„Blödsinn, das ist technisch gar nicht machbar. Der Nullzeit-Sturz mit Hiromata funktioniert nur bei exakt Lichtgeschwindigkeit.“
„Dann sieh es dir doch selber an“, fauchte John und deutete auf seine Anzeigen.
„Er hat recht“, bestätigte Madeleine nun. „Meine Sensoren zeigen dass die sieben neuen Objekte mit Überlicht aus dem Sturz gekommen sind.“
„Das kann kein Handelskonvoi sein.“ Frederic strich sich nervös über den Nacken. „Zwei oder drei Schiffe… Okay. Aber keine Sieben. John, strahl die Unbekannten mit Echoimpuls an.“
„Vielleicht macht die Navy ein Manöver?“, fragte Madeleine.
Der Schichtleiter schüttelte den Kopf. „Das hätten die Navy angekündigt. John, eine Antwort?“
Der war nun sichtlich blass. „Kein Echo, Boss. Gütiger Himmel, was ist hier los?“
„Die Fremden haben genauen Kurs auf uns“, meldete Madeleine.
„Sind jetzt dicht hinter der Laura Lee .“ John stieß einen Schrei aus. „Die Laura Lee ist weg, Boss!“
„Was soll das heißen… Weg?“
„Das sie nicht mehr da ist.“ Auf Johns Stirn erschienen Schweißperlen. „Ich habe an ihrer Position nur noch ein diffuses Echo. Wie von… Wie von einem Trümmerfeld.“
„Verdammt, John, gib mir ein Bild. Irgendein Bild. Ich brauche ein Bild. Ich muss wissen, mit wem wir es zu tun haben.“
Frederic starrte durch die Klarstahlkuppel in den Raum hinaus. In jene Richtung aus der die unbekannten Schiffe kommen mussten. Natürlich war es illusorisch sie mit bloßem Auge erkennen zu wollen. „Ich muss das Gouvernement verständigen“, murmelte er. „Ob die schwarze Bruderschaft der Piraten auferstanden ist? Grundgütiger… Sieben Schiffe.“
Die Sensor-Technikerin hatte seine leisen Worte gehört. „Es sind sicher keine schwarzen Schiffe. Auf jeden Fall müssen Sie Regan alarmieren, Boss.“
„Ich weiß doch gar nicht, was oder wer sich uns da nähert“, ächzte Frederic unentschlossen. „Vielleicht ist es doch die Navy.“
„Blödsinn!“, fauchte Madeleine. „Die Navy hätte sich identifiziert. Verdammt, die Laura Lee ist verschwunden und sieben Schiffe kommen auf uns zu! Ich glaube nicht, dass sie uns freundlich gesonnen sind. Boss, verdammt, geben Sie Alarm!“
Frederic behielt immer die Ruhe und die Übersicht. Das war sogar vor zwei Jahren der Fall gewesen, als ein Cargo-Liner mit einem Touristenschiff der „My Starship“-Reederei kollidiert war. Kurz vor dem Andocken an die Orbitalstation. Dutzende waren damals gestorben, viele wurden schwer verletzt. Im Angesicht des Grauens war Frederic besonnen geblieben, hatte die Rettungsträger der Sky-Navy gerufen und die Hilfeleistung geleitet, bis die Kavallerie eingetroffen war. Doch jetzt war er unentschlossen, sah sich mit Etwas konfrontiert, dass er nicht einordnen konnte.
„Ich, äh, ich…“
„Verdammt!“ Madeleine erhob sich, drängte Frederic zur Seite und hieb mit der geballten Faust auf den Knopf des Generalalarms, der, bei Kollisionsgefahr mit Meteoriten oder Raumschiffen, eine Kette von Maßnahmen auslöste.
In der Station wurde auf- und abschwellendes Heulen hörbar. Rote Warnlichter blitzten in jedem Raum und die Sicherheitsschotts begannen sich zu schließen. Im Augenblick waren keine Raumschiffe angedockt, nur eines der planetaren Pendler-Shuttles. Die wenigen Menschen in der Station verharrten erschrocken, bis sie den Ernst der Situation begriffen und hastig versuchten, die Raumanzüge anzulegen.
„Ich habe ein Bild!“, schrie John erregt. „Himmel, seht euch das an!“
Madeleine warf nur einen kurzen Blick auf den Monitor und stellte hastig eine Verbindung zum Gouvernement von Regan III. her, um der planetaren Regierung eine Warnung durchzugeben. John und Frederic starrten hingegen schockiert auf die dreidimensionale Darstellung des Bildschirms.
Die Bilderfassung zeigte nur drei der sieben fremden Objekte, die einander aufs Haar glichen. Perfekte Kugeln aus einem Material, welches in seidigem Grün schimmerte. Die Hüllen waren vollkommen glatt. Es gab keine Fugen, Vertiefungen oder Vorsprünge. Keine erkennbaren Luken oder Lichter.
„Das sind Fremde. Aliens“, ächzte John.
„Die Schiffe sind wunderschön.“ Frederic lächelte verzerrt. „Vielleicht… Vielleicht kommen sie ja in Frieden.“
„Und vernichten die Laura Lee ?“
„Das wissen wir nicht.“
„Chief-Controller?“ Madeleine sprach Frederic mit seinem offiziellen Titel an. „Ich habe die Zentrale des Gouvernements in der Leitung.“
Frederic wischte erneut über seinen Nacken und wandte sich ihr zu. „Ja, sicher, die Zentrale. Sagen Sie denen… Nein, ich sage es lieber selber.“ Er machte Anstalten zu ihr zu gehen, doch ein Ruf von John hielt ihn zurück.
„Sie drehen bei! Boss, das sind keine Kugeln!“
Frederic fuhr herum. Die fremden Schiffe schienen auseinander zu fächern und begannen dabei der Station ihre Seiten zu zeigen. Nun wurde ersichtlich, dass die Schiffe nicht aus einer einzelnen Kugel bestanden, sondern aus dreien, wobei die mittlere deutlich kleiner als die vordere und hintere war.
„Ich glaube, da öffnet sich ein Schlitz.“ John wies instinktiv auf den Monitor.
Frederic blickte hingegen in den Weltraum hinaus und erschrak. Er konnte vier der sieben Schiffe nun mit bloßem Auge erkennen. Sie mussten der Station sehr nahe sein.
Madeleine war leichenblass, als sie den Beamten auf dem Bildschirm ihres Funkgerätes ansah. „Wir haben hier sieben fremde Schiffe und…“
An einem der Kugelschiffe blitzte es auf.
Ein gleißender Strahl aus reinem Gold schien nach der Station zu tasten. Sofort folgten ein zweiter und dritter.
„Grundgütiger“, stöhnte Frederic. „Das ist ein Angriff.“
Der Beamte am Funk hatte mitgehört. „Geben Sie Notimpuls an die Navy!“
Madeleine tastete blindlings nach dem plombierten Schalter, doch sie kam nicht mehr dazu, ihn zu betätigen.
Die Strahlen hatten die Orbitalstation im Hauptsegment getroffen. Scheinbar widerstandslos glitten sie durch den Tri-Stahl, der im Bereich der Einschüsse aufglühte. Die goldenen Lichtfinger durchschlugen Zwischenwände, Gegenstände und zwei der Besatzungsmitglieder, bevor sie auf der anderen Seite wieder austraten. Die Kanäle der Durchschüsse durchmaßen fast einen Meter, aber es kam zu keiner explosiven Dekompression. Die enorme Hitze entzündete schlagartig die Atmosphäre der getroffenen Räume und der Explosionsdruck ließ das Hauptsegment zerbersten. Der turmartige Aufbau mit der Kuppel der Zentrale wurde davon gewirbelt.
Schlagartig war die Zentrale ohne Energie. Wie gelähmt starrte Madeleine durch den Klarstahl hinaus. Die Sterne und Regan III. schienen wild um sie herum zu kreisen, doch seltsamerweise galt das nicht für eines der fremden Schiffe. Sie klammerte sich an einer Strebe fest und sah auf den Angreifer, der immer näher kam, als wolle er die Folgen seines Handelns aus allernächster Nähe begutachten.
Dann war da nur noch der goldene Strahl, der alles auslöschte.
Kapitel 2 Kein Kontakt zu Regan III.
D.S. Moskva, Kreuzer, APS-Klasse, Registernummer 79 und
D.S. Bulkhead, FLV-Patrolboat, Registernummer FLV-PB-426, auf Patrouille
Die Sky-Navy hatte nicht genügend Schiffe. Wenn man ihre zahlreichen Aufgaben und die neue Expansionswelle der Menschheit bedachte, war dies auch kein Wunder. Die Navy war ja nicht nur die Kampfflotte des geeinten Direktorats, sondern auch mit vielen Routineaufgaben befasst, zu denen Patrouillen und Eskortendienst gehörten. Die Flotte musste Präsenz bei den besiedelten Welten zeigen, damit die Menschen sich nicht schutzlos fühlten. Ferner gehörte die Erforschung des Weltraums und dessen Kartierung dazu. Der Weltraum war kein statisches Gebilde, denn Planeten und Sonnensysteme befanden sich in steter Bewegung. Ein Navigator konnte nicht einfach ein Ziel anvisieren und in gerader Linie darauf zu fliegen. Man musste vielmehr berechnen, wo es sich zum Zeitpunkt der geplanten Ankunft befinden würde. Mit der Entwicklung des Hiromata-Nullzeit-Sturzantriebs erlangte die exakte Vorausberechnung eine besondere Bedeutung, denn niemand hatte ein Interesse daran, in gefährlicher Nähe zu einem Objekt aus dem Sturz zu kommen. Private, kommerzielle und behördliche Schiffe ermittelten Daten und gaben sie zur Aktualisierung des Kartenmaterials an das Zentralarchiv auf dem Mars weiter.
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