Wenige Meter vor Philipp stieg Elisabeth vom Pferd. Gleichzeitig erhob er sich, und sie gingen aufeinander zu. Er musterte sie unauffällig, und was er sah, gefiel ihm sehr: Die Französin war zwar noch ein Mädchen, kaum vierzehn Jahre alt, doch sie war bereits ausgesprochen schön. Ihre dunklen Augen blickten herausfordernd und offen, und die schwarzen Haare fielen lang und kaum zurückgehalten über ihre Schultern.
Caterina de’ Medici hat mir eine hübsche „Agentin“ geschickt , dachte Philipp. Dann fiel ihm auf, dass Elisabeth ihn geradezu anstarrte, als habe etwas an ihm ihren Blick so sehr gefesselt, dass sie ihn nicht lösen konnte. Philipp war irritiert, und um das zu verbergen, bemerkte er: „Seht Ihr nach, ob ich graue Haare habe, Señora?“
Aus dem Augenwinkel sah er, wie Ruy, entsetzt über diesen Fauxpas, zusammenzuckte und stellte im gleichen Moment fest, dass er erstens bissiger geklungen hatte als beabsichtigt und zweitens die Unhöflichkeit besessen hatte, Spanisch zu sprechen statt Französisch. Doch Elisabeths Reaktion nahm der Situation alle Schärfe: Sie begann zu lächeln und dann übermütig zu kichern. Die Grandezza schien schockiert; doch Philipp, der innerlich aufatmete, stimmte in ihr Lachen ein, eilte an ihre Seite und ergriff ihre Hand. Zu Pferd begab sich die Gruppe zu der Kirche, in der die Trauung vollzogen werden sollte.
Philipp und Elisabeth waren Seite an Seite geritten, und er stellte fest, dass ihr Spanisch vorzüglich war, was ihn der Verlegenheit enthob, seine Französischkenntnisse vorführen zu müssen. Doch obwohl sie fröhlich schien, beschäftigte sie offenbar der gerade erlebte Vorfall, denn als sie vor dem Altar standen, fragte sie leise: „Warum haben vorhin alle so erschrocken ausgesehen, als ich gelacht habe?“
Philipp belehrte sie nachsichtig: „In Spanien lacht man nicht vor dem König – und schon gar nicht über ihn.“
„Ich wollte Euch nicht beleidigen, Señor.“ Sie wirkte etwas erschrocken.
Er lächelte. „Das habt Ihr nicht. Ich hätte Euch diese dumme Frage nicht stellen sollen.“
„Zumal ich auf den ersten Blick festgestellt hatte, dass Ihr keine grauen Haare habt“, sagte sie mit etwas altklug wirkender Kennermiene.
Kopfschüttelnd bemerkte Philipp: „Ich muss gestehen, Elisabeth: Ihr gefallt mir!“
Elisabeth wurde rot und wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment erschien der Bischof, der die Trauung zelebrieren sollte, und beide schwiegen. Nach der Zeremonie nahm Philipp seine Frau in die Arme und küsste sie sanft, und als er ihre Unsicherheit spürte, wurde er sich bewusst, dass er für dieses Mädchen echte Zuneigung zu fühlen begann.
Um sie zu beruhigen, sagte er beim Auszug aus der Kirche leise: „Ich hoffe, ich kann dafür sorgen, dass Ihr Euch schnell an Spanien gewöhnt.“
„Ich werde mir die größte Mühe geben, mein Gemahl“, erwiderte sie förmlich.
Philipp verzog leicht das Gesicht. „Spanien mag zwar für manche gleichbedeutend mit Etikette und Zwang sein, aber Eheleute dürfen sich hier trotzdem beim Vornamen anreden.“
Elisabeth sah zu Boden. „Verzeiht – Philipp.“
„Das sollte kein Tadel sein, Elisabeth“, sagte er sanft.
Sie sah ihn an, und er bemerkte die Angst in ihren Augen, die sie bei ihrer ersten Begegnung noch hatte überspielen können. „Ich fürchte, in Eurer Gegenwart bin ich etwas empfindlich; Ihr müsst wissen, dass meine Mutter...“
„Sie hat Euch aufgetragen, mir in jeder Hinsicht gefällig zu sein, ich weiß“, unterbrach er sie. „Aber bis eine so wunderbare Frau wie Ihr mir missfällt, muss viel passieren, glaubt mir.“
„Meint Ihr das ernst?“
„Ich habe noch nie etwas so ernst gemeint“, sagte er eindringlich.
Bald nach der königlichen Hochzeit wurde die Feierstimmung bei Hofe schlagartig getrübt, denn ein Kurier brachte die Nachricht, dass König Heinrich II. von Frankreich, Elisabeths Vater, auf einem Turnier zur Feier ihrer Hochzeit eine tödliche Verletzung erlitten hatte. Die junge Frau trug die Nachricht mit erstaunlicher Fassung, doch als Philipp an diesem Abend ihr Gemach betrat, wohl wissend, welchen Schmerz sie ausstand, fand er sie tränenüberströmt. Als sie ihn bemerkte, wischte sie eilig die Tränen aus dem Gesicht und stand auf. „Mein Gemahl...“
Er eilte zu ihr und schloss sie in die Arme. „Es tut mir so leid, Elisabeth“, flüsterte er und küsste sie sanft auf die Stirn. Er spürte, wie sie wieder zu schluchzen begann, und als er ihr tröstend über die Haare strich, verbarg sie das Gesicht an seiner Brust und ließ ihren Tränen freien Lauf. Lange standen sie so, dann nahm Philipp sie vorsichtig auf die Arme und legte sie auf das Bett. Er setzte sich neben sie, immer noch ihre Hand haltend. „Erzähl mir von deinem Vater“, bat er leise.
Zögernd, stockend begann sie zu sprechen, schilderte Begebenheiten, an die sie sich vorher kaum noch hatte erinnern können, spürte, wie der unsägliche Schmerz in ihr langsam einem Gefühl sanfter Melancholie wich. Als sie geendet hatte und Philipp anblickte, sah sie eine Träne über seine Wange laufen. „Ich habe mit zwölf Jahren meine Mutter verloren“, sagte er leise. „Als die Nachricht vom Tod deines Vaters kam – ich wusste plötzlich, was du fühltest... Mein Vater dachte damals, ich könnte noch nicht begreifen, was Sterben bedeutet, aber er hatte unrecht. Ich habe nie wieder so gelitten wie damals.“
Aus einem plötzlichen Impuls heraus zog Elisabeth ihn an sich und küsste die Tränen von seinem Gesicht. Diese Nacht wurde die erste, die sie gemeinsam verbrachten, doch Philipp ging über einige vorsichtige Zärtlichkeiten nicht hinaus – seine Frau war schließlich fast noch ein Kind, und er spürte, dass sie zu mehr noch nicht bereit war. Er würde warten.
Einige Wochen später hatte sich die Aufregung am Hof gelegt, und Philipp verbrachte seine Tage wieder im Arbeitszimmer in Gesellschaft von Ruy und ein oder zwei Sekretären. Eines Abends wartete Ana wie üblich auf ihren Gatten, während sie ihren kleinen Sohn – zu Doroteas großer Freude hatte sie einen gesunden Jungen geboren, der auf den Namen Rodrigo getauft worden war – im Arm wiegte, bis er einschlief. Als Ruy auch zu später Stunde noch nicht erschienen war, entschloss sie sich, ihn zu holen. Leise klopfte sie an die Tür von Philipps Arbeitszimmer.
„ Adelante !“ Die Stimme des Königs klang abgelenkt. Als Ana eintrat, bemerkte sie auch, warum: Philipp und Ruy saßen über ein Schachbrett gebeugt und boten ein Bild angestrengten Nachdenkens.
„Guten Abend, Don Felipe! Verzeiht, wenn ich störe.“
Er lächelte; die nicht zu förmliche, doch auch nicht zu vertraute Anrede hatte sich stillschweigend zwischen ihnen etabliert, und er genoss die leichte Ironie, die stets darin lag. „Ihr stört nicht, Doña Ana. Kommt herein!“
Als sie zu den beiden trat, wandte Ruy sich ihr mit entschuldigendem Lächeln zu. „Du wartest sicher schon auf mich. Wir sind gleich fertig, wir beenden nur noch diese Partie.“
„Das dauert höchstens noch fünf Züge“, bemerkte Philipp mit siegessicherem Gesicht.
Ana trat an das Brett, betrachtete sachkundig die Figuren und sagte zu Ruy: „Du musst deine Dame schützen.“
„Ich weiß!“ Mit überlegener Geste, doch leider mit weniger Überlegung machte er den nächsten Zug.
„Das war keine gute Idee, mein lieber Freund“, grinste Philipp, als er ebenfalls zog und seinen Vorteil sofort nutzte.
Ana griff ein. „Jetzt ist dein König auch in Gefahr, mi corazón . Nimm den Turm, um ihn zu schützen.“
„Ich weiß schon, was ich tue!“ Gereizt zog Ruy erneut.
„Schach.“ Philipp bemühte sich, nicht allzu triumphierend zu lächeln.
Ana schüttelte resigniert den Kopf, und Ruy, der das bemerkt hatte, stand beleidigt auf. „Spiel du doch weiter, du kannst es ja anscheinend besser!“
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