auf den Altar beschwören, und schon manche
Familie ist auf diese Weise über das Schicksal
eines Angehörigen beruhigt worden. Während des Totenamtes
kann der Geistliche den Verstorbenen befragen,
an welchen Ort seine Seele gekommen ist. Man
sagt auch, wenn der Priester bei der Totenmesse vor
der Wandlung lange betet und langsam zur Wandlung
kommt, und dabei die Kerzen hell brennen, erfährt er,
ob die Seele selig geworden (Münsterland). Aber
auch die schwarze Kunst (204) gewährt die Mittel,
längst verstorbene Menschen zu zitieren und sprechen
zu lassen, oder doch wenigstens dem Auge zu zeigen.
178.
Das Wiedergehen ist nicht an Zeit und Ort gebunden,
aber es gibt doch Zeiten und Orte, wo die Wiedergänger
sich vorzugsweise gern zeigen. Mit Dunkelwerden
beginnt die Zeit der Geister, und läßt man die Haustür
offen, so kommen sie herein. Namentlich ist die Stunde
nach Mitternacht die Geisterstunde:
tüsken twölw un een
sünd alle Geister to Been,
aber die zwölfte Stunde, d.i. die Stunde vor Mitternacht,
ist kaum weniger beliebt. In der Osternacht
sind alle Wiedergänger sichtbar; wer dann draußen
ist, kann sie erblicken (Münsterland). Von den Orten
ist der Kirchhof der besuchteste, dann einsame Wege
auf der breiten Heide, Wassertümpeln, vereinzelte
Gebüsche oder Sandhügel, Moore, Holzungen. Die
Regel aber ist freilich, daß der Wiedergänger den Ort
aufsucht, wo er im Leben beleidigt ist, gewirkt, gesündigt
hat. – Sonntagskinder können leicht Spuk
sehen; auch heißt es (Oldenbg.), wer im Frühjahr die
erste Schwalbe erblickt, indem er über die linke
Schulter schaut, kann das Jahr alle bösen Geister
schauen.
179.
Die Wiedergänger erscheinen in mannigfachen Gestalten.
Einige zeigen sich so, wie sie sich im wirklichen
Leben gezeigt haben: Körper, Kleidung, Benehmen
sind eine treue Wiedergabe dessen, was man an
dem lebendigen Menschen gekannt hat. Andere erscheinen
in ihrem gewöhnlichen körperlichen Aussehen,
aber in weiten weißen, grauen oder schwarzen
Gewändern; es sind die Totenhemde, in denen sie auftreten.
Ist der Wiedergänger noch von seiner qualvollen
Wanderung zu erlösen, so ist das Gewand weiß;
ist dasselbe aber grau oder schwarz, so ist alle Rettung
vorbei, der Wiedergänger ist auf ewig verdammt,
ein Teufelsgenosse, und wird endlich selbst Teufel.
Oftmals erscheinen ferner die wandelnden Seelen als
Flammen (die unschuldigen als kleine, meist blaue
Flämmchen, die verdammten in der Regel größer).
Sternschnuppen und Irrlichter sind Seelen, und zwar
die Irrlichter – Spoklechter, fürige Kärls – verdammte.
Ganze glühende Menschengestalten und Menschen
mit glühenden Geräten sind nicht selten. In allen diesen
Erscheinungen treibt der sich zeigende Wiedergänger
gewöhnlich das, was ihn zum Spuken gebracht
hat.
Vielfach nehmen die verdammten Seelen Tierge-
stalten an, so die von Hunden, Katzen (176 e), Raben
(208 e), Krähen (208 d), Elstern und anderen Tieren.
Es kommt sogar der Fall vor, daß ein Wiedergänger –
es ist ein Mörder und zwar ein Brudermörder – das
eigentliche Kennzeichen des Teufels, einen Pferdefuß
führt. Auch Tiergestalten, welche auf das begangene
Verbrechen hindeuten, werden gewählt. Verwünschte
müssen das sein und tun, wozu sie verwünscht sind.
Mitunter müssen die Wiedergänger, mag ihre Gestalt
sonst sein, welche sie wolle, eine große schwere Kette
klirrend hinter sich herschleppen; auch dies gilt als
Zeichen der Verdammnis. – In Holle heißt es, die
Wiedergänger schwebten über der Erde weg, und die
Beine seien häufig nicht zu entdecken; damit stimmt
eine Mitteilung aus Ramsloh 553 e.
Selbstmörder gehen als Teufel in Gestalt eines
Hundes, eines Kalbes ohne Kopf usw. nach der Stelle,
wo der Selbstmord geschehen, setzen sich dort und
verschwinden, um bald den alten Gang wieder aufzunehmen,
und so müssen sie immer wieder den alten
Weg gehen, den sie in ihrem Leben das letzte Mal gegangen
sind. Haben sie in ihrem Leben schlechte
Taten verübt, so müssen sie auf den Wegen wieder
gehen, die sie im Leben zur Begehung ihrer Bosheiten
gegangen sind. Hat jemand aus Furcht vor Strafe
Selbstmord begangen, so muß er immer wandern,
kann niemals Ruhe finden; nur wenn er mit dem ewi-
gen Juden zusammentrifft, darf er mit diesem unter
zwei aufgestellten Eggen eine zeitlang ruhen (vgl.
247). Wer ihm auf seiner Wanderschaft entgegentritt,
erhält einen Stoß, daß er ohnmächtig niederfällt. Ist
ein Selbstmörder im Leben von seiner Familie
schlecht behandelt worden und hat aus Verzweiflung
Hand an sich gelegt, so rächt er sich nach dem Tode
dadurch, daß er Unheil über seine Angehörigen heraufbeschwört:
Viehsterben, Krankheiten usw. Wer die
schwarze Kunst versteht, kann ihn wegbeten oder dadurch
unschädlich machen, daß er das Kreuzzeichen
am Hause anbringt oder auf dem Wege, der zum Gehöft
führt. Geizige gehen wieder als Hunde, die Arme
haben, oder als Gestalten, die halb Mensch halb Kalb
sind. Sie sind verurteilt, das Geld, das sie beiseite geschafft
haben, immerfort umzuschmelzen und wählen
dazu besondere Plätze. Wer sie dabei überraschen
kann und schlägt mit dem Stock ins Feuer, so daß die
Kohlen auseinander fliegen, und dann am folgenden
Tage den Ort wieder aufsucht, der kann die Goldstükke
zusammensuchen und zum beliebigen Gebrauch
verwenden (Wildeshausen).
a.
Unten im Kniphauser Schlosse hört man oft des
Nachts die Türen klappern, und einzelne haben gesehen,
daß alsdann eine Frau mit einem Schlüsselbunde
an der Seite durch Gänge und Zimmer wandelt. Das
ist die Benlopsche, die Beischläferin eines ehemaligen
Häuptlings Lübbe Onken, die ihres Geliebten Ehefrau
Reinolde mit einer Biersuppe vergiftet hat; sie bewacht
noch jetzt die Räume, in denen sie ehemals als
Herrin gewaltet hat.
b.
In einem Bauernhause des Butjadingerlandes sah man
oft in einer Seitenstube einen Mann von kleiner Gestalt,
mit einem braunen Rock und einer weißen
Mütze bekleidet, vor einem offenen Schreibpult sitzen.
Er beschäftigte sich mit einem Stücke Papier,
welches er erst las und dann zerriß. Die Fetzen verbrannte
er an einem vor ihm stehenden Lichte; dann
verschwand er. Dieser kleine Mann war der verstorbene
Herr des Hauses, der ein Testament vernichtet und
dadurch sein Gut bekommen hatte. Nun hatte er im
Grabe keine Ruhe. Sein Sohn, um des Spukes los zu
werden, ließ das ganze Hinterhaus umreißen und ein
neues bauen, worauf der Geist verschwunden war.
c.
Ein reicher Mann in Emden dachte durch Betrug seinen
Reichtum noch zu vermehren und machte einen
falschen Bankerott. Allein sein böses Gewissen ließ
ihm keine Ruhe, und er brachte sich selbst ums
Leben. Nahe bei seinem Hause wohnte ein Müller,
der aber seine Mühle draußen vor der Stadt hatte.
Eines Abends begab sich der Müller von der Mühle
auf den Weg nach Hause; da es aber sehr stark zu regnen
anfing, spannte er seinen Schirm auf. Der Weg
führte ihn am Kirchhofe vorbei, und wie er bei diesem
vorüberging, kam ein Mann vom Kirchhof herab, trat
mit unter den Schirm und ging mit ihm des Weges
weiter. Der Müller fing an zu reden über das schlechte
Wetter und dies und das, bekam aber keine Antwort,
Читать дальше