1 ...7 8 9 11 12 13 ...44 Wieder stemmte sie ihre Beine gegen die Felswand und lief so am ausgetreckten Seil quasi in einem Halbkreis auf die andere Seite in Richtung Kalipos und den anderen. Schon konnte sie sehen, wie der Anführer zu Boden fiel, seinen Oberkörper über die Kante schob und die Arme nach ihr ausstreckte.
Plötzlich begann die gesamte Felswand zu erzittern, als die Handgranate explodierte und ihre tödliche Energie freigab. Inmitten dieses ohrenbetäubenden Krachens waren deutliche Schreie von sterbenden Bestien zu hören. Außerdem das Geräusch von Körpern, die zerfetzt wurden und zerplatzten. Eine wahre Welle aus Blut und Gliedmaßen schoss aus dem Gang, in dem die Monster standen und klatschte lautstark in den See.
Melia hatte Mühe, ihre Beine durchgedrückt zu halten und sie drohte abzurutschen. Mit einem gequälten Aufschrei aber gelangte sie tatsächlich in die Höhe, wo sie Kalipos Hände hätte ergreifen können.
Doch mitten hinein in den verhallenden Donner der Granatenexplosionen war das deutliche Kreischen von Insektenbestien zu hören und Melia war sofort klar, dass ihre Aktion zwar gut, aber nicht gut genug gewesen war.
Kalipos streckte sich soweit er nur konnte. Mit etwas Glück würde er Melia ergreifen können. Ganz sicher, wenn sie ihm ihrerseits dabei half. Doch echtes Entsetzen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er erkannte, dass sie genau dies nicht tat.
Kaum einen Meter unter ihm legte sie ihren ausgestreckten rechten Arm wieder an das Seil vor ihrem Körper und versteifte sich zusehends. „Bin gleich zurück!“ rief sie mit einem Lächeln auf den Lippen, das Kalipos angesichts dieser irren und bedrohlichen Situation vollkommen unverständlich war.
Doch er hatte keinerlei Einfluss auf ihr Handeln. „Nein, nicht!“ stieß er noch verzweifelt hervor und konnte doch nur hilflos mit ansehen, wie seine Freundin an der Felswand entlang ein weiteres Mal zur anderen Seite lief.
In den ersten beiden Sekunden konzentrierte sich Melia einzig darauf, genug Schwung zu holen, um auf der anderen Seite so hoch wie möglich, mindestens aber so hoch wie nötig zu kommen.
Ihre Beine schmerzten tierisch, ihre Lungen kochten beinahe, ihr ganzer Körper rebellierte gegen diese hohe Belastung.
Dennoch ließ sie nicht nach, holte alles aus sich heraus und es gelang ihr schließlich wirklich auf der anderen Seite so hoch zu gelangen, dass sie ihren rechten Fuß auf die Felskante stemmen und sich letztlich gänzlich in den Gang dort hineinziehen konnte.
Während sie die zerfetzten Körper von mindestens drei Insektenbestien erkennen konnte, riss sie ihr Gewehr in einer schnellen und flüssigen Bewegung aus der Arretierung im Rücken.
Plötzlich nahm sie Bewegung vor sich wahr und schon stürmten zwei noch lebende Monster mit wütenden Schreien auf sie zu. Melia hielt die Waffe mit beiden Händen fest vor ihren Körper und drückte dann einfach ab. Die Projektile donnerten mit einem Höllenlärm auf ihre Gegner zu, doch konnten sie natürlich nicht die gleiche Wirkung erzielen, wie eine Granate. Während ihre Körper unter den unzähligen Einschlägen zuckten, stürmten sie unbeirrt auf Melia zu und kamen bedrohlich nahe.
Angesichts der furchtbaren Klauen und des widerlichen Kreischens der Bestien begann Melia zu schreien, auch, weil sie das Gefühl hatte, dass ihr ganzer Körper unter der Kraft der Gewehrsalve zu vibrieren schien.
Zwei Meter, bevor sie sie erreicht hatten, knickten bei dem vorderen Monster die Vorderbeine weg und es krachte mit einem schmerzhaften Aufschrei rüde zu Boden, wo einige weitere Projektile den Schädel immer mehr zerfetzten, bis eine Blutfontäne in die Höhe schoss und den Tod der Kreatur besiegelte.
Für den Hauch einer Sekunde überkam Melia ein Glücksgefühl, dann sah sie, wie die letzte noch lebende Bestie hinter ihrem Gefährten hervorschoss und einen gewaltigen Satz in ihre Richtung machte.
Melia schrie noch lauter, riss die Waffe ein wenig in die Höhe. Mit seiner Aktion war das Monster innerhalb eines Augenblicks direkt vor Melia, doch entblößte es dadurch auch seine Brust, in die jetzt die Gewehrkugeln ungehindert eindringen konnten und lebenswichtige Organe zerstörten.
Mitten hinein in ihren Sprung mischte sich deshalb ein letzter, erstickter Schrei. Als die Kreatur etwa einen Meter vor Melia wieder auf dem Boden aufsetzte, war sie bereits tot. Das gesamte Gewicht ihres Körpers donnerte auf den Felsen, ihre Klauen zerbrachen mit einem widerlichen Knacken.
Wieder empfand Melia für den Hauch eines Sekundenbruchteils so etwas wie Freude, dann erkannte sie, dass der tote Körper der Bestie nicht zum Erliegen kam, sondern noch immer genug Schwung besaß, um jetzt wie eine schwarze Lawine auf sie zuzurollen.
Instinktiv sprang sie nach rechts, drückte ihren Körper gegen die Wand des Ganges, während die Bestie an ihr vorbeirauschte.
Und fast schien es, als sollte sie Glück haben, doch dann verfing sich eine der gebrochenen Klauen des Monsters in ihrem Seil. In dem Moment, da die Kreatur über die Felsenkante hinweg in die Tiefe polterte, erkannte Melia mit entsetztem Blick ihr Unglück. Doch da war es zu einer Reaktion schon zu spät. Einen Augenblick später rauschte das Seil in die Tiefe und eine schreiende Melia mit ihm.
Es war wirklich zum verrückt werden, doch Chalek verspürte eher Wut auf sich selbst, als aufsteigenden Irrsinn.
Er hielt sich absolut nicht für einen ängstlichen Jungen. Er war ganz im Gegenteil sicher, dass er ausgesprochen mutig war. Nicht umsonst hatte er keine Probleme damit, auch nachts allein auf dem Plateau herumzuschleichen. Und doch – jedes Mal, wenn er eine dieser furchtbaren Insektenbestien auch nur zu sehen bekam, schien er für eine gewisse Zeit wie gelähmt vor Angst, bis er sich endlich zusammenreißen und agieren konnte. Ihm war bewusst, dass dies eines Tages sein Todesurteil sein mochte, doch gab es nichts, was er dagegen tun konnte.
So auch dieses Mal. Kaum hatte er das Monstrum in dem Bergsee unter ihnen gesehen, verkrampfte sich alles in ihm wieder vollständig. Und nicht nur das. Dieses Mal schien die Reaktion ganz besonders heftig zu wirken, denn er brauchte deutlich länger, als sonst, um wieder zu sich zu kommen. Chalek führte dies darauf zurück, dass er absolut nicht damit gerechnet hatte, diesen Kreaturen hier und auf diese Art und Weise zu begegnen. Der Schock darüber war wuchtig und allumfassend.
Natürlich aber war er nicht unfähig, seine Umgebung zu realisieren und so bekam er mit, das und was Melia tat, um ihre Feinde zu eliminieren. Wieder war er sich mehr als bewusst, welch außergewöhnlicher Mensch seine Barie war. Sie war die schönste Frau, der er je begegnet war, die Aufrichtigste und Emotionalste, aber auch die Verwirrteste - und ganz sicher die Mutigste.
Und mit dieser inneren Stärke handelte sie dort, wo alle anderen zögerten und erstarrten. Doch Chalek konnte es förmlich spüren, dass dieser Gegner mächtiger war, als zu befürchten.
Und so nahm er all seine Kraft und all seinen Mut zusammen, um sich letztlich aus seiner widerlichen Lethargie zu befreien. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte sich Melia längst das Seil von Kalipos genommen und eine Handgranate und war einfach von der Felskante gesprungen.
Völlig entsetzt sprang er neben den Anführer und ließ sich auf die Knie sinken. da sah er seine Freundin die Granate abliefern und an dem ausgestreckten Seil zu ihnen zurückkommen. Kalipos neben ihm legte sich flach nieder, schob seinen Oberkörper über den Rand und streckte seine Arme nach ihr aus. Doch gerade als Chalek es ihm gleichtun wollte, war klar, dass die Explosion der Granate nicht alle Bestien getötet hatte und so griff Melia nicht zu, sondern rannte ein zweites Mal zur anderen Seite. Während Chalek neben Kalipos rutschte und seinen Oberkörper soweit es nur ging über die Felskante schob, hörte er Gewehrfeuer, das Quieken und Brüllen der Bestien und die Schreie seiner Freundin. Obwohl er angestrengt nach rechts schaute, konnte er kaum etwas erkennen.
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