Lisa Kohl
Auf den Wolf gekommen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Lisa Kohl Auf den Wolf gekommen Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog Prolog „ Die Ehrfurcht ist das tiefste und größte Gefühl, dessen ein Mensch einem andern Wesen gegenüber fähig ist.“ (Albert Schweitzer) „ Der Wolf ist zurück in Deutschland, und er ist hier, um zu bleiben, ob uns das gefällt oder nicht. Streng geschützt, breitet er sich aus, sucht neue Reviere in Bundesländern, die bisher ‚wolfsfrei‘ waren, gründet Familien und zieht seinen Nachwuchs auf. Theoretisch kann heute fast überall ein Wolf auftauchen. Die Unsicherheit, wie wir mit ihm umgehen sollen, ist groß, ebenso wie die Angst, die manche Interessengruppen bewusst schüren. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber. Vermutlich liegt es in unserer Natur, etwas Unheilvolles in dem anzunehmen, was wir nicht verstehen und nicht kontrollieren können. Dennoch wundern wir uns, dass sich angeblich so viele Menschen vor einem Tier fürchten, dessen Sozialverhalten und Familienleben dem unseren so ähnlich ist (…).“ (Günther Bloch & Elli H. Radinger, Der Wolf kehrt zurück, 2017) Nach zweihundert wolfslosen Jahren war er plötzlich wieder da. Er stand im Schutz des Waldrandes und beobachtete die Schafe auf der Weide vor ihm. Neugierig trat er einen Schritt näher – einen einzigen kleinen Schritt – und reckte seine witternde Nase durch die Maschen des Zauns. Er sah, wie sich die Schafe nervös aneinanderdrängten, hörte ihre kleinen Herzen wild schlagen – was er nicht hörte, war der Auslöser der Wildkamera am Stamm der Eiche neben ihm, was er nicht sah, war der Schwarzlichtblitz. Er hatte nur Augen für seine nächste Mahlzeit, die…verstört wich er zurück. Was zum Teufel war das denn gewesen? Kurz rieb er sich mit der Pfote die schmerzende Nase und nahm dann, so schnell er konnte, Reißaus. Wäre der Wolf der Wildkamera nicht unmittelbar vor die Linse gelaufen, hätte er womöglich einen friedlichen Winter erlebt, unentdeckt und unbehelligt. Und auch die Einwohner Mühlenbachs, die mit der bevorstehenden Bürgermeisterwahl und dem obligatorischen Klatsch und Tratsch ohnehin genug zu tun hatten, wären wolflos glücklich gewesen. Aber das Schicksal hatte – wie so oft – andere Pläne…
So ein Wolf, das ist ein Raubtier!
Eine Wolfsforscherin aus der Großstadt
Ich will Ihnen ja helfen, wenn Sie mich lassen
Boggis, Bunce & Bean
Ohne Punkt und ohne Komma
Angel
Von Städten und anderen einsamen Orten
Mühlenbacher Markttag
Die Alte und das Biest
Nicht mehr wert, aber ebenso viel
Manchmal ist das leider so
Ein totes Schaf
Der Wolfsenthusiast
Jeder muss sich an irgendetwas festhalten
Nachts im Winterswald
Leben inmitten von Leben
Der Tod verändert alles
Es sind zwei
Überleben allein
Nachts um halb drei
Kriegsrat
Die Höhle des Löwen
Offenbarung
Eine andere Wahrheit
Freiheit
Epilog
Impressum neobooks
„ Die Ehrfurcht ist das tiefste und größte Gefühl, dessen ein Mensch einem andern Wesen gegenüber fähig ist.“
(Albert Schweitzer)
„ Der Wolf ist zurück in Deutschland, und er ist hier, um zu bleiben, ob uns das gefällt oder nicht. Streng geschützt, breitet er sich aus, sucht neue Reviere in Bundesländern, die bisher ‚wolfsfrei‘ waren, gründet Familien und zieht seinen Nachwuchs auf. Theoretisch kann heute fast überall ein Wolf auftauchen. Die Unsicherheit, wie wir mit ihm umgehen sollen, ist groß, ebenso wie die Angst, die manche Interessengruppen bewusst schüren. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber. Vermutlich liegt es in unserer Natur, etwas Unheilvolles in dem anzunehmen, was wir nicht verstehen und nicht kontrollieren können. Dennoch wundern wir uns, dass sich angeblich so viele Menschen vor einem Tier fürchten, dessen Sozialverhalten und Familienleben dem unseren so ähnlich ist (…).“
(Günther Bloch & Elli H. Radinger, Der Wolf kehrt zurück, 2017)
Nach zweihundert wolfslosen Jahren war er plötzlich wieder da. Er stand im Schutz des Waldrandes und beobachtete die Schafe auf der Weide vor ihm. Neugierig trat er einen Schritt näher – einen einzigen kleinen Schritt – und reckte seine witternde Nase durch die Maschen des Zauns. Er sah, wie sich die Schafe nervös aneinanderdrängten, hörte ihre kleinen Herzen wild schlagen – was er nicht hörte, war der Auslöser der Wildkamera am Stamm der Eiche neben ihm, was er nicht sah, war der Schwarzlichtblitz. Er hatte nur Augen für seine nächste Mahlzeit, die…verstört wich er zurück. Was zum Teufel war das denn gewesen? Kurz rieb er sich mit der Pfote die schmerzende Nase und nahm dann, so schnell er konnte, Reißaus.
Wäre der Wolf der Wildkamera nicht unmittelbar vor die Linse gelaufen, hätte er womöglich einen friedlichen Winter erlebt, unentdeckt und unbehelligt. Und auch die Einwohner Mühlenbachs, die mit der bevorstehenden Bürgermeisterwahl und dem obligatorischen Klatsch und Tratsch ohnehin genug zu tun hatten, wären wolflos glücklich gewesen. Aber das Schicksal hatte – wie so oft – andere Pläne…
So ein Wolf, das ist ein Raubtier!
Und so begab es sich, dass Norbert Brandt am nächsten Tag die Aufnahme des Wolfes auf dem Speicher seiner Fotofalle entdeckte, die er seit Jahren dort hängen hatte und tagtäglich überprüfte. Bis zu diesem Tag hatte die Kamera ihm eine unfassbare Menge grobkörniger, unscharfer oder auch völlig pechschwarzer Fotos beschert, auf denen so gut wie gar nichts zu erkennen gewesen war. Die spektakulärsten Bilder zeigten eine tieffliegende Krähe, einen neugierigen Fuchs und ein besonders vorwitziges Schaf, das mit gestrecktem Hals an die leckeren Grasbüschel unterhalb des Zaunes zu kommen versuchte. Als er diesmal den Wolf auf dem Foto erblickte, begriff Brandt zuerst gar nicht, was er da sah. Ein Wolf im Winterswald kam ihm fast ebenso verrückt vor, als hätte er ein glitzerndes Einhorn abgelichtet. So etwas war wirklich und wahrhaftig vollkommen unerhört.
Brandt liebte seine Schafe über alles. Er hätte nie mit jemandem darüber gesprochen, aber er betrachtete seine vierzehn wollweißen Gefährten als seine Familie, seine Schutzbefohlenen und nicht bloß als Einnahmequelle. Nachdem Iris ihn verlassen hatte, waren seine Schafe die einzige Familie, die ihm noch geblieben war und als er jetzt den Wolf auf dem unscharfen Schwarzweißbild erkannte und sich die Erkenntnis langsam in seinem Bewusstsein festsetzte, lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Er machte sich sogleich auf den Weg in die Stadt, in seine Stammkneipe an der Ecke, um sein Entsetzen mit jemandem zu teilen. Auf dem Weg dorthin, hielt er in jedem Geschäft, an dem er vorbeikam, in der Bäckerei Brezel , in der sich Frau Kamp erschrocken an die Nase fasste, im Kiosk, in dem leider niemand war, den er hätte erschrecken können, in Leonards Lebensmittellädchen , in dem eine ganze Handvoll Mühlenbacher die Hände über dem Kopf zusammenschlugen. Selbst in der knapp vierzig Quadratmeter großen Buchhandlung hielt Brandt an. Herr Eckardt, der Buchhändler, sprang wie vom Wolf gebissen aus seinem Sessel auf, in dem er vor zwanzig Minuten eingenickt war.
„Ein Wolf! Auf meiner Weide! Ein echter Wolf!“, rief Brandt.
„Nein!“, antwortete Herr Eckardt, der mit seinem zerzausten grauen Haar staunenswerte Ähnlichkeit mit einem Waldkauz besaß.
„Doch!“
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