„West or east?“
„How?“
„Do you hear or see no newscast? Germany has been divided into East and West since '49! West Germany is a democratic state and is supported by the United States. East Germany calls itself a democratic state, but cooperates with the USSR. Pretty tricky situation!“
Hören oder sehen Sie keine Nachrichtensendung? Deutschland ist seit '49 in Ost und West geteilt! Westdeutschland ist ein demokratischer Staat und wird von den Vereinigten Staaten unterstützt. Ostdeutschland nennt sich demokratischer Staat, kooperiert aber mit der UdSSR. Ziemlich heikle Situation!
„I understand, Doc. Mrs. Gruber was born in West Germany, according to the receipt! Here it is in my list. "
„Ich verstehe, Doc. Frau Gruber ist laut Einweisungsbeleg in Westdeutschland geboren! Hier steht es so in meiner Liste. “
Die Krankenschwester hielt dem Arzt eine Schreibunterlage hin, die er aber nicht zur Kenntnis nahm, stattdessen sagte er mit tiefer Stimme ins Zimmer hinein:
„If it were otherwise, a female spy could be in bed?“
Wenn es sich anders verhielte, könnte ein weiblicher Spion im Bett liegen?
Als Ann ‚Spionin‘, Amerikanisch-Englisch ausgesprochen, hörte, schlug sie die Augen auf, versuchte, etwas zu sagen, was ihr aber unverzüglich im Hals stecken blieb. Der sich auf dem Bettrand setzende Arzt beugte sich seiner Fragen aufwerfenden Patientin zu und fragte erstaunt, sie scharf anblickend:
„Why do you understand me so well? That's crazy! Maybe you have been to the USA more often?“
Warum verstehen Sie mich so gut? Das ist verrückt! Vielleicht waren Sie ja schon häufiger in den USA?
Ihre Schulter vorsichtig streichelnd, sprach der Arzt sorgsam leise weiter:
„When you were still in a coma, we did not know what to do. Maybe we'll bring you back, maybe not!? What a surprise, after weeks you have now woken up! You will gradually recover, I promise you! Nothing is as important in your condition as sleep. That the ocean spit you out again is a miracle. We take care of your health from now on. Sleep well, see you soon, Ms. Gruber.“
„Als Sie noch im Koma lagen, wussten wir nicht weiter. Vielleicht holen wir Sie wieder zurück, vielleicht auch nicht!? Welch eine Überraschung, nach Wochen sind Sie nun wieder aufgewacht! Sie werden sich allmählich erholen, das verspreche ich Ihnen! Nichts ist in Ihrem Zustand so wichtig wie Schlaf. Dass der Ozean Sie wieder ausgespuckt hat, ist ein Wunder. Wir kümmern uns ab jetzt um Ihre Gesundheit. Schlafen Sie gut, bis bald, Frau Gruber. “
Da fiel dieser unbekannte Nachname schon wieder, allerdings mit deutscher Anrede: Frau Gruber? Warum verwendete der Arzt gerade diesen Namen, den ich noch nie vorher vernommen habe?
Aber auch ein anderer Name, so sehr sie auch überlegte, kam ihr nicht in den Sinn. Sollte ‚Gruber‘ wirklich mein echter Name sein? Gab es keinen anderen mehr in meiner Erinnerung? Woher kam ‚Gruber‘? Dieser für fremd empfundene deutsche Name, Margarete Gruber, welcher schon in seiner Lautung so unangenehm kühl klang!?
So sehr die Alleingelassene sich auch suchte, zu erinnern, eine Namensalternative, wie sie anders geheißen haben könnte, schälte sich nicht heraus. Aber noch etwas anders entzog sich ihr voll und ganz. Sie schafft es nicht, sich zu erinnern, was überhaupt mir ihr passiert war, wie sie in dieses Krankenhausbett kam. Wie kam sie überhaupt in diesen Hurrikan, von dem sie mehrfach hatte sprechen hören? Warum überhaupt hatte sie gerettet werden müssen und warum musste sie das Ärgste erst überstehen, um in so einem Krankenbett vier Wochen später aufzuwachen? Fragen, die ihr durch den Kopf gingen, allerdings fehlte es an Erinnerung an eine Zeit davor. Nicht mal ein Ansatz, kein Gesicht, keine Geschichte, nichts Verwertbares – nichts! Sie ließ ihren Blick in eine Deckenecke hineinstreifen. Warum lag ich hier? Warum beugten sich freundlich lächelnde Gesichter über mich? Diese Gesichter wirkten so ganz anders, als harte, feiste Visagen einer finsteren, unaufgeschlossenen Vergangenheit?
Was war passiert.
Vor über vier Wochen, Mitte August. Schildkrötengleich langsam kroch, sich auf Knien und Armen mühevoll vorwärtsstemmend, ein klitschnasser, dürrer Frauenkörper im Nachthemd über einen sonnenausgedörrten Sandstrand auf sich in Sichtweite erhebende Sanddünen zu. Die sich nach kurzem oder längerem Zusammensinken vorwärtsplagende Überlebende war wohl in den Stunden, seit sie eine Schleifspur hinter sich herzog, nicht sehr weit vorangekommen. Denn das windbewegt gischtende Meer hinter ihrer Schleifspur lag um einiges näher, als die sich auftürmenden Dünen in Sichtweite. Umgeben von Müll, Unrat, Tang, hinter sich das Getöse brechender Wellen, sank sie, kaum, dass sie etwa eine halbe Körperlänge weitergekrochen war, erschöpft in sich zusammen, wie so oft schon, ermattet, harrte sie solange in gleißenden Sonnenstrahlen aus, bis sie erneut ein wenig Kraft für die nächste Überwindungs- und Kriechetappe geschöpft hatte.
Auch nach Stunden hatte sich ihre Kriechspur quer über den Sandstrand nicht wirklich verlängert. Wohin auch sollte sie kriechen? Denn außer grasbewachsenen Dünen in Perspektive, begrenzt von einem mehrfach eingeknickten Drahtzaun, bot dieser ansonsten menschenleere Ostküstenstrand nichts, woran sich orientieren ließe.
Das Sonnenlicht strahlte äußerst heiß auf ihren Rücken, sodass sie, wenn Temperaturen am höchsten waren, liegen blieb, wartete, bis sich die Sonne senkte oder auch mal wolkenverzogen ganz verschwand. Zuerst wurde es Abend, dann dämmerte es, dann wurde es Nacht, blicklos finster und kühl. Vom Meer spürte sie diese herwehende Kühle und nahm einige Male aufleuchtende Augen in einiger Distanz wahr, die sich ihr nicht zu nähern wagten. Vollkommen entkräftet, hungrig, durstig, schlief sie ein. Als allmählich Tag anbrach, pickten Möven und andere Seevögel links und rechts von ihr.
Kaum war sie eine Körperlänge weitergekrochen, sank sie in sich zusammen, spürte wie schon so oft in vergangenen Stunden steinigen Sand unter sich. Ihre Hände, und alles sonst, schmerzten. Die aufgehende brennende Sonne, der unstillbare Durst, ihre im dauernden Bewegungskampf grenzwertiger werdende und mehr und mehr auslaugende Mattigkeit – so würde sie es nicht überstehen!? Trotzdem stemmte sie sich, immer wieder von Neuem ansetzend, voran. Auch weil etwas in ihr mahnte, nicht aufzugeben, nicht liegen zu bleiben, dem drohenden Kollaps noch ein Schnippchen schlagen zu können.
Mehrere Fuß weit vor einem schiefen Holzpfosten, der ihr ihren Kriechpfad verstellte, lag ein abgebrochenes Blechschild, verdreckt im Sand. Sie stemmte sich ein wenig zur Seite, bis ihr Kopf über dem entdeckten Schildteil hing. Sie pustete mit aller Kraft, welche ihre Lunge noch aufbrachte, den Sand weg, setzte mehrmals an, las Buchstabe für Buchstabe und entzifferte so die beiden Wörter: ‚Kill Devil‘. Wo könnte das sein, ein Ort namens ‘Kill Devil’? Der Name hörte sich an wie ein Ort, an dem niemand gerne strandet. Ein Ortsname am Ostküstenstrand des Atlantischen Ozeans, der sich eher als Attentatsaufforderung für Apostel anpries. ‚Hills‘ fehlte als drittes Wort, was eine nahe Ortschaft verwiesen hätte. Einer ziemlich kleinen Ortschaft, welche auf einer langen, schmalen und leicht gebogenen Halbinsel, namens ‚Bodie Islands‘ lag, welche dem Festland North Carolinas vorgelagert war.
Stunden später, die Hitze war einfach zu drückend, um weiterzukriechen, hörte sie plötzlich von den Dünen her zuerst kichern, dann ziemlich ausgelassen redende Stimmen, welche sich ihr aus einem nicht sichtbaren Winkel näherten. Kurz danach näherten sich eilige Laufschritte, welche Sand aufwühlten, welchen sie auf ihrem Rücken spürte. Beim Versuch, ihren Kopf in Hörrichtung zu wenden, versagten jedoch ihre noch vorhandenen Körperkräfte. Sie ließ also geschehen, was nicht mehr aufzuhalten war. Sie war entdeckt, ihre Rettung sollte nah sein.
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