Stephan Schneider - Das Klassentreffen - réun - d'anciens

„S o Cherié ich bin noch verabredet mit Samantha. Mein Schwesterherz kommt heute Abend aus Mailand zurück. Sie war in der Scala, stell dir vor. Sie macht jetzt eigene Choreographien und so was “.

„ Sie hat das echt durchgezogen... schon beeindruckend wie sich manch einer seinen Weg bahn t“.

Christine stand auf und strich sich einmal übers Kleid. Nahm ihre Zigaretten und drückte sie reibend aus. „ Ich ruf dich an Cherié, sobald ich was konkretes hab “.

„ Da bin ich ja mal gespannt... grüß deine Schwester von mir. Ich hoffe die besucht mich auch mal “.

„ Ich werde es ihr ausrichten... bestimmt früher als du denkst “.

„ So dann komm, ich bring dich raus und dann warten wir mal ab, wann die Rakete hier aufschlägt “: meinte Katharina.

Katharina ging mit Christine zur Tür und sie verabschiedeten sich mit Küsschen voneinander.

Dann ging sie wieder zurück zu ihren Söhnen und kontrollierte deren Treiben. Der ältere machte seine Hausaufgaben und der jüngere spielte mit seinen Autos. Alles im grünen Bereich. Fehlte nur noch das Fräulein Tochter. Katharina lüftete das verrauchte Zimmer und spülte die Tassen.

Mittlerweile war es 17:30, genau die Zeit für Ariane langsam einzutrudeln. Schließlich kannte ihre Mutter den Stundenplan und wusste auch wie die Metro fuhr. Zu ihrer Überraschung hörte sie dann auch wie das Türschloss aufging und dann zugeschlagen wurde. Katharina stand auf und wollte ihre Tochter begrüßen, ging auf den Flur und sah, wie Ariane sich gerade den Mantel auszog.

„ Hallo Kleines. Schön das du kommst. Dein Essen steht im Kühlschrank. Iss es bitte auch und keine Diskussionen “: würgte sie den aufkeimenden Widerstand ihrer Tochter ab.

„ Jawohl mon Capitain. Wie sie befehlen. Ist dir das Essen angebrannt oder warum riecht das hier so komisch? “: gab sie trotzig als Antwort. Ariane war ein typischer Teenager des neuen Jahrtausends. Handy war Muss und Klamotten – nur die echten mit dem Label. Zur Zeit waren Schafsfelljacken und Wildlederstiefel der Renner. Ariane wusste natürlich wo die Trendläden waren und trug ihr gesamtes Taschengeld dorthin. Sehr zum Leitwesen der Mutter, die aber früher auch kein bisschen anders war.

„ Hast du was? Du kuckst so enttäuscht. “: fragte sie ihre Tochter, als sie sich ihr Gesicht etwas näher betrachtete. Ariane ging zu ihr und fiel ihr heulend in die Arme.

„ Ach Mama... ich war so verliebt und jetzt... diese Schlange von Patricia “: sagte sie abgehackt zu ihr.

Katharina schnallte sofort das ein Kerl der Auslöser für diesen Sturzbach war und drückte ihr Kind zärtlich an sich. „ Komm in die Küche und erzähl deiner alten Mutter alles “.

Sie gingen Arm in Arm in Richtung Küche und wurden schon von zwei neugierigen Augenpaaren verfolgt. Katharina machte die Tür zum Zimmer der Jungs zu und die zur Küche auch. Sie nahm das Essen aus dem Kühlschrank und stellte es zum Aufwärmen in die Mikrowelle.

„ Also was war? “

Ariane wischte sich die Tränen aus den Augen und sah wütend und enttäuscht zugleich auf ihre Hände. Dann schüttelte sie sich die langen Haare aus dem Gesicht und blickte zu ihrer Mutter.

„ Er heißt Didier.. ist zwei Klassen über mir und der süßeste Junge den du dir vorstellen kannst “.

„ Und weiter “

„ Ich hab mich nicht getraut ihn anzusprechen und ( zieht die Nase hoch ) da hab ich Patricia gebeten ihren Bruder zu fragen, ob der nicht mal auf den Busch klopfen könnte. Der ist nämlich mit Didier zusammen in der Rugbymannschaft und genauso alt “.

„ Wieso machst du auch solche Dummheiten. Mit 14 Jahren bist du doch noch viel zu jung für so etwas “.

„ Aber fast alle meine Freundinnen haben schon einen Freund gehabt. Da ist doch nix dabei. Mama. Ich werde bald 15 !“.

Katharina fielen dabei sofort die warmen Worte ihrer Mutter ein und das da sehr wohl schnell was dabei sein konnte. Aber andererseits hatte sie das damals auch nur als Spießer-„Scheiße“ abgetan. Was würde es also nützen nun mehr Vernunft zu fordern, als zu erwarten war.

„ Ok. Das habe ich verstanden, aber wieso weinst du denn jetzt? Will er nichts von dir, weil du zu jung bist ?“: sagte sie verständnisvoll und tröstend zu ihrer Tochter.

„ Wenn`s nur das wäre. Zu jung... er ist jetzt mit Patricia zusammen,... dieser Scheißkerl zusammen mit dieser Schlange “. Ariane rolle ein Küchenhandtuch zusammen so als würde sie jemandem den Hals umdrehen.

Katharina wusste gar nicht was sie dazu sagen sollte. Etwas ähnliches war ihr damals mit Christine passiert, nur mit vertauschten Rollen. Solche ironischen Verkettungen hält das Leben ja meistens en mass bereit. Da hilft eben keine Vernunft oder Beharrlichkeit. „ Das tut mir wirklich leid, aber das passiert halt. Du wirst sehn, in 6 Wochen ist das wieder vorbei und das Leben geht weiter “.

„ Ach du hast ja keine Ahnung wie das ist... ich kann doch nie mehr jemandem vertrauen. Ausgerechnet Patricia, die ich schon so lang kenne und der ich alles sagen kann...ich könnte kotzen vor so viel Falschheit “: stieß sie enttäuscht und heulend aus. Ihre beiden Brüder hörten das natürlich und standen schon in der Tür. „ Ach die war doch eh so doof. Sei doch froh, dass die jetzt nicht mehr kommt, die Doofe Kuh “: sagte Pascal aufrichtig, er konnte sie noch nie leiden. So typisch für Jungs in dem Alter halt. „ Weiber sind alle blöd, scheiße und nur zum schlagen gut “.

„ Seit nicht so gemein und geht in euer Zimmer. Ich sag`s jetzt zum letzten Mal “.

Die zwei Buben wussten wie das gemeint war und konnten auch an der Art, wie sich das Gesicht, besonders die Stirn ihrer Mutter, faltete, den Ernst der Lage erkennen. Sie schoben schleunigst den Rückwärtsgang ein und verdufteten wortlos.

„ Daran bist nur du Schuld “: beklagte sich Ariane bei ihr.

„ Ach ja? Und an was bin ich Schuld. Das du diesen Jungen nicht bekommen hast, liegt doch nicht an mir “: wehrte sie sich entschieden gegen diesen Vorwurf.

„ Doch !“: widersprach das Fräulein Tochter trotzig. „ Wenn ich so coole Eltern hätte wie meine Exfreundin wäre das alles nicht passiert “.

„ Ach? Das wieder. Ich bin eben ein Pauker und du nicht die Tochter von Gräfin Koks, die dir ne goldene Kreditkarte + Chauffeur genehmigt. Ich hab das auch nie gehabt und aus mir ist auch was geworden ?“

„ Da war Papa aber anderer Meinung “: watschte sie ihre Mutter altklug ab. Diese verlor fast die Beherrschung und wollte schon ausholen, fing sich aber wieder und schwieg eingeschnappt.

„ Alle meine Freunde ziehen mich deswegen auf. Weil du Lehrerin bist und ich immer als letzter was erlaubt bekomme. Kein Wunder, dass die Typen mich für ne Zicke halten und einen Bogen um mich machen “.

„ Dann hast du eben Pech und wirst erst mit 18 alles alleine entscheiden und bezahlen dürfen. Die Diskussion ist hiermit erledigt. Ich habe andere Sorgen als dein gekränktes Teenanger-ego und Girlyimage. Du wirst mir ..“ “ später mal dafür dankbar sein.. Das hatten wir schon .“: äffte Ariane es ihr nach und ging eingeschnappt aus der Küche. Doch das lies Katharina nicht zu.

„ Du hast dein Essen vergessen oder ist das jetzt auch wieder uncool... Sofort kommst du hierher “.

Das Fräulein Tochter wollte sich schon ohne Mahlzeit aus dem Staub machen, der Figur wegen.

Sie verzog ihr hübs­ches Gesicht und nahm sich klaglos eine vorzeigbare Portion. „Wenn du nichts isst wächst dein Busen nicht und dann kriegst du nie einen Typen ab “: streute Katharina jetzt noch Salz in die Wunde und verzog ebenso nachäffend das Gesicht. Ariane würde sich schon wieder fangen und in zwei Wochen kein Hahn mehr danach krähen. Die nächste Party, das nächste Glück war bestimmt schon im Anmarsch und würde bald auf der Matte stehen. Patricia sollte erkennen, dass man Männer schnell wieder los wird und neue findet, gute Freundinnen aber etwas wertvolles und seltenes sind. Die muss man sich warm halten.