„Es sei denn, was?“
„Ich bekomme nicht auf der Stelle etwas von deiner leckeren Mahlzeit und sterbe eines natürlichen Todes, in dem ich jämmerlich verhungere!“
Kaleena verzog die Mundwinkel und schüttelte den Kopf. „So siehst du auch aus!“ Sie drehte sich mit einem tiefen Atemzug zurück zu den Schalen. „Ich weiß auch gar nicht, was du hast, das ist doch bloß...!“
Doch Mavis hob die linke Hand und Kaleena stoppte. „Nein, sag es nicht. So wie es riecht, ist es lecker. Das reicht mir vollkommen!“ Er nahm sich eine leere, kleine Schüssel zur Hand und reichte sie seiner Freundin. „Also rein damit!“ Er hielt inne und lächelte sie freundlich an. „Bitte!“
Jetzt lächelte Kaleena ehrlich und offen. „Natürlich, mein Großer!“ Sie nahm einen Löffel und füllte etwa aus der großen Schale in die kleine Schüssel. „Hier!“ Sie reichte sie ihm zurück. „Lass es dir schmecken!“
„Danke!“ Mavis nahm sich einen Löffel von der Anrichte und begann sofort, ziemlich gierig zu schlingen. Als er seinen Mund zum ersten Mal gefüllt hatte, nickte er mit einem wollüstigen Stöhnen. „Prima!“ Dann wandte er sich ab.
„Mavis?“
„Ja?“ Er drehte sich zurück zu Kaleena.
„Ich habe es ernst gemeint. Niemand geht allein durchs Leben. Ich bin deine Freundin und ich liebe dich. Ich bin immer für dich da. Vergiss das nicht. Ganz besonders nicht, wenn das Licht im Tunnel so klein scheint, dass du es nicht mehr zu sehen glaubst!“
Mavis schaute sie wieder einen Moment ernst an, dann zeigte sich ein mildes Lächeln auf seinen Lippen. Er nickte mehrmals bedächtig. „Danke! Ich weiß das zu schätzen!“ Er hielt ihren Blick einen Augenblick fest. „Und ich werde auf dich zurück kommen...wenn es soweit ist!“ Dann wandte er sich ab und verließ den Raum.
Und während Kaleena ihm besorgt hinterher sah und hoffte, dass er sein Versprechen halten würde, hielt Mavis vor der geschlossenen Tür kurz inne, schloss die Augen, atmete tief durch und war sich mehr als sicher, dass es widerlich war, Freunden derart eiskalt ins Gesicht zu lügen.
Dann aber riss er sich zusammen und ging zu Tibak und seinen Männern.
„Wo ist Commander Vilo?“ fragte er, während er sich einen weiteren Löffel in den Mund schob. Wenngleich das Essen nach seinen Worten zu Kaleena auch seinen Reiz verloren hatte, wusste er doch, dass er Nahrung brauchte, um bei Kräften zu bleiben.
„Er ist mit seinem Sohn in eine der anderen Kabinen gegangen!“ antwortete Captain Tibak. „Ich denke, er wird auch schlafen!“
Mavis nickte. „Okay! Wenn mich Jemand suchen sollte, ich bin im Cockpit!“
Captain Cosco spürte immer deutlicher, dass sein Körper allmählich abbaute, auch weil der Flug durch das parulische Meer entlang der Küste nach Madori absolut eintönig war. Anfangs hatte er sich noch mit Pater Matu unterhalten und dabei festgestellt, dass der Priester in so ziemlich allen Belangen total anders war, als er ihn sich vorgestellt hatte. Schon allein sein militärischer Hintergrund war beachtlich. Die Geschichte aber, wie er dennoch ein Mann des Glaubens wurde, war wahrlich faszinierend und beeindruckend zugleich. Cosco erkannte in Matu einen Mann, der klare moralische Werte und ein großes Ehrgefühl besaß. Anders aber, als so viele Priester, die Cosco bisher kennengelernt hatte, war er dabei ehrlich und aufrichtig. Doch er war auch ein Mensch, der von Zweifeln und Ängsten geplagt wurde und dennoch niemals aufgeben würde, an sich und anderen zu arbeiten. Stets war er auf der Suche, sich selbst zu einem besseren Menschen und Santara zu einem besseren Ort zu machen, weshalb er keinerlei Zweifel daran ließ, das er all seine Kraft in den Kampf gegen ihre Aggressoren stecken würde.
Cosco war tief beeindruckt von Matu.
Natürlich redeten sie auch über ihn und seine Vergangenheit und der Pater war nicht minder interessiert und angetan von Coscos bisherigem Leben, doch irgendwann kam die Sprache natürlich auch auf seinen Sohn Kendig und die Unsicherheit und Sorge, ob es ihm und auch den anderen gut ging, drückte mächtig auf ihre Stimmung, sodass das Gespräch alsbald versiegte und jeder seinen eigenen Gedanken nachhing.
Anfangs war das noch angenehm, dann aber sehr schnell nur noch monoton und ermüdend.
Auch die Tatsache, dass sie die madorische Küste mittlerweile erreicht hatten und sich dem Gebiet, in dem sie auftauchen und die Landmasse überqueren wollten, näherten, konnte kaum für Begeisterung sorgen.
Und so sehnte sich Cosco allmählich danach, dass Commander Vilo ihn ablösen würde.
Auch Matu empfand die momentane Monotonie sehr ermüdend, doch konnte er Cosco verstehen, dass der keinen Spaß mehr an einer Unterhaltung hatte. Matu war erfreut gewesen, dass und wie sehr sein bisheriges Leben Cosco interessiert hatte. Deshalb hatte er sehr viel von sich erzählt, weil er ziemlich sicher war, dass der Captain vertrauenswürdig war. Auch an Coscos Geschichte fand Matu reges Interesse, doch als die Sprache auf seinen Sohn Kendig kam, wurde der Captain zusehends ernster und wortkarger.
Matu beschloss daraufhin, nicht weiter zu fragen und er konnte sehen, dass Cosco ihm dafür dankbar war.
Es blieb dann für beide jedoch nur noch, ihren eigenen Gedanken nachzuhängen und das war eine äußerst monotone Angelegenheit.
So hoffte auch Matu darauf, bald abgelöst zu werden.
Als Mavis in das Cockpit kam, hatte er sein Essen beinahe komplett vertilgt. Nur noch ein kleiner Rest befand sich in der Schale.
Wortlos stellte er sich zwischen Piloten- und Kopilotensitz und legte seine Unterarme auf die Sessellehnen. Ein Blick aus der Fronscheibe sagte ihm, dass auch in diesem Teil des Meeres von der einst schillernden Farben- und Lebenspracht nichts zurückgeblieben war außer einer ekelhaften, leblosen Brühe, durch die die Kitaja ihrem Ziel entgegenpflügte. Doch Mavis hatte diesen Anblick schon oft genug ertragen müssen, sodass er lediglich angewidert seine Nase rümpfte und stattdessen in seine Schale blickte.
„Commander!“ rief Cosco dann aber erfreut und schaute kurz neben sich. Sogleich blickte auch Matu in seine Richtung und in seinem Blick glaubte Mavis Erleichterung zu sehen.
„Captain!“ Mavis lächelte kurz. „Wie ist die Lage?“
„Keine besonderen Vorkommnisse!“ erwiderte Cosco sichtlich unmotiviert.
„Na, na!“ meinte Mavis daraufhin mit einem kurzen Lacher. „Das hört sich ja gerade so an, als wäre ihnen ein bisschen Hektik, Panik und Irrsinn lieber!?“
„Besser, als sich den Hintern platt zu sitzen...!“ erwiderte Matu ebenfalls angesäuert. „...wäre es schon, ja!“
Mavis lächelte den Pater an, dann warf er einen Blick auf das Sonargerät. „Na, so wie es aussieht, haben wir die Küste Madoris ja fast erreicht und können auftauchen!“
Cosco nickte. „In einer Minute!“
„Was ist in einer Minute?“
Alle Köpfe wirbelten herum und sie waren sichtlich überrascht, dass sich Vilo lautlos und unbemerkt herangeschlichen hatte.
Mavis aber konnte beim Anblick seines Freundes einen gewissen Zorn noch immer nicht unterdrücken und so wurde sein Blick ernst und säuerlich. „Sind immerhin schon acht Stunden vergangen, ohne dass du uns ein weiteres Mal verraten hättest!“ Ob das jetzt so stimmte, war ihm ziemlich egal, Hauptsache, er bekam damit das fröhliche Grinsen aus dem Gesicht seines Gegenübers.
Er brauchte keine Sekunde darauf zu warten. „Was?“ Vilo war sichtlich geschockt. „Mann Mavis, also ehrlich, ich...!“ Seine Miene wirkte deutlich gequält.
„Ja, ja, schon gut!“ wehrte Mavis ab. Während er zufrieden damit war, Vilo seinen Fehltritt nochmals vor Augen geführt zu haben, entspannten sich auch Cosco und Matu, die sichtlich Schlimmeres befürchtet hatten. „Reg dich ab. War nur ein kleiner Rippenstoß!“ Er blickte Vilo mit einem freudlosen Lächeln an, dann wurde sein Blick schlagartig ernst. „Diese Sache ist noch nicht ausgestanden. Wir werden ganz sicher noch darüber reden!“ Sein rechtes Auge verengte sich zu einem Schlitz. „Aber nicht hier und jetzt. Jetzt werden wir erst mal auftauchen!“
Читать дальше