»Warum trägst du nicht mal einen Bikini?« wollte Sabine von Nicole wissen.
»Ich finde einen Badeanzug bequemer«, sagte Nicole. »Und außerdem gaffen dann die Männer einem nicht dauernd so dämlich an.«
»Ich mag das, wenn mir die Männer nachschauen. Von mir aus können die auch ruhig etwas mehr von mir sehen. Mir gefällt das.«
Sabine hatte schon einige Männerbekanntschaften hinter sich, aber ihrer Meinung nach war nie der Richtige dabei. Sie trauerte ihren Verflossenen auch nicht lange nach – im Gegenteil – sie genoss dann ihre neue Freiheit wieder in vollen Zügen. Nicole war seit einigen Monaten mit einem Mann liiert, der in Stuttgart lebte, in der Stadt, wo sie an ihrer Promotion arbeitete. An manchen Wochenenden fuhr Nicole in ihre Heimat zu ihren Eltern und Großeltern, denn zu Hause hatten sie ein Gestüt und Nicole war eine begeisterte Reiterin.
»Von mir brauchen die gar nichts zu sehen«, sagte Nicole. »Das ist alles für meinen Friedrich vorbehalten.«
»Gibt’s bei euch in der Bank keine schönen Männer?«, fragte Sabine Verena.
»Du siehst von uns dreien am besten aus und bist immer noch solo«, sagte Nicole. »Eigentlich hättest du als erste einen Freund haben müssen.«
»Ach, das hat Zeit«, sagte Verena etwas verlegen, denn sie sprach nicht gerne über dieses Thema.
»Die wartet, bis sie im Alter eines Bankvorstands ist, dann greift sie zu«, sagte Sabine zu Nicole. »Sie ist die Schlauste von uns allen.«
»Aber dann wird sie noch einige Jahren warten müssen, denn so junge Bankvorstände gibt es nicht.«
»Es gibt doch Ältere, die auf junge Frauen stehen. Vor allem bei den gut situierten. Ich würde an deiner Stelle einen Ex-Vorstand suchen, der bereits einige Jahre in Pension ist. Dann wartest du noch einige Jahre bis er den Löffel abgibt, und du hast dann Kohle satt und kannst ein Leben in Luxus genießen«, sagte Sabine.
»Ich will kein Leben in Luxus führen und von den Typen, die sich eine um Jahrzehnte jüngere Frau suchen, halte ich auch nichts.«
»Da muss ich ihr zustimmen«, sagte Nicole mit erhobenen Zeigefinger. »Mit einem wesentlich älteren Mann wirst du nicht glücklich werden. Es gibt ja viele Politiker, die sich scheiden lassen und dann eine wesentlich jüngere Frau heiraten.«
»Lieb' mich bis ans Lebensende, kriegst dafür 'ne satte Rente«, sagte Sabine ironisch.
»Die wollen dich nur besitzen und in ihren Clubs vorführen«, fuhr Nicole fort. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine von denen glücklich ist. Verena sucht sich schon den Richtigen aus, wenn es soweit ist. Der läuft dir auch noch über den Weg. Es gibt keinen Grund in Panik zu verfallen.«
»Also ich könnte das nicht aushalten. Mir macht das Spaß, wenn die mich betatschen und wenn ich an denen alles anfassen kann, und ich meine wirklich alles.«
»Ach, hör doch auf«, sagte Nicole.
Die drei schwiegen eine Zeitlang, als dann Sabine sagte:
»Vor zwei Wochen war ich in einer Sauna und habe mich danach dann auch noch massieren lassen.«
»Na und«, sagte Nicole. »Das ist doch nichts besonderes.«
»Ja, das stimmt. Aber ich habe mich von einem Mann massieren lassen.«
»Heh, Sabine, was ist denn daran besonderes. Was willst du uns sagen? Hast du dich in ihn verliebt?«
»Nein, aber mir gefällt das. Ich, ... ich meine, also, ich war dann auch mal in Nürnberg, also ich meine, da gibt es auch die Möglichkeit, sich massieren zu lassen.«
»Deswegen brauchst du doch nicht nach Nürnberg zu fahren. Da kostet ja das Benzingeld mehr als die Massage«, erwiderte Nicole.
»Nicht ganz«, fuhr Sabine fort. »Das war eine besondere Massage, versteht ihr, da wirst du von einem Mann massiert, und der hat auch nichts an.«
Sabine hielt kurz inne, während sich Verena und Nicole anschauten und gespannt waren, was Sabine jetzt zu erzählen hat.
»Ja, also, und der massiert dich mit seinem ganzen Körper und auch mit einem ganz bestimmten Körperteil. Der massiert deinen ganzen Körper, ohne Ausnahme. Ja, wirklich, ohne Ausnahme. Der massiert dich oben und auch unten. Und du kannst auch selbst bestimmen, wie intensiv und in welcher Stellung, im Liegen, im Stehen, du sitzt auf ihm oder er auf dir, und, naja, also, du darfst auch ihn überall massieren, ja, überall.«
»Na ich weiß nicht«, sagte Nicole. »Und was ist, wenn er ..., na du weißt schon?«
»Nein, das machen die nicht. Dann ist der Laden zu. Du darfst natürlich nur in seriöse Studios gehen.«
»Und wie heißt der Laden?«, fragte Verena, um auch wieder ins Gespräch zu kommen.
»Erotisches Massagestudio für Sie und Ihn. Das ist schon ein seriöser Laden. Ich hatte die ganze Zeit keine Angst, dass er zu weit gehen würde. Das ist ja der Unterschied zu den Schmuddelbuden. Es geht nur ums berühren, einfach nur anfassen und angefasst werden. Geküsst wird auch nicht.«
»Na das wäre ja noch schöner«, sagte Nicole. »Aber ich weiß nicht. Mit einem wild fremden Mann, den du vorher noch nie gesehen hast. Da halte ich mich lieber an meinen Friedrich.«
»Ach, ich war halt wieder solo, und hatte einfach Sehnsucht nach ein paar zärtlichen Streicheleinheiten, und das völlig unverbindlich. Du gehst danach wieder raus und das war's. Du brauchst dir dann nicht die Leier von den Typen anzuhören, wie verliebt sie in dich sind, und wie toll du bist, und bla bla bla. Oh, wie die als nerven. Einmal sagte einer sogar: 'Ich bestehe darauf, dass du mich liebst.' Total bescheuert. Da gehst du raus und hast deine Ruhe. Amen und aus. Finito.«
»Du treibst dich halt immer mit so schrägen Typen 'rum. Wenn dir mal der Richtige begegnet, änderst du auch deine Meinung. Glaube mir«, sagte Nicole.
»Kommt, wir gehen eine Runde schwimmen«, sagte Verena, und die drei standen auf und rannten so gut es ging an den anderen Badegästen vorbei über den kleinen künstlichen Strand ins kühle Nass.
Obwohl es heiß war, hatte das Wasser doch noch nicht die Temperatur wie im Hochsommer, und so schwammen sie in kräftigen Zügen einige Minuten, um sich dann wieder auf ihre Decken zu legen. Sie schwiegen und registrierten kaum, was um sie herum geschah. Kleine Kinder spielten am Ufer und jedes Mal, wenn eines von einem anderen nass gespritzt wurde, kam ein lautes Kreischen hervor. In der Ferne lief ein Radio und man hörte, wie man einander zurief und antwortete. Die Menschen redeten wild durcheinander doch selbst, wenn man wollte, hätte man kaum ein Gespräch aufmerksam verfolgen können. Die drei dösten vor sich hin und Verena dachte, vielleicht sollte sie da auch mal hingehen. Aber das muss doch ekelhaft sein, von irgend so einem Typen begrapscht zu werden. Nein, das ist nichts für sie. Wenn das jemand erfahren würde.
So lagen sie eine gute viertel Stunde da, ohne ein Wort zu reden.
»Was macht deine Promotion?«, wollte Verena von Nicole wissen, indem sie das Schweigen der drei beendete.
»Ach, es geht voran.«
»Über was schreibst du wieder?«
»Über Werte in den verschiedenen Kulturen und deren Bedeutung im zwanzigsten Jahrhundert.«
»Ach du liebe Zeit«, sagte Sabine, »wie kann man nur sein Leben mit so etwas vergeuden.«
»Ich finde das interessant«, sagte Verena. »Das heißt, du untersuchst, welchen Stellenwert zum Beispiel Treue, Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit oder Ehre in den unterschiedlichen Kulturen im letzten Jahrhundert hatten.«
»Genau. Ich analysiere aber auch die Werte in den früheren Epochen, also zum Beispiel in der Antike oder im Mittelalter, und das rund um den Globus. Dann untersuche ich noch, ob und wie sich diese Werte bis heute erhalten oder gewandelt haben. Und da jede Kultur unterschiedliche Werte hat, gibt es alleine schon deshalb unterschiedliche Lebensauffassungen. Aber auch gleiche Werte haben in unterschiedlichen Kulturen verschiedene Bedeutungen.«
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