„ Könnt ihr denn nicht warten bis sie kommt. Also Christine ist, besser gesagt, sie war mal mit mir in der Schule. Sie war damals meine beste Freundin und wir hatten eine schöne Zeit... Das ist aber schon lange her. Sie ist sehr nett und lebhaft. Ihr werdet sie bestimmt auch mögen. Jetzt esst bitte eure Nudeln, ich hatte einen langen Tag und er ist noch nicht zu Ende “.
„ Mama. Eigentlich hast du doch immer einen langen Tag “: meinte Pascal und seine Mutter strich ihm zärtlich über die Haare.
„ Mama? Wann kommt denn Papa wieder? Er hat versprochen mit uns in den Park zu gehen und dort die Enten zu füttern .“: fragte Julien sehnsüchtig. Er vermisste seinen Vater sehr und sehnte jedes Wiedersehen mit ihm herbei. Was leider nicht immer auf Gegenseitigkeit beruhte. Sein Vater wollte sein Leben mit der Neuen genießen und war am Wochenende eigentlich zu verbraucht, um sich mit zwei kleinen Kindern zu beschäftigen. Er hatte es vorher schon nicht so recht verstanden ein guter Vater zu sein. Mit der Trennung schien es, als wollte er diese Fesseln auch abschütteln. Ariane ignorierte ihn seit der Scheidung. Er war lange Zeit ihr männliches Ideal, treu und trotzdem anziehend auf Frauen. Dass er es dann am Ende mit der Treue nicht mehr so ernst nahm, verzieh sie ihm genauso wenig wie Katharina. Deshalb war die Ehe letztlich in die Brüche gegangen. Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.
„ Er kommt bestimmt und ihr werdet viel Spaß haben “: log sie einfach, um das leidige Thema zu beenden.
„ Und wenn es regnet? Kommt Papa dann auch ?“.
„ Ess jetzt bitte! “: unterbrach sie die unangenehme Unterhaltung. Dieses heikle Thema würde sie noch früh genug wieder beanspruchen. Schon oft hatte sie die Kinder trösten müssen, wenn der Herr Papa sich wieder mal für andere Späße aufgehoben hatte.
Die Kinder ahnten schon das wieder eine Enttäuschung ins Haus stand. Keine schöne Aussicht wieder versetzt zu werden. Jetzt machte auch das Spielen mit dem Essen keinen rechten Sinn mehr und wortlos leerten sie ihre Teller. Dann räumten sie artig ab und marschierten folgsam ins Badezimmer, zum Zähne putzen. Katharina hatte nicht so richtig Lust den Abwasch gleich zu machen, überwand sich aber trotzdem. Setzte gleichzeitig Kaffee auf und wischte dann noch schnell Staub im Wohnzimmer. Nicht wirklich gründlich, aber doch an den offensichtlichsten Stellen. Ständig dachte sie dabei an Christine und ihre erste Teenyparty. Die erste Liebe ist ja so was von aufregend und interessant. Was hatte sie damals doch für niedrige Ansprüche. Da genügte es wenn ein Junge „Süß“ war, schöne Augen hatte, gut Tanzen oder Küssen konnte. Heute waren das eher zweitrangige Attribute. Nicht das sie einen Stolperheini ohne Kusstalent nehmen würde, aber was nützt der beste Tänzer, wenn er sonst ständig auf die Nase fliegt oder den Hintern nicht hoch kriegt. Ariane hatte es da besser, die konnte noch hoffen den Traumprinzen zu kriegen. Katharina war da realistischer.
„ Mama dürfen wir noch aufbleiben... die Simpsons kommen noch und heute wird’s wieder ganz bestimmt lustig “: bettelte Pascal schon vom Flur herein. Seine Lieblingsendung war jeden Tag Pflicht und natürlich immer brandaktuell. Auf dem Schulhof war die tägliche Debatte der Gags eine Frage von sein oder nichts sein. Wer da nicht mitreden konnte und dazu noch die falschen Klamotten trug, konnte es sich schon mal in der Arschlochecke bequem machen. Als Pädagogin war sie darüber nicht gerade erbaut, besonders diese Ami Schundsendung war ihr ein Dorn im Auge. So schonungslos bissig und ironisch. Aber das Drama, das sich einem Verbot unweigerlich anschloss, wollte sie auch nicht erdulden und ertragen.
„ Na schön, aber dann ist Ruhe !“: war die übliche Antwort darauf und damit war auch Ruhe. 5 Minuten später, parallel zum Anfang der Folge und mitten im Lied klingelte die Wohnungstür. Das musste sie sein. Die alte Freundin aus der Schulzeit. Katharina war etwas nervös und ging mit gemischten Gefühlen an die Tür. Hastig warf sie noch einen Blick in den Spiegel, zupfte an sich herum und fuhr sich mit der Bürste durchs Haar. Sie öffnete und vor ihr stand eine rothaarige Frau in einem sündhaft teuren Silbernerzmantel. Eine Perlenkette verlief durch den Ausschnitt zwischen zwei hervortretenden Brüsten und die Hände, die sich an den Enden der Ärmel abzeichneten, waren mit Schmuck besetzt. Ohrringe mit Brillanten hatte sie natürlich auch an. Wenn ihr so eine Erscheinung in einem Kaufhaus oder Café begegnet wäre, wer weiß was sie über so jemanden gedacht hätte. Man muss manchmal ein Vermögen ausgeben um billig zu wirken.
„ Etwas erfreuter könntest du schon drein blicken. Ich bins doch nur... Christine “: sagte dieses rothaarige Etwas und blickte komisch drein. Katharina scheute sich ihre wahren Gefühle zum Ausdruck zu bringen und lächelte verlegen. „ Ja weiß ich doch. Komm herein! “ : meinte sie dann etwas irritiert. Christine trat näher und wie es des Franzosen Art ist, wurden Küsse auf die Wangen verteilt. „ Du hast dich kaum verändert. Man könnte dich in einen Kartoffelsack stecken und du würdest immer noch gut aussehen.... Darf man hier drin rauchen ?“: lobte Christine Katharina und roch die Luft einer Nichtraucherwohnung. Was so ziemlich das sicherste Indiz für eine rauchfreie Zone war. Katharina mochte die Qualmerei überhaupt nicht, noch so ein Zankapfel, den sie mit ihrem Ex zu kauen hatte. Doch hier wollte sie eine Ausnahme machen.
„ Meinetwegen steck dir eine an. Ich werd schon nicht davon sterben. Wir müssen danach nur lüften. Ich hab Kinder... Du verstehst “.
„ Ja schon gut. Ich bin auf deiner Seite. Danke “.
Sie hing ihren teuren Mantel an den Haken und entblößte so ihr ebenso teures Chanelkostüm. Man sah ihr die Kohle direkt an und Katharina wurde sichtlich neidisch auf diesen, zur Schau gestellten, Wohlstand. Es quoll ihr wirklich aus den Ohren, das liebe Geld. „ Sag mal Christine, rennst du immer so aufgetakelt rum. Ist ja schön und gut, aber so dick auftragen muss man doch auch nicht an einem Mittwochnachmittag “.
„ Ach was Kindchen. Ich hab mir das alles hart erstritten und für den Rest meines Lebens ausgesorgt. Ich bin rundum versorgt und reiche Männer angelt man am besten mit dem Hinweis auf die eigene soziale Abgesichertheit. Gehst du bitte vor “: wischte sie das Geschwätz beiseite und Katharina zeigte ihr den Weg zum „Besucherzimmer“. Dort standen nicht gerade viele Möbel, seid ihr Ex ausgezogen war, aber dafür konnte dort auch mal ne Kippe geraucht werden. „ Die Kinder zeig ich dir später, die sehen gerade fern. Da darf sie niemand stören... nachher wirst du sie zu Gesicht bekommen “. „ Bin schon ganz gespannt auf deinen Nachwuchs “. Katharina schloss die Tür auf Spaltbreite und meinte dann noch etwas ertappt:„ Was willst du eigentlich trinken. Kaffee vielleicht oder was anderes, der Chateau Lafitte ist mir leider gerade ausgegangen ?“
„... Ich bring dir gerne mal ne Kiste mit. Hab fast alle Jahrgänge schon durch. Den Kaffee mit Milch und Zucker bitte und einen Aschenbecher “.
„ Kommt sofort “.
Sie verließ ihre Freundin, die sich auf der Couch niederließ. Bilder von Hochzeiten oder Familienfotos gab es keine. Christine war auch nicht der Typ, der sich durch alte Fotoalben durchwühlen wollte. Wie sie mit 15 ausgesehen hatte, war nun wirklich nicht gerade spektakulär.
Als Katharina wieder kam, sah sie ihre alte Freundin mit übereinander geschlagenen Beinen in edler Haltung sitzend. Sie war wirklich eine Dame von Welt geworden und strahlte etwas mondänes aus. Wie sie ihre Zigarette auf einen langen schwarzen Filter steckte und diese dann mit einem DuPont anzündete, dass hatte schon was. Sie blies den Rauch in die Luft, machte noch einen Kringel und steckte das goldene Feuerzeug wieder ein. „ Dann erzähl mal Katharina. Ich bin ganz neugierig was du so treibst. Ein bisschen weiß ich ja schon “.
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