Ich öffne die Augen. Jeffs Hand liegt ruhig auf dem Schaltknüppel; wie gerne würde ich meine Hand darauflegen – für immer.
Das Herz von Brüssel, der Grote Markt, ist umschlossen von ehrwürdigen Gebäuden. Die Gassen streben wie Arterien in alle Richtungen und versorgen die Innenstadt mit Leben. Touristen aller Nationalitäten strömen hindurch und die Geschäfte reihen sich aneinander wie an einer Perlenkette.
Wir streifen durch die Rue des Bouchers, liebevoll ›Fressgasse‹ genannt. Jeff bleibt vor einer Waffelbäckerei stehen, an der sich bereits eine Warteschlange gebildet hat. Mir läuft schon das Wasser im Munde zusammen vom Duft, der aus dem Backhäuschen dringt. Knusper, knusper, knäuschen …
»Hier gibt’s die besten Waffeln. Magst du sie auch mit Erdbeeren und Sahne?«
Ich nicke. Als wir an der Reihe sind, bestellt Jeff. Wenig später streckt uns der Bäcker mit seinen übergroßen, schaufelartigen Händen zwei Pappteller aus der Durchreiche. In seinem Gesicht, das die Farbe zu lang gebackenen Brotes hat, strahlt die ganze Wärme der Frühlingssonne.
Jeff reicht mir den Teller. Darauf sind zwei mit Puderzucker bestäubte Waffeln, daneben ein riesiger Sahneberg und drei Erdbeeren.
Wir gehen ein paar Schritte weiter, lehnen uns an eine Hauswand und lassen sie uns munden.
»Köstlich, oder?« Jeff leckt sich die Sahne von den Lippen. Das ist eigentlich mein Job, denke ich und lache.
»Was! Ich mag meine Waffeln gern traditionell essen.«
Traditionell? Ich denke an den Minutensex im Gang zur Tiefgarage und warte bis Jeff wieder zu mir herüberschaut, dann nehme ich die Erdbeere zwischen Daumen und Zeigefinger und lecke mit der Zungenfläche langsam über die rote Frucht, umschließe sie mit den Lippen und sauge sie in den Mund.
Jeff macht große Augen. Sehr schön.
Mir wird ganz warm in der Brustmitte und ich schaue in den Himmel. Die Sonnenstrahlen wärmen mit ihrem Gold mein Gesicht und eins von den ganz großen Lächeln erfasst mich.
Doch Jeffs Nähe wärmt mich ungleich mehr.
Jeff jagt den Porsche nicht auf dem Nachhauseweg, doch trotzdem habe ich das Gefühl, dem Abschied entgegenzurasen. Morgen werde ich wieder zurückfahren müssen und ich wünschte mir, er täte etwas dagegen.
Kaum ist die Tür ins Schloss gefallen, springt mich die Lust an wie ein ausgehungertes Ungeheuer. Jeff! Ich will auf ihn springen, mich an ihm festkrallen, ihn spüren.
Sein Lächeln jedoch strahlt die Wärme eines knisternden Kaminfeuers aus. »Hat es dir nicht gefallen?« Er legt die Schlüssel in die quaderförmige Glasschale auf der Konsole.
»Nein. Ich meine, doch. Ich hab nur ’nen kleinen Durchhänger.« Kannst du mir jetzt bitte endlich die Kleider vom Leib reißen und mich nehmen! Ich will dich spüren!
Auf mir. Unter mir. Hinter mir. In mir. Was tut er?
Er nimmt mir meinen Trenchcoat ab und verstaut ihn in der Garderobe. Nachdem er auch seinen Mantel aufgehängt hat, mustert er mich eindringlich.
Licht flutet in die Schatten meiner Seele.
»Hast du Lust auf etwas Prickelndes? Im Kühlschrank steht eine Flasche Sekt und Eistee und unter der Spüle eine Klappkiste. Bist du so lieb? Ich muss schnell noch meine E-Mails checken.«
»Klar, gerne.«
Auf den Stufen ins erste Obergeschoss klirren die Gläser sachte aneinander. Die Tür zum Büro ist angelehnt. Ich stelle die Kiste ab und schlüpfe hinein.
Das Zimmer, in kompakter Größe, ist nur mit dem Nötigsten ausgestattet: ein Schreibtisch, ein Pilotenkoffer, an der Wand aufeinandergestapelte Kartons.
Jeff sitzt auf einem mandelfarbenen Bürosessel mit Rollen vor dem Computerbildschirm. Auf Zehenspitzen pirsche ich mich an ihn heran und linse auf den Bildschirm. Dreitausendirgendwas E-Mails im ›Posteingang‹ kann ich noch erkennen, bevor er mich bemerkt. Er schließt die Seite und das Logo von SHAPE erscheint. Vor meinem inneren Auge sehe ich allerdings ganz andere Dinge.
»Hast du alles gefunden?«, fragt er.
»Das hab ich.« Ich streichle seinen Nacken und entdecke am Haaransatz eine helle Stelle in Form eines Tropfens und beuge mich hinunter, um einen Kuss darauf zu tupfen. Der Duft von tausendundeiner Nacht strömt mir entgegen.
»Schlechte Nachrichten, Sofia. Ich muss morgen vier Stunden früher los.«
Wovon zum Geier redet er?
»Die haben die Zeiten verschoben.«
»Morgen? Warum? Und wer sind die?«
»Ein Meeting in der UK. Wenn ein General kommt, ändert das Sicherheitsmanagement manchmal die Reisepläne. Genau das ist jetzt passiert.«
Ich hasse den General.
Jeff starrt auf den Bildschirm. Ich tue es ihm gleich und starre auch auf ihn – extrem grimmig. Vielleicht wird er die E-Mail einfach weiterleiten oder löschen?
»Das heißt, wir müssen morgen früh zirka 9.30 Uhr los.« Er seufzt. »So ist nun mal das Leben eines Soldaten.«
»So ein Scheiß. Aber du bist doch gar kein Soldat mehr, oder?«
»Das ist nur so ein Spruch.«
Ich hasse den General.
Er fährt den Computer herunter und steht auf. »Lass uns nach oben gehen.«
Ganz recht, lass uns keine Zeit verschwenden.
Jeff greift nach der Kiste und ich folge ihm ins Schlafzimmer.
Rosafarbene Lichtbündel der untergehenden Abendsonne fallen durch das Fenster. Die Vorhänge schimmern durch das Licht blauviolett, an manchen Stellen fast purpurfarben und fließen wie ein Wasserfall in rauschender Fülle auf den Boden.
Jeff schenkt mir ein Glas Sekt ein und für sich einen Eistee. Ich führe das Glas an die Lippen und die Kohlensäure besprenkelt meine Nasenspitze.
»Bin gleich wieder da«, sagt er.
Ich aber frage mich: Wie angel ich mir einen Jeff? Ich hake meinen Zeigefinger in seinen Hosenbund. »Einen Moment bitte« und ziehe ihn zu mir zurück.
Er dreht sich um und ich bemühe ich mich um einen ausgekochten Gesichtsausdruck, so einen, wie die bösen Bond-Girls ihn haben; doch er fühlt sich harmlos wie Vanillepudding an.
Trotzdem werde ich meine Mission erfüllen. Ich streiche mit der flachen Hand über seinen Schritt; der Flanellstoff ist geschmeidig und was drin ist … mhmm, fühlt sich gigantisch an.
Ich löse seine Gürtelschnalle und öffne den Haken seiner Hose. Er atmet tief ein und legt den Kopf in den Nacken. Ganz langsam ziehe ich den Schieber des Reißverschlusses nach unten; durch das Gewicht der massiven Gürtelschnalle rutscht die Hose wie ein Aufzug zu Boden.
In seiner seidigen Boxershorts sehe ich harte Tatsachen auf mich zukommen, doch als ich den Daumen unter das Gummiband schieben will, hält er meine Handgelenke fest.
»Stopp. Diesmal läuft das anders.« Er legt seine Hände auf meine Taille und trippelt mit mir Richtung Bett. Die Hosenbeine, die wie eine Ziehharmonika zwischen den Füßen liegen, wandern mit. »Du findest das lustig?«
»Nur ein bisschen.«
Meine Waden berühren die Bettkante. Er sieht mich mit steinernem Blick an, knöpft die Bluse auf und streift sie mir über die Schultern. Ich halte den Atem an und genieße jede seiner flüchtigen Berührungen. Meiner Jeans bin ich ebenso schnell entledigt – täte er es doch langsamer. Im nächsten Moment fühle ich seine Zunge in meinem Bauchnabel. Ich presse meine Lippen zusammen und stöhne.
Langsam richtet er sich wieder auf, dabei gleitet seine Zunge über meinen Körper. Er greift hinter meinen Rücken und öffnet den Hakenverschluss des BHs, dann streift er die Träger des Büstenhalters über die Schultern, hält ihn wie eine Trophäe in die Höhe und lässt ihn über sein Gesicht gleiten. Dabei saugt er die Luft ein, als würde er frische Bergluft inhalieren. Er lässt den BH ein paar Mal wie einen Propeller um seinen Zeigefinger kreisen, bevor er schwungvoll auf dem Lampenschirm landet.
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