»Schon verstanden, Herr Gross«, fiel ihm Tobias ins Wort.
»Ich werde die Spurensicherung herbeordern. Außerdem stelle ich ein Team zusammen, um diesem Mörder auf die Spur zu kommen.«
Tobias holte tief Luft.
»Herr Gross, darf ich auf Ihre Mithilfe zählen? Zusammen mit Ihrer Kollegin wären Sie vermutlich eine große Unterstützung.«
Hans Martins Miene erhellte sich etwas.
»Erstens, ich bin kein Kriminalbeamter, aber mit Morden, diversen Verrückten und vor allem mit den derzeitigen Opfern habe ich etwas Erfahrung. Zweitens brauchst Du noch einige fixe Personen im Team, zuerst eine Person, die mit der Presse umgehen kann. Und drittens ...«, er reichte Tobias die Hand, »... ich heiße Hans Martin.«
Tobias ergriff die Hand und nickte.
»Die meisten nennen mich Tiger, ein Spitzname, den ich seit Kindertagen habe. Ich bestelle die Spurensicherung, kümmerst Du dich um die Freundin?«
Von Lisa Paschke war nichts Brauchbares zu erfahren. Der Schock saß zu tief, um sie zu befragen. Gabriele weigerte sich, die Wohnung zu betreten und blieb bei Lisa, bis der Arzt eintraf. Als die gerufenen Kollegen und die Rettung eintrafen, konnten sich Tobias, Hans Martin und Gabriele verabschieden. Tobias schlug vor, die weitere Besprechung an den nahe gelegenen Würstelstand zu verlegen.
Kaum hatten sie das Wohnhaus verlassen, zückte Hans Martin seine Zigaretten.
»Du wolltest doch aufhören, Chef«, tadelte Gabriele ihn.
»Ich habe gesagt, reduzieren. Das fällt mir schon schwer, aber ich bemühe mich, okay?«
Tobias zog ein fünfzehn Zentimeter langes, dunkelblaues Röhrchen hervor.
»Ihr beide kennt Euch schon lange, oder?«
»Das kann man wohl sagen. Ach ja, Gabriele, wir arbeiten mit Tiger zusammen an diesen Mordfällen.«
»Tiger? Mordfälle? Und was ist das für ein Ding in Deiner Hand?«, war Gabriele verwundert.
»Ja, Tiger. Tobias Iger, seit jeher schon als Kurzform so genannt«, stellte sich Tobias erneut bei ihr vor, »Ich hoffe, mit Eurer Hilfe, den Mörder schnell zu erwischen.«
»Gabriele Zauner, kein Spitzname, wehe Du nennst mich Gabi. Wenn Du etwas am Computer benötigst, bin ich die Richtige.«
Dabei hob sie ihr Tablet wie eine Trophäe hoch.
»Aber wieso mit unserer Hilfe? Ich habe keine Erfahrung mit Mordfällen«, meinte sie immer noch erstaunt.
»Aber Omar war einer meiner Mitarbeiter, deshalb werden wir diesen jungen Mann gerne unterstützen«, erklärte ihr Hans Martin entschlossen.
»Und was hat es mit diesem Ding in Deiner Hand auf sich?«
Sie deutete auf das dünne Metallrohr, an dessen Spitze ein durchsichtiger Plastikkristall eingebettet war.
»Das ist eine sogenannte E-Shisha. Wie die derzeit so beliebten elektrischen Zigaretten, nur ohne Nikotin.«
»Aber auch nicht viel gesünder.«
»Vermutlich, aber es schmeckt besser als herkömmliche Zigaretten. Ich bevorzuge Heidelbeere, manchmal auch Apfelgeschmack.«
»Und ich bevorzuge es, nicht zu rauchen, weder Zigaretten noch diese chemischen Mischungen«, machte Gabriele ihre Abneigung deutlich.
»Nachdem wir das besprochen hätten, zurück zum Thema. Da es Dein erster eigener Mordfall ist, fehlt es an einem eingespielten Team«, stellte Hans Martin fest.
Tobias nickte und erzählte ihnen, dass sein bisheriger Chef vor zwei Wochen in Pension gegangen war. Bis dahin war er an unterschiedlichen Fällen beteiligt gewesen.
»Ein Familienvater, der ausgerastet ist und bei einem Banküberfall zwei Angestellte erstochen hat. Ein Mord unter Brüdern und eine Frau, die ihren Mann loswerden wollte, um an die Versicherungsprämie zu gelangen. Das waren bislang meine Highlights. Hier sieht alles nach einem geplanten Mord mit deutlichem Motiv aus. Blöd nur, dass wir das Motiv nicht kennen.«
»Du meinst, Remember Yvonne? Das ist im Moment die einzige Verbindung.« Gabriele tippte im Gehen auf ihrem Tablet herum.
Inzwischen hatten sie den Würstelstand erreicht, der um diese Zeit unbesucht war.
»Es gibt nichts Besseres, als eine heiße Käsekrainer mit Gebäck und eine Flasche Almdudler«, schwärmte Tobias.
»Naja, da würde mir einiges einfallen. So besonders ist die Wurst dann auch wieder nicht«, belehrte Gabriele ihn.
»Es gibt unzählige Würstelstände und dementsprechend unterschiedlich ist die Qualität. Wenn Du willst, kann ich Dir gerne mal einige zeigen.«
»Das glaube ich Dir. Aber wenn, dann würde mein Freund auch mitkommen.«
»Kein Problem. Wusstet ihr, dass dieser Würstelstand der älteste in Wien sein soll?«
»Dafür sieht er sehr gut erhalten aus«, stellte Hans Martin fest, »Bestellen wir nun?«
Bei drei Käsekrainer samt Gebäck und je einer Flasche Almdudler besprachen sie ihre weitere Vorgehensweise.
»Ich werde bei meinen Vorgesetzten um eine Sonderkommission anfragen. Als SOKO können wir unsere Ressourcen leichter zusammenlegen und auch nutzen«, schlug Tobias vor.
»Außerdem haben wir so die Möglichkeit, aus einem größeren Pool an Personal zu schöpfen. Vielleicht haben wir Glück und es ist mit diesen beiden Mordanschlägen schon vorüber …«
»Darauf würde ich nicht hoffen, Gabriele«, warf Hans Martin nachdenklich ein.
»Du bist ein hoffnungsloser Pessimist. Weißt Du vielleicht mehr, als wir?«
Hans Martin schwieg und aß den letzten Teil seines fettigen Mittagessens auf. Nach einem großen Schluck aus der Plastikflasche zündete er sich eine Zigarette an und blickte von Gabriele zu Tobias.
»Die Idee mit der SOKO ist gut. Ich werde nachher ein Telefonat führen, dann haben wir die Genehmigung innerhalb einer Stunde.«
»Eine Stunde? Wen kennst Du, dass wir derart bevorzugt behandelt werden?«, zeigte sich Tobias erstaunt.
»Ich bin mir sicher, dass ein Anruf beim Bundespräsidenten vieles beschleunigen kann. Wir werden ein gemeinsames Büro beziehen, bei uns im Ministerium sind genug freie Räume. Ich werde veranlassen, dass man uns dort das notwendige Equipment bereitstellt. Vielleicht bekommen wir noch eine zusätzliche Person zur Unterstützung.«
Weder Tobias noch Gabriele widersprachen. Sie einigten sich auf ein Treffen am späteren Nachmittag im Büro von Hans Martin. Bis dahin sollten die ersten Berichte aus Omars Wohnung eingetroffen sein. Hans Martin versprach Tobias, dass sie bis dahin auch schon die Genehmigung für die Sonderkommission haben werden.
Nachdem Tobias Hans Martin und Gabriele zurück zum Bundesministerium gebracht hatte, verabschiedete er sich mit dem Versprechen, am Nachmittag voller Elan mit den Untersuchungen beginnen zu wollen.
»Du kannst schon ins Büro gehen, ich muss noch ein Telefonat führen«, erklärte er Gabriele und zog sein Telefon und die Zigaretten heraus.
»Jawohl Chef.«
Die Nummer kannte Hans Martin auswendig, gleich nach dem ersten Läuten hob der Bundespräsident ab.
»Hans Martin, schön von Dir zu hören. Ich hoffe, es ist ein freundschaftlicher Anruf«, meldete sich Bundespräsident Walter Schlinger.
»Teils teils. Aber zuerst das Dienstliche. Ich benötige Deine Unterstützung, um sofort eine Sonderkommission zu starten.«
»Worum geht es?«
»Einen Dreifachmord an Neonazis, die wir hochnehmen wollten. Und um einen Kollegen von mir, der demselben Mörder zum Opfer gefallen ist.«
»Davon habe ich gar nichts gelesen oder erfahren«, war der Bundespräsident verwundert.
»Das liegt daran, dass die offizielle Mitteilung noch nicht hinausgegangen ist. Ich kann gerne später vorbeikommen und Dir alles in Ruhe bei einem guten Glas Whisky erzählen. Aber im Moment sind wir gerade dabei, dafür zu sorgen, dass diese Morde nicht zu einem Kompetenzstreit zwischen Bundes- und Polizeibehörde werden.«
»Ich verstehe, mein Freund. Deine nette Kollegin soll mir die Anträge zuschicken, ich sorge dafür, dass Ihr sofort mit der Arbeit beginnen könnt. Die genaueren Hintergründe erläuterst Du mir heute oder morgen Abend bei einem Besuch in der Präsidentschaftskanzlei.«
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