„Er ist...!“ Jorik stoppte kurz. „...tot!“
Nach einem Moment der Stille am anderen Ende der Leitung, erwiderte Vilo erschlagen. „Scheiße!“
„Verdammt!“ raunte Mavis. „Wie weit ist es mit uns gekommen, dass wir anfangen, uns jetzt schon selbst abzuschlachten?“
„Umso wichtiger ist unsere Mission!“ meinte Jorik.
Mavis atmete tief durch. „Du hast Recht! Wenn wir jetzt aufgeben, war Biggs Tod auf jeden Fall umsonst! Und das dürfen wir nicht zulassen!“
„Was also schlägst du vor?“ fragte Jorik.
„Wir machen uns auf die Suche. Ihr im Norden, wir in Tibun!“
„Was ist mit unseren Verfolgern?“
Darauf hatte Mavis im ersten Moment keine rechte Antwort.
„Ähm...ich habe da eine Idee!“ sagte plötzlich Shamos.
„Du?“ rief Mavis überrascht.
„Ja, Shamos?“ Jorik am anderen Ende der Leitung beugte sich zu dem Wissenschaftler und hörte, was der zu sagen hatte. Dabei nickte er mehrmals, bis er plötzlich rief. „Du hast was ?“ Dann hörte er ihm noch einige weitere Momente zu, bevor er sich wieder von ihm abwandte und zu Mavis sprach. „Wenn wir jetzt von hier verschwinden, ohne Vorkehrungen zu treffen, wird uns Narix orten können und zumindest ein Schiff weiterverfolgen. Und dafür sorgen, dass sich andere mit dem Zweiten beschäftigen!“ erklärte er.
„Und welche Vorkehrungen schlägt Shamos vor?“ fragte Mavis.
„Er hat da...etwas gebastelt!“
„Etwas... gebastelt ?“ Vilo betonte das letzte Wort besonders.
Jorik nickte und brummte. „Eine Bombe!“ Er schaute zu dem Wissenschaftler, der ihn nervös anblickte. „Eine...Plasmabombe!“
„Eine Plasma... was ?“ rief Mavis sofort total überrascht. „Aber...?“
„Moment!“ besänftigte Jorik sofort. „Keine Sorge. Es ist kein heißes Plasma, hat aber wohl...!“ Er schaute nochmals zu Shamos, der ihm zunickte. „...die gleiche Zerstörungskraft. Zumindest... theoretisch!“
„Was heißt denn... theoretisch ?“ wollte jetzt auch Idis wissen.
„Nun...!“ erwiderte Shamos und wirkte dabei fast, als wäre es ihm peinlich. „...ich konnte sie noch nicht testen!“
„Aha!“ meinte Mavis. “Und was soll uns diese Bombe jetzt bringen?“
„Wenn wir Narix und seinen Leuten weismachen könnten, dass wir hier alle draufgegangen sind, dann würde vielleicht niemand mehr nach uns suchen!“ erklärte Shamos.
Mavis am anderen Ende der Leitung zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe, weil er seinem Freund derartige Gedanken nicht zugetraut hätte und er – mal wieder – von Shamos eines Besseren belehrt wurde. „Da ist was dran!“ Er überlegte kurz und wandte sich dann an Cosco. „Gibt es hier einen Hinterausgang?“
Doch der Captain schüttelte den Kopf. „Alles was uns bleibt ist die Flucht über die Steilküste nach Osten!“ Er hielt kurz inne und schien kurz selbst zu überlegen. „Allerdings...!“
„Allerdings, was?“ raunte Mavis ungeduldig.
„Wenn Narix und sein Schiff noch unter Wasser sind...!“ erwiderte Kendig plötzlich, weil er den gleichen Gedanken, wie sein Vater, hatte. „...dann können sie nur das Sonar nutzen!“
„Und?“ Mavis schien nicht zu verstehen.
„Wenn wir über das Felsmassiv fliehen, brauchen sie zum Orten aber das Radar!“
„Wenn wir uns also schnell genug entschließen...!“ führte Kendig weiter aus. „...könnte es gelingen, dass wir die Schluchten im östlichen Boritas erreichen, bevor er auftaucht und sein Radar nutzen kann!“
„Ich verstehe!“ Mavis nickte mehrmals bedächtig und ein dünnes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Hat Jemand Einwände?“ fragte er sofort.
Doch niemand antwortete ihm.
„Also gut! Dann lasst es uns so machen! Shamos?“
„Ja?“
„Wie lässt sich dein Bömbchen denn zünden?“
„Per Fernsteuerung!“
„Dann platziert sie!“
„Schon geschehen!“ erwiderte Shamos mit fester Stimme und sorgte erneut für überraschte Blicke.
„Na dann!“ Mavis atmete einmal tief durch. „Nichts wie weg hier! Viel Glück für euch und eure Mission!“ Der Gesichtsausdruck des Commander wurde ernst und traurig.
„Danke!“ erwiderte Jorik nicht minder bewegt. „Euch auch!“
„Wo sehen wir uns wieder?“ fragte Vilo.
Mavis lachte auf. „Hey, wir haben einen Optimisten an Bord! Das kann ja nur schiefgehen!“
Für einen kurzen Moment war auf beiden Seiten leises Gelächter zu hören.
„Hier!“ meinte Jorik dann. „Wir treffen uns wieder hier!“
Mavis nickte. „Ja, warum eigentlich nicht?“ Er atmete nochmals tief durch. „Und jetzt Schluss damit! Auf Leute. Die Zukunft dieses Planeten wartet auf uns. Und wir sollten wirklich nicht zu spät kommen, oder?“ Er erhielt keine Antwort, doch das war ihm Antwort genug. „In diesem Sinne. Mavis Ende!“
Einen Augenblick später hatten sie einen freien Platz gefunden, dessen Decke zerstört war. Sofort begannen sie mit dem Aufstieg aus der Höhle an die Oberfläche. Kendig folgte seinem Vater dichtauf. Dabei steigerten sie die Geschwindigkeit beider Schiffe spürbar.
Cosco ließ die Nase der Kitaja abkippen, während er die Leistung der Haupttriebwerke nochmals rasant erhöhte. Mavis konnte die enorme Kraft der Maschinen spüren, während das Schiff sehr schnell beschleunigte und sie schon nach wenigen Sekunden mit Höchstgeschwindigkeit nur wenige Meter über der felsigen Oberfläche gen Osten jagten.
Wieder nur einige Momente später hörten sie hinter sich einen tiefen, lauten Knall und schon begann die Welt um sie herum zu erzittern.
Kaum größer als eine geballte Faust war es Shamos, diesem absolut brillanten Kopf gelungen, eine irrsinnige Menge Energie in seine Plasmabombe einzuschließen.
Innerhalb weniger Augenblicke brach die Hölle los.
Doch es waren keine Flammen, die in einer gewaltigen Explosion nach außen schossen, sondern lediglich eine unsichtbare Druckwelle, die mit Schallgeschwindigkeit agierte und dabei durch Nichts aufzuhalten war. Die Luft vibrierte um die unsichtbare Energie und es schien sich eine Art Welle zu bilden, die sich ringförmig von der Kugel her ausbreitete. Innerhalb eines Wimpernschlages traf sie auf die ersten Trümmerteile aus Felsgestein, doch durchschlug sie sie mühelos und pulverisierte sie zu Staub. Gleiches geschah mit der Felswand auf die sie dann traf. Der Stein zerbarst mit einer derartigen Wucht, als würde eine Riesenfaust ihn zermalmen und seine staubkleinen Trümmer schossen torpedogleich in alle Richtungen. Meter um Meter drang die unfassbare Energie, die Shamos geschaffen hatte, in den Felsen, durchschlug ihn nahezu ohne an zerstörerischer Wirkung zu verlieren, um schließlich die Steilwand komplett zu durchdringen und sich über dem galpagischen Ozean doch zu verlieren.
Zu diesem Zeitpunkt war der gesamte Höhlenkomplex längst seiner Stabilität beraubt worden und er donnerte mit einem irrsinnigen Getöse in sich zusammen. Eine fast einhundert Meter hohe Staubwolke zeugte von der Zerstörung des Haupttraktes des ehemaligen Stützpunktes.
Was die Fremden vor sieben Jahren nicht geschafft hatten, gelang der Plasmabombe: Kos Korros wurde innerhalb weniger Sekunden endgültig dem Erdboden gleichgemacht.
Und während sich die Talura langsam dem Stützpunkt näherte und schließlich auftauchte, um das Areal zu überfliegen, wurde Captain Narix angesichts der nahezu vollkommenen Zerstörung unter ihnen immer zufriedener. In seiner überheblichen Selbstüberschätzung konnte er jedoch natürlich nicht erkennen, dass in den Trümmern niemand von denen war, die er dort vermutete.
Denn die hatten die rettenden Schluchten im Osten von Boritas mittlerweile erreicht und konnten sich ungesehen ihrer Feinde ihren Zielen zuwenden.
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