1 ...8 9 10 12 13 14 ...20 Dorotea schien etwas verwirrt. „Heiraten? Aber wen denn?“ Sie hielt einen Moment inne, dann breiteten sich Begreifen und Entsetzen auf ihrem Gesicht aus. „Oh nein, doch nicht etwa...“
„Don Ruy Gómez de Silva hat mir einen Antrag gemacht, und ich habe ihn angenommen. Freust du dich nicht für mich?“ Was für eine überflüssige Frage , dachte Ana.
„Ich soll mich freuen?“ schrillte Dorotea. „Darüber, dass du diesen portugiesischen Bauern heiraten willst? Wie kannst du mir das antun? Du, mein einziges Kind!“
„Dorotea...“ warf Don Diego beschwichtigend ein.
Ana winkte ab. „Lass nur, Vater, ich schaffe das allein.“
„Nun gut, dann warte ich draußen.“ Als er den Raum verlassen hatte, holte Ana tief Luft und sagte: „Komm, Mutter, setz dich zu mir.“
„Ich will mich nicht setzen, ich will, dass du mir sagst, dass du diesen… diesen… nun ja, diesen Mann nicht heiratest!“ Aus ihrem Mund klang die Bezeichnung wie ein Schimpfwort.
Ana fühlte Wut in sich aufsteigen. „Aber ich liebe ihn, und hast du mir nicht immer gesagt, ich soll auf mein Herz hören? Du liebst Vater doch auch!“
„Das ist etwas ganz anderes, dein Vater ist ein Mendoza und kein dahergelaufener Portugiese.“
„Dann hast du also nur Vaters Namen geheiratet!“
Dorotea schien sich ertappt zu fühlen und sagte schnell: „Nein, ich liebe deinen Vater.“
„Dann musst du es doch verstehen, dass ich für den Rest meines Lebens bei Ruy bleiben will.“ Touché , dachte Ana.
Dorotea zögerte etwas und sagte dann: „Ich hatte immer die Hoffnung, dass der König und du...“
„Der König hat die Pflicht, mit einer Heirat einen Friedensschluss oder ein Bündnis zu besiegeln. Warum sollte er dann eine Kastilierin heiraten?“
Dorotea gab sich noch nicht geschlagen. „Aber du bist nun mal eines Königs würdig.“
Die hochfliegenden Pläne ihrer Mutter hätten Ana fast den Kopf schütteln lassen. „Ich bin eines Mannes würdig, der mich liebt, und das ist Ruy; und auch wenn du dich weigerst, der Heirat zuzustimmen, werde ich es trotzdem tun. Vater hat mir seinen Segen gegeben, und auch der König ist einverstanden. Es ist also nicht von Belang, wenn du dich weigerst, aber ich bitte dich als deine Tochter, dass du dich nicht gegen uns stellst. Ich möchte mein Zuhause nicht im Streit verlassen.“
Diese Bitte schien Dorotea endlich überzeugt zu haben. „Na schön, dann heirate ihn, aber...“
„Kein ‚aber’ mehr – bitte, Mutter. Lass mich einfach nur glücklich sein.“
Als Dorotea ihre Tochter umarmte, schien ihre Resignation wenigstens zu einem kleinen Teil der Freude über das Glück ihrer Tochter gewichen zu sein.
Nach mehreren Monaten zäher Hochzeitsverhandlungen, die der hohe gesellschaftliche Rang der Braut und ihre Situation als Erbin eines großen Familienvermögens notwendig machten, konnte die Hochzeit endlich gefeiert werden. Philipp, der öfters zugunsten seines Freundes in die Verhandlungen eingegriffen hatte, ließ es sich natürlich nicht nehmen, bei der Zeremonie anwesend zu sein, was in Hofkreisen als außergewöhnlicher Gunstbeweis für Ruy ausgelegt wurde. Als das Brautpaar Hand in Hand aus der Kirche trat, war beiden ihre Verliebtheit deutlich anzusehen, und Philipps breites Lächeln, das er sich so selten in der Öffentlichkeit gestattete, verriet, wie sehr er sich für Ruy freute.
Im Schloss der Mendozas fand der Hochzeitsball statt, und selbstverständlich tanzte Philipp auch mit Ana. „Die Freude in Euren Augen macht mich neidisch, Ana“, musste er lächelnd eingestehen.
„Ich gebe Euch gerne etwas davon, mein König. Heute könnte ich die ganze Welt umarmen!“ Anas schwarze Augen schienen Funken zu sprühen vor Glück.
„Dann bin ich ebenso glücklich wie Ihr“, sagte Philipp, und sie wusste, dass er es ehrlich meinte. Aus seiner Stimme sprach seine ganze Zuneigung zu Ruy, als er fortfuhr: „Ruy musste lange auf die Frau seines Lebens warten, und ich sehe, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat.“
Ana errötete leicht. „Ich danke Euch.“
Mit einem formvollendeten Handkuss verabschiedete sich Philipp schließlich von ihr, nachdem der Ball bis in die frühen Morgenstunden gedauert hatte und der König die meiste Zeit damit beschäftigt gewesen war, Doña Doroteas Avancen abzuwehren und Ruy Schützenhilfe gegen die spitzen Bemerkungen seiner Schwiegermutter zu leisten.
Als Ruy und Ana sich endlich in ihr Schlafgemach zurückziehen konnten, nahm er sie in die Arme und sah sie liebevoll an. „Bist du glücklich?“
Sie küsste ihn, und ihr intensiver Blick ließ seine Knie beinahe nachgeben. „Liebe mich, cariño , dann werde ich dir zeigen, wie sehr...“
Wenige Wochen nach der Hochzeit war der König wiederum ausgesprochen guter Laune, doch der Grund war ein anderer. Der Krieg mit Frankreich, den Karl V. bereits einmal für sich entschieden, den die Franzosen jedoch wieder begonnen hatten, war dank des umsichtigen Vorgehens des Herzogs von Alba und des niederländischen Grafen Egmont, die das spanische Heer anführten, so gut wie gewonnen. Nach den schweren Niederlagen der Franzosen bei St. Quentin und Gravelines konnte Philipp nun in absehbarer Zeit mit erfolgreichen Friedensverhandlungen rechnen.
„Wenn Egmont und Alba weiterhin solche Erfolge erzielen, wird der Krieg in zwei Monaten beendet sein, und dann wird Frankreich es nie wieder wagen, spanischen Besitz anzutasten!“ triumphierte Philipp eines Nachmittags, während er es sich in den Gemächern seiner Schwester Juana in einem Sessel bequem machte.
Juana, eine kleine, attraktive Frau mit den blonden Haaren und blauen Augen der Habsburger, sah ihn aufmerksam an. „Vor allem wird dann dieses unnötige Gemetzel aufhören, das dir nichts bringt als ungeheure Ausgaben und das Blut zahlloser Soldaten an deinen Händen.“
Philipp murmelte seine Zustimmung. Immer wenn seine Schwester auf dieses Thema kam, sah er wieder das Schlachtfeld von St. Quentin vor sich, der einzigen Schlacht, an der er jemals teilgenommen hatte. Der Geruch nach Blut und Tod, der Anblick der grausam zugerichteten Leichen und die Schreie der vergebens um Hilfe rufenden Verwundeten hatten sich ihm unauslöschlich eingebrannt. Ja, er hasste den Krieg, und er war überzeugt, dass Krieg führen keine gottgefällige Tätigkeit war – doch handelte er nicht noch viel weniger gottgefällig, wenn er Spanien, den Hort des einen wahren Glaubens, nicht gegen seine Feinde verteidigte? Ein König musste manchmal Kriege führen, das war er seinem Reich schuldig; und sein ruhiges Gewissen war der Preis, den er für die Erfüllung seiner Pflicht zahlen musste.
„Hast du dir schon Gedanken über die Friedensverhandlungen gemacht?“ fragte Juana. „Es wird nicht reichen, einem Friedensvertrag nur dein Siegel aufzudrücken, du wirst ihn auch durch persönliche Bindungen festigen müssen.“
Philipp sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Du meinst heiraten?“
Juana legte lächelnd den Kopf zur Seite. „Zum Beispiel.“
„Hmmm – dann müsste ich meine englischen Heiratspläne aufgeben...“ Philipp strich sich nachdenklich durch den Bart, eine Geste, die er sich seit seiner Rückkehr aus den Niederlanden angewöhnt hatte und die ihm ein sehr staatsmännisches Aussehen verlieh. Elizabeth I., Mary Tudors Halbschwester, war die Frau der Stunde in England. Vom Volk geliebt und von den unter Mary unbarmherzig verfolgten Protestanten zu ihrer Schutzherrin erkoren, hatte die Tochter Heinrichs VIII. und Anne Boleyns eine lebensgefährliche Kindheit verbracht. Einige Male wäre sie fast wegen Ketzerei angeklagt worden, und sogar Haft im Tower hatte sie über sich ergehen lassen müssen. Philipp hatte während seines Aufenthalts in England dafür gesorgt, dass Elizabeth an den Hof zurückkam, da er fürchtete, ihre schlechte Behandlung würde das englische Volk noch tiefer spalten, als es die Religionsfrage bereits getan hatte.
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