr dünn ist. Bei den ermordeten Frauen tauchte bei der Befragung der ihnen nahestehenden Personen ein Mann mit einem Auto auf, der sie auf dem Marktplatz in Schüttbach angesprochen und sie gebeten hat, ihm zu folgen, wir wissen aber, außer der Tatsache, dass der Mann Autofahrer war und auf dem Schüttbacher Marktplatz gestanden hat, nichts von ihm.“ Der Polizeichef hakte aber nach und bestand darauf, Näheres über diesen ominösen Mann zu erfahren, aber so sehr er auch eine Auskunft einforderte, die beiden Kommissare konnten ihm keine befriedigende Antwort geben. Zähneknirschend verließ der Polizeichef das Dienstzimmer wieder und KHK Kortner und KOK Schneider grinsten sich an, sie genossen es, ihren Chef kochen zu sehen, zu erleben, wie er sich wie ein Choleriker über Nichtigkeiten aufregte und wie ein Rumpelstilzchen mit den Füßen aufstampfte. Dennoch mochten sie ihn, denn es war absolut Verlass auf ihn, und sie hatten oft genug erfahren, wie er sie unterstützte, wenn sie seine Hilfe brauchten wie in einem Fall vor ein paar Jahren, als es um die Verhaftung eines Vergewaltigers ging. Gegen ihn war die Beweislage anfangs noch recht mager, weshalb es dessen Anwalt es beinahe geschafft hätte, ihn aus dem Polizeigewahrsam frei zu bekommen.
Da wäre der Polizeichef aufgestanden und hätte dem Anwalt zu verstehen gegeben, dass man mit Vergewaltigern nicht zu spaßen gedächte und hätte ihn so lange im Gewahrsam behalten, bis die DNA-Spuren eindeutig dessen Täterschaft bewiesen hätten. Die beiden Beamten fragten sich, nachdem der Polizeichef das Dienstzimmer verlassen hatte, wie sie dem Mann, von dem bei beiden Morden die Rede war, auf die Schliche kommen könnten, es würde ihnen vermutlich nichts anderes übrigbleiben, als ihm auf dem Marktplatz in Schüttbach aufzulauern, sie müssten sich dort mit ihrem Wagen hinstellen und auf ihn warten, stundenlang, vielleicht sogar tage-, wochen- oder monatelang. Das war eine schreckliche Vorstellung, beide waren sie nicht der Typ, der sich ohne Bewegung, ohne Action, an einem Ort aufhielt und sich nicht rührte, aber vermutlich müssten sie genauso verfahren. Sie könnten diese Arbeit auch an Kollegen delegieren, aber sie machte sie lieber gleich selbst. Der Hinweis auf den ominösen Mann war die einzige Spur, die sie hatten, wenn man das überhaupt eine Spur nennen konnte, aber es war ein Hinweis, dem sie nachzugehen gedachten. Am nächsten Tag begannen sie mit ihrer Parkplatzüberwachung, sie stellen sich zu Dienstbeginn der Gemeindemitarbeiterinnen um 8.30 h auf den Parkplatz und warteten.
Die beiden trudelten ein und sie konnten sie aus mittlerer Entfernung sehen, machten aber natürlich nicht auf sich aufmerksam, sondern sie blieben versteckt in der dritten Parkreihe, rechts und links von sich abgestellte Autos von irgendwelchen Menschen, die in der Nähe arbeiteten oder einkauften. So konnten sie beide Gemeindemitarbeiterinnen ins Gemeindeamt gehen und die Tür hinter sich zuziehen sehen. Es hatte ein Acht-Stunden-Arbeitstag für sie begonnen und sie kämen, wenn überhaupt, zur Mittagspause wieder heraus oder erst bei Feierabend um 17.00 h. So lange mussten KHK Kortner und KOK Schneider mindestens auf dem Parkplatz stehen und die Umgebung beobachten. Es würde ihnen mit Sicherheit irgendwann langweilig werden und sie würden ihre Arbeit verfluchen, aber es nutzte nichts, sie mussten auf dem Parkplatz warten. Der Parkplatz war der Schüttbacher Marktplatz, auf dem einmal pro Woche der Wochenmarkt abgehalten wurde, dieser Tag war der Mittwoch, der nächste Tag also. Der Parkplatz würde um die Hälfte verkleinert, damit die Markthändler ihre Stände aufbauen könnten, da KHK Kortner und KOK Schneider aber zu den Ersten gehörten, die sich einen Parkplatz suchten, sollten sie keine Probleme haben, einen Platz zu bekommen. Der Marktplatz war das Zentrum des kleinen Ortes, um ihn herum gruppierten sich die wichtigsten Geschäfte und öffentlichen Einrichtungen, er hatte eine quadratische Grundfläche und einen Kantenlänge von ungefähr dreißig Metern.
An der einen Seite lag in der Mitte das Gemeindeamt in einem alten Backsteinhaus, das sicher an die hundert Jahre alt war, links neben ihm gab es die Post, auch in einem Backsteinbau und auf der anderen Seite die Drogerie Rossmann. Im Uhrzeigersinn weiter gab es an der nächsten Seite Aldi, Haushaltwaren Korsch, Reisebüro Müller, an der dem Gemeindeamt gegenüberliegenden Seite die Apotheke, ein kleines Ärztehaus und ein Sonnenstudio und weiter an der letzten Seite die Bäckerei Erben, Fahrräder Grossmann und eine Boutique. Um 9.00 h waren alle Läden geöffnet und es begann allmählich ein reger Kundenverkehr anzulaufen, die Leute kamen mit ihren Autos und fuhren wieder weg, oder sie kamen mit ihren Fahrrädern und stellten sie vor den Geschäften in die Fahrradständer. Die Polizisten standen mit der Vorderseite ihres Autos zum Gemeindeamt und beobachteten den Eingang, an dem sich so gut wie nichts tat. Neben dem Eingang zum Gemeindeamt gab es den Eingang zur Stadtbücherei, die aber am Vormittag nicht frequentiert wurde. Bei Rossmann wurden Werbetafeln draußen aufgestellt, auf denen auf billige Fotoarbeiten hingewiesen wurde, man könnte seine Speicherkarte in den Fotoautomaten stecken und gleich seine ausgedruckten Bilder mitnehmen.
Bei der Post herrschte auch schon am Morgen Hochbetrieb, die Kunden brachten oder holten Pakete oder schickten Briefe oder Karten ab, die sie im Postamt frankieren ließen. Draußen hing ein Briefmarkenautomat, aber die Leute ließen sich lieber im Postamt bedienen, daneben war ein Paketcenter aufgestellt, mit dem aber die wenigsten Menschen klarkamen, weil dessen Bedienung nicht ganz einfach war, besonders alte Menschen waren damit überfordert und liefen lieber ins Postgebäude, um ihre Pakete dort aufzugeben oder welche abzuholen, wie sie das seit jeher getan hatten. Zum Teil kannten sie auch die Postbediensteten, die dort in manchen Fällen schon seit über zwanzig Jahren beschäftigt waren. Bei den anderen alteingesessenen Geschäften verhielt es sich so ähnlich, sie waren meistens Familienbetriebe und wurden in der Nachfolge von den Kindern geführt. Der Vormittag dümpelte so vor sich hin, KHK Kortner und KOK Schneider beobachteten den Publikumsverkehr vor den Geschäften, der sich je nach Laden sehr unterschiedlich ausnahm. So gaben sich bei Aldi die Kunden die Klinke in die Hand, während bei Fahrrad Grossmann nichts los war, was nicht weiter verwunderte, denn Fahrräder kaufte man nicht jeden Tag. Aldi war in das alte Schüttbacher Kino gezogen, das es vormals auf der Platzecke gegeben hatte, es hieß früher Lichtburg, musste aber irgendwann aufgeben, als die Kinobesucher ausblieben, weil die Leute fernsahen oder die großen UCI-Kinos in Feldstadt oder Mensingen bevorzugten. Aldi hatte den Kinoparkplatz ausgebaut und erweitert, damit die Kunden bequem parken konnten. Die Schlange der Wartenden vor dem Ärztehaus hatte sich nach Öffnung der Arztpraxen aufgelöst, die Menschen hatten sich im Haus verteilt, nachdem sie vorher den gesamten Bürgersteig in Besitz genommen hatten.
Es gab einen Orthopäden unter den Ärzten, bei dem traditionell immer viel los war, weil die Menschen zunehmend Rückenprobleme davontrugen, denn es bewegte sich kaum noch jemand. Sie warteten zum Teil zwei Stunden auf dem Bürgersteig, auch bei Regenwetter, um danach beim Orthopäden innerhalb von drei Minuten abgefertigt zu werden oder sie wurden dort auf eine der sechs Liegen gelegt und bekamen Akupunkturnadeln verpasst, die sie dreißig Minuten stecken lassen mussten, um danach wieder aufstehen zu dürfen. Es gab im Ärztehaus noch einen praktischen Art und einen Zahnarzt, damit war der kleine Ort Schüttbach ärztemäßig gut versorgt und die Patienten mussten nicht nach Feldstadt oder gar Mensingen zum Arzt, es fehlte in Schüttbach eigentlich nur ein Kinderarzt. Die Apotheke nebenan lebte gut von den Ärzten, die Patienten kamen gleich mit ihren Rezepten und holten ihre Medikamente, es gab schon noch kleine Kundenstaus in der Apotheke, die sich in aller Regel aber schnell auflösten. Der Apotheker machte seinen Umsatz und hatte bislang Glück, dass sich noch kein Konkurrent in Schüttbach niedergelassen hatte.
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