Sein Gegner vollführte einen Sprungangriff, verlor dabei aber das Gleichgewicht. Diese Gelegenheit nutzte Erif um ihn mit einem seitlichen Hieb zu attackieren. Die Rüstung konnte er nicht durchdringen, aber durch die Kraft des Angriffs fiel sein Gegner in den Obststrauch von Naidraug. Innerhalb weniger Augenblicke verwandelten sich die Äste der Pflanze in immer dicker werdende Dornenranken. Bevor der Soldat sich aus dem Gewächs befreien konnte, hatten ihn die Ranken vollständig eingehüllt. Die Schreie des Soldaten wurden von einem lauten Knacken beendet.
Kurz hatte Erif Zeit sich umzublicken. Immer mehr Soldaten kamen von allen Seiten aus dem Wald. Naidraug beförderte seinen Gegner mit einem Stoß zwischen die Augen zu Boden und riss danach die Hand in die Höhe. Mit einem leichten Beben des Bodens, schossen aus verschiedenen Stellen, Steinspitzen aus der Erde, welche die Soldaten zielsicher von unten durchbohrten. Doch für jeden Gefallenen kam sofort wieder einer nach.
Brüllend stürmte der nächste Soldat auf Erif zu und überrumpelte ihn mit schnellen Schlägen. Er konnte nichts anderes tun als ihnen so gut es ging auszuweichen. Dabei wurde er von der Lichtung aus immer tiefer in den Wald gedrängt. Nur knapp entging er einem diagonal geführten Schwertstreich. Sein Angreifer vom Schwung des eigenen Angriffs mitgerissen und verlor für einen Sekundenbruchteil die Balance. Erif nutzte die Chance und rammte ihm das Schwert mit einem geraden Stich in den Kopf. Sofort sackte der Soldat zusammen. Erif zog die Klinge aus dem Kopf. Blut tropfte von der Schwertspitze auf den Boden. Keuchend lehnte er sich gegen einen Baum. Er hatte soeben das erste Mal einen Menschen getötet. Ihm war schwindlig. Der Kampfeslärm von der Lichtung war noch deutlich zu hören.
Als er aufblickte, konnte er vor sich im Wald ein seltsames Gebilde ausmachen. Vielleicht eine Falle? , ging es ihm durch den Kopf. Erif packte sein Schwert fester und näherte sich der Stelle. Es war eine Art Käfig auf Rädern. Vermutlich um Gefangene zu transportieren.
Er wandte sich ab um wieder zur Lichtung zurückzueilen und Naidraug beizustehen, da hörte er plötzlich ein Geräusch aus Käfig. Es war das Atmen eines Menschen. Kurzentschlossen kletterte Erif auf den Wagen und schaute durch die hölzernen Stäbe. Nun konnte er die Umrisse einer Person ausmachen. Er ging einen Schritt zurück und zerstörte das provisorische Schloss mit seinem Schwert. So wie es aussah, war der Wagen hastig zusammengezimmert worden. Er öffnete die Tür und trat ein.
Im Käfig stand eine vermummte Gestalt. Sie war in einen schäbigen braunen Mantel mit Kapuze gehüllt. Ihre Hände waren angekettet, wobei die Länge der Ketten so gehalten war, dass sich die Gestalt nicht setzen konnte.
Erif ging einen Schritt auf den Gefangenen zu, da fingen die Ketten schwach zu leuchten an. Magieabsorbierende Ketten. Das bedeutete, dass der Gefangene magisch begabt sein musste, denn diese Ketten wurden speziell für die Gefangennahme von Magiern gefertigt. Sobald sie angelegt sind, wird dem Zauberer langsam sämtliche magische Energie entzogen. Versuchte dieser Magie zu wirken, so beschleunigt er diesen Prozess nur. Befindet sich eine magisch begabte Person in der näheren Umgebung der Ketten, so beginnt das Metall der Ketten zu leuchten.
Der Umstand, dass die Ketten vor seinem Eintreffen nicht geleuchtet hatten, musste bedeuten, dass dieser Person bereits sämtliche magischen Reserven entzogen wurden.
Er unterzog die Ketten einer knappen Begutachtung, dann holte er mit dem Schwert aus. Sie waren von geringer Qualität und konnten somit mit Waffengewalt zerstört werden. Drei Schläge benötigte er für jede der Ketten. Danach drohte der Gefangene zu Boden zu fallen. Schnell stützte er die Gestalt, damit sie nicht auf den Holzboden aufschlug und legte sie sanft auf den Boden. Nach einigen Augenblicken regte sich die Gestalt und setzte sich auf.
„Bist du in der Lage zu laufen?“
Die Gestalt schien ihn anzustarren nickte dann aber. Noch immer konnte er das Gesicht des Gefangenen unter der Kapuze nicht erkennen. Allerdings war ihm das in der momentanen Situation auch nicht so wichtig. Er fühlte wie ihm die Zeit davonlief.
Plötzlich hörte er schnelle Schritte näher kommen. Erif duckte sich. Die Gestalt tat es ihm gleich. Zwei Soldaten liefen zum Kampfplatz. Währenddessen unterhielten sie sich. Erif lauschte angestrengt um den Wortwechsel zu verstehen.
„…wird schwächer. Gleich haben wir den Mistkerl erledigt. Die Magier sind auch schon in Position.“
„Dann wird er bald Tod sein. Ich wüsste gerne was es mit diesem Stein …“
Nun waren sie außer Reichweite seiner Ohren. Aber was er gehört hatte, gefiel ihm gar nicht. Er musste sofort zurück zur Lichtung und Naidraug beistehen. Erif stand auf und sprang vom Wagen. Schwindel packte ihn wieder, sodass er sich am Wagen abstützen musste. Er blickte noch einmal zum Käfig hinauf. Die Gestalt hatte sich aufgerichtet und beobachtete ihn.
„Verschwinde von hier so schnell du kannst.“
Das war alles was Erif der Gestalt noch zu sagen hatte, bevor er in Richtung Lichtung eilte. Er musste dem alten Mann helfen. Wenige hatten ihn in den letzten Monaten mit solch einer Offenherzigkeit empfangen, wie Naidraug. Er wollte ihn nicht sterben lassen. An die Möglichkeit, dass er dabei sterben könnte, dachte er nicht einmal.
Erif stürzte auf die Lichtung. Die Zahl der Soldaten hatte nicht abgenommen, aber es kämpften nur noch jeweils drei mit Naidraug. Der Rest hielt sich am Rande der Lichtung. Unter ihnen befand sich auch der Soldat, welcher als erstes die Lichtung betreten hatte. Der Mann blutete aus einer Platzwunde am Kopf. Er war scheinbar der Befehlshaber der Angreifer.
Naidraug selbst blutete aus mehreren kleinen Schnitten und wirkte erschöpft. Vermutlich hatte er den Großteil seiner magischen Energie bereits aufgebraucht. Auf der ganzen Lichtung lagen Speere, Pfeile, Schwerter und zahllose Leichen der Soldaten verstreut.
Mit kreisenden Bewegungen leitete Naidraug die Angriffe seiner Widersacher ab. Durch einen Schlag auf den Kehlkopf schaltete er einen seiner Gegner aus. Ein weiterer seiner Angreifer ging durch eine Attacke auf die Schläfe zu Boden. Nachdem er einen Schwerthieb des letzten Soldaten unterwandert hatte, brach er diesem mit dem Stab eine Kniescheibe. Sofort gab das Bein nach und der Soldat ging unter Schmerzensschreien in die Knie.
Wie auf ein stummes Kommando flog eine weitere Pfeilsalve aus dem Wald auf Naidraug zu. Hastig ging er hinter dem knienden Soldaten in Deckung. Die Pfeile trafen den Soldaten tödlich und ließen ihn zusammenbrechen. Naidraug richtete sich auf und stand nun alleine auf der Lichtung. Ein weiterer Pfeilhagel wurde zwischen den Bäumen auf den alten Mann abgefeuert. Zu spät sprang er zur Seite. Ein Pfeil drang tief in seinen linken Oberarm ein. Er schrie vor Schmerz. Abgelenkt von den Schmerzen bemerkte der alte Mann das grüne Glühen hinter seinem Rücken nicht.
„Vorsicht, Kriegsmagier!“
Erif rannte auf Naidraug zu und riss ihn von den Beinen. Über ihren Köpfen flog eine grüne, durchscheinende Kugel vorbei und traf einen Soldaten am Waldrand. Der Getroffenen wurde von der Kraft der Kugel mit rasanter Geschwindigkeit jaulend in den Wald katapultiert. Mit einem dumpfen Knall endete sein Schrei. Vermutlich war er gegen einen Baum geflogen.
Auf Befehl des Anführers bewegte sich einer der Soldaten vom Waldrand zügig auf die beiden zu. Erif sprang auf und stellte sich vor Naidraug. Er durfte nicht zurückweichen. Den leichten Schwindel und die Kopfschmerzen ignorierte er so gut es ging.
Der Angreifer schlug brüllend mit einem vertikalen Schwerthieb zu. Erif ließ den Angriff abgleiten und antwortete seinerseits mit einem Kampfschrei und einem horizontalem Hieb. Der Soldat war durch den Kampfschrei kurz abgelenkt. Dieser kurze Augenblick reichte Erif um ihn zu enthaupten. Zuerst fiel der Kopf seines Gegners zu Boden, dann der restliche Körper.
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