»Wird abgeholt.«
»Ich habe gar nichts gehört heute Nacht.«
»Es hat nur vibriert, Baby. Du warst im Tiefschlaf.« Er lächelt schief. »Du schnarchst übrigens. Find ich süß.«
»Nein, das war bestimmt die Vibration, das musst du verwechselt haben. Du wirst vom Vibrieren wach?«
»Ein Soldat hat auch beim Schlafen immer ein Ohr offen.«
Scheiße. Scheiße! »Dann geh ich mich mal duschen.« Ich bemühe mich, nicht enttäuscht zu klingen. Als ich an ihm vorbeihuschen will, schnappt er mich am Handgelenk und ich trete auf den Zipfel meiner Decke und ›Wuuusch‹, stehe splitternackt vor ihm. Er schaut mir in die Augen – ausschließlich in die Augen. »Tut mir leid, Sofia. Ich werd’s wiedergutmachen.«
Warum nur sieht er so ungemein sexy aus mit diesem hilflos-melancholischen Blick? »Pflicht ist Pflicht.« Das Lächeln, das sich über mein Gesicht spannt, ist nicht gänzlich gespielt. Ich trete in die Dusche, drehe den Wasserhahn auf und strecke meinen Kopf wieder heraus. »Einfach so? Die rufen dich mitten in der Nacht an und erteilen dir Befehle?«
»Genauso läuft das.«
»Sollen die doch jemand anderen schicken.«
»Geht nicht. Die brauchen jemanden, der mit der Materie vertraut ist und den gleichen Rang hat.«
»Was hast du für einen Rang? Ich kenne General, Präsident und Soldat.«
Er lacht. »Lieutenant Colonel; zwei Ränge unter einem General. Wenn du es schaffst, in dreißig Minuten fertig zu sein, können wir noch gemeinsam frühstücken.« Jeff wirft das Handtuch in das Waschbecken, und beim Anblick seines dunklen, nackten Körpers, der vor den cremefarbenen Marmorplatten wie gemeißelt erscheint, läuft mir ein Schauer der anderen Art über den Körper.
»Sag doch einfach, du bist krank!«, rufe ich ihm hinterher.
Sein Lachen hallt von den Wänden wider.
Auf dem Nachhauseweg betrachte ich den Kondensstreifen im pastellblauen Himmel und rede mir ein, dass Entfernungen keine Rolle spielen. Morgen wird er in Washington sein. Wenn ich kein Problem mit dem Fliegen hätte, dann – stop!
Sommerbrisen müssen leise und leicht sein.
Vielleicht war das auch nur eine einmalige Sache. Zumindest sollte ich es in Betracht ziehen.
Das halbfertige Männchen für Amonia habe ich zwar in die Mühle geschafft, aber anstatt daran weiter zu arbeiten, verdinge ich mich an einer abstrakten Skulptur. Zwei Fingerbreit des fünfzehnjährigen Springbanks, ein Single Malt, unterstützen mich dabei. Er zergeht wie cremige dunkle Schokolade auf der Zunge und streichelt meine Kehle mit einer Note von Eiche und Sherry.
Meine Hände gleiten an dem kompakten Strang auf und ab und zwischen meinen Fingern quillt Tonbrei heraus, zwischen meinen Beinen wird es feucht.
Verflixt. Ich vermisse ihn. Die Telefonate, die wir gelegentlich führen, wühlen mich jedes Mal auf. Aber was sind schon ein paar Wochen? Klar, verstehe ich, er wohnt in einem Hotel und muss noch vieles klären wegen des neuen Hauses. Klar, verstehe ich, sie schicken ihn ständig nach Großbritannien – wirklich? Klar, er hat kaum einen freien Tag. Wieder nehme ich einen Schluck und plötzlich ist es taghell in der Werkstatt.
»Hey, du bist ja immer noch da!« Charlotte blinzelt und schirmt ihre Augen ab, als würde sie nach etwas Ausschau halten, schließlich knipst sie das Licht wieder aus. Mit verschränkten Armen und unechtem Lächeln schlendert sie auf mich zu.
»Was ist los?« Ich mustere sie eingehend. Ihr Nicki-Hausanzug schimmert im Dämmerlicht wie die Haut einer Aubergine. »Warum kommst du im Schlafanzug?«
Ihre Gesichtszüge fallen ungehemmt nach unten. »Stress mit Matt.«
»Arg?«
»Hast du einen Tee gekocht?« Sie schlurft in die Küche.
Ich wische mir die Hände an meinem Holzfällerhemd ab, drücke mich aus meinem Hocker und folge ihr.
»Du weißt ja, wie das bei uns ist. Wir gehen uns erst mal aus dem Weg. Morgen, Punkt zwanzig Uhr, schenke ich ihm diesen schweineteuren Jahrgangs-Cognac ein, Lafontan … oder so ähnlich, ich kann mir das nur merken, weil es mich immer an den Politiker erinnert. Ich selbst trinke einen Honiglikör, und wenn die Kirchturmuhr neunmal geschlagen hat, gibt es Versöhnungssex.«
»Ist doch toll, wenn man so eingespielt ist.«
»Nach vierundzwanzig Jahren Ehe ist man bestens eingespielt, glaube mir.«
»Find ich gut.« Ich nehme zwei Tassen aus dem Büfett und schenke Tee ein. Sehnsüchtig schaue ich zu dem Kristalltumbler hinüber, in dem mein Whisky bronzefarben schimmert.
»Matt ist ungewöhnlich aufmerksam in letzter Zeit«, sagt Charlotte, »ein Indiz für schlechtes Gewissen.«
Ich reiche ihr die Tasse. »›Abendglück‹, genau das, was du jetzt brauchst.«
»Manchmal verstehe ich, warum es dich vor der Ehe graut.«
» Ich bin nicht geschaffen für die Ehe, du schon.«
»Doch bist du, nur nicht der Typ Mann, der dich anzieht.«
»Magst du ein paar Kekse?« Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um die Dose mit den Cantuccini zu erreichen.
»Was, glaubst du macht er, wenn ihr euch wochenlang nicht seht, hm?«
Huch, was ist denn jetzt los? Gerade waren wir noch bei Versöhnungssex. Ihre Laune rangiert bei minus drei auf einer Skala von null bis zehn. Besser ich höre nicht hin.
»Und warum stellst du die Dose immer hoch auf das Brett? Lass sie doch unten«, meckert Charlotte weiter.
»Dann wäre sie garantiert in fünf Minuten leer und ich will nicht fett werden.«
Charlottes Teint nähert sich der Tönung ihres Hausanzugs. Mit erhobenem Zeigefinger macht sie einen Schritt auf mich zu. »Du solltest einen Riegel davorschieben. Am besten sofort.«
»Ich will jetzt aber Kekse essen!«
»Ich rede doch von diesem Neuen, kruzifux!« Sie verdreht die Augen.
»Jeff ist kein ›Neuer‹. Und einen Riegel werde ich schieben, aber bestimmt nicht davor, sondern hinein. Dafür werde ich sogar zu ihm fahren. Was sagst du dazu ?«
»Waaas? Bei Eis und Schnee stundenlang auf der Autobahn herumgurken, nur um mit ihm –« Sie ahmt die Bewegungen eines Reiters nach. »Das kriegst du im Heusteigviertel an jeder Ecke.«
»Jeff befindet sich aber nicht im Heusteigviertel, also muss ich sehr wohl nach Brüssel. Hast du vielleicht eine bessere Idee?«
»Ja. Nicht nach Brüssel fahren.«
»Sehr witzig.« Ich stopfe mir den steinharten Keks in den Mund und zermalme ihn, und unter meiner Schädeldecke dröhnt es wie in einem Steinbruch.
»Du bist über beide Ohren verknallt, nur kriegst du das gar nicht mit. Aber er ist keine gute Wahl. Robert. Er war verrückt nach dir. Und fürchterlich attraktiv. Und mit eigenem Gestüt. Er wäre eine gute Partie gewesen.«
»Damit er mich mit zu seinen Zuchtpferden in die Box einsperren kann? Außerdem heirate ich nicht jemanden, der sich Pferdeköpfe auf die Manschettenknöpfe lasern lässt, und außerdem heirate ich sowieso nicht. Ansonsten darf ich daran erinnern, dass ich mein Möglichstes getan habe, damit es funktioniert. Ich habe mit vollem Make-up Sonntagmorgen am Kaffeetisch gesessen …« Ich zeige einen Vogel.
»Er war fürchterlich attraktiv«, wiederholt Charlotte.
Warum lässt sie sich nicht scheiden und heiratet ihn, wenn sie ihn so toll findet?
»Stimmt das eigentlich, was man im Allgemeinen über Schwarze sagt?« Sie reibt mit dem Zeigefinger am Mundwinkel, als klebe dort ein Krümel.
Mir klappt die Kinnlade herunter über ihre Unverfrorenheit und ich frage mich, ob der Streit mit Matthias wirklich so harmlos ist. »Es ist nicht ausschließlich Sex.« Ich drehe meinen Kopf zur Seite, damit sie nicht mein breites Grinsen sieht, denn in meiner Vorstellung habe ich seinen Schwanz im Mund, mhmm … köstlich.
Читать дальше