1 ...8 9 10 12 13 14 ...24 Die Barfrau wischt einen nicht vorhandenen Fussel von der Theke und blinkt Jeff an, wie ein Sternchen kurz vor dem Verglühen.
»Ein Glas Sekt wäre schön.«
Mit überflüssigen Verrenkungen und bemüht graziös, vor allem beim Hinunterbeugen zum Kühlschrank, erledigt die Barfrau diesen Job, streicht sich mit dem Handrücken über die Stirn und überreicht das Glas nicht etwa mir, sondern Jeff, zusammen mit einem Augenaufschlag par excellence. Blöde Kuh!
Jeff nimmt beide Gläser, führt mich an einen Tisch in der Ecke, etwas abseits der Bar und wir setzen uns.
»Hattest du eine gute Fahrt?«
»Nach Deutschland zu fahren ist immer gut.«
»Tatsächlich?« Mein Blick klebt auf seinen sattroten Lippen, deren Farbe sich von Sekunde zu Sekunde zu vertiefen scheint. Eine delikate Farbmischung aus aubergine und kirschrot, mit dem Hauch eines Goldschimmers, der allerdings nur bei intensiver Betrachtung wahrnehmbar ist. Unwillkürlich lecke ich mir über die Lippen.
»In vier Stunden habe ich es geschafft. Ich bin gerast wie der Teufel, deutsche Autobahnen sind einfach klasse.«
Die Worte gleiten über seine Lippen wie Noten – vollendete Klangkörper. Seine samtweiche Stimme ist pure Harmonie. Gäbe es ein Reich, in dem Stimmen die Macht hätten – wärst du darin König und ich deine Königin. Sprich weiter, Jeff. Sprich. Egal was.
Doch er prostet mir zu und die schillernde Vorstellung zerplatzt. Das Bild fällt in die Kammer der Erinnerungen, dorthin, wo sie einen später quälen können.
»Und was genau sollen wir mit der gesparten Zeit anstellen?« Ich gebe mir Mühe so verführerisch als möglich zu klingen.
Seine Augen verdunkeln sich und die Haut um die Augenwinkel faltet sich zu feinem Plissee. Sein Lächeln spricht Bände und sein Unterkiefer bewegt sich leicht hin und her, als würde darin etwas schmelzen.
Er nimmt mir das Glas aus der Hand, und wir stehen auf.
Ich spüre den brennenden Blick der Bardame in meinem Rücken, als wir an ihr vorbei zum Aufzug gehen.
Kaum sind die Türen zugeglitten, bricht meine Beherrschung wie ein Damm. Lust überflutet mich: Sie strömt von überallher, aus jedem Schlitz, jeder Fuge, dringt durch die Poren in meine Organe. Ich ertrinke in ihr.
Das ›Pling‹ ertönt und die Aufzugtüren öffnen sich. Wir treten hinaus. An den Wänden entlang des Korridors hängen Bilder mit Waldlandschaften; doch in meinen Ohren rauscht der Atlantik. Herrgott, das ist doch nicht das erste Mal! Aber genauso fühlt es sich an.
Er öffnet mit der Keycard die Tür Nummer dreiundsechzig und hält sie mir auf. »Ladies first.« Sein Arm greift an mir vorbei und die tropfenförmigen Lichter des Kronleuchters flammen auf.
Ein aparter Duft umfängt mich, als ich eintrete, der Duft der Sünde.
Auf dem Glastisch steht eine porzellanweiße Vase mit Rosen. Sie spreizen ihre samtroten Blätter schamlos und wirken auf diese Weise obszön und schön zugleich.
Jeff steht hinter mir und lässt mir Zeit, mich umzusehen. Vor dem Sekretär auf einem Stuhl liegt ein aufgeklappter Koffer, aus dem eine blutrote Krawatte wie eine Zunge heraushängt.
»Ich hoffe, es ist dir nicht zu warm.« Er schlendert zum Fenster.
»Nein, alles bestens.« Ich gehe noch ein paar Schritte tiefer in das Zimmer und bleibe neben dem Bett stehen. Die Bezüge sind mit blütenweißen Rosenköpfen bestickt und verströmen einen blumig-frischen Duft. Einen Moment lang überlege ich, ob ich mich daraufsetzen soll, lass es aber doch bleiben.
Jeff zieht die türkisfarbenen Vorhänge zu. Er lässt sich Zeit dabei. Und wie soll das jetzt überhaupt weitergehen? Soll ich mich sofort nackig machen und auf das Bett werfen? Oha! Er kommt auf mich zu, wie ein mächtiger Schatten. Lässt er jetzt seine Hose runter und drückt mich in die Hocke mit dem Befehl ›Lutsch ihn mir, du kleines Flittchen!‹?
Ich starre durch ihn hindurch, doch er hebt mein Kinn an und grillt mich mit seinem Verhörblick. »Darf ich dir etwas anbieten? Wasser oder ein Glas Sekt?«
Meine Wangen werden heiß wie Kochplatten, außerdem ist mir schummerig. Mir war klar, was passieren wird, aber jetzt ist alles so real. Hyperreal.
Auch das Gefühl, Samtpfoten schlingen sich um meinen Hals, ist es. Kein Laut kommt mehr heraus, nicht ein Piep.
Sein Mund senkt sich und ich öffne meine Lippen in Erwartung, geküsst zu werden. Endlich.
Seine Lippen umschließen meinen Mund, warm und weich. Nimm sie, meine kleine Welt … ich öffne sie. Seine Zunge gleitet in meinen Mund wie ein Fühler in einen feuchten Kelch. Soll er sich nur daran laben und süchtig werden nach dem süßen Elixier.
Doch schon löst sich sein Mund von mir, viel zu früh, und hinterlässt ein Vakuum. Ich fühle mich betrogen. Im nächsten Moment hievt er mich auf seine Arme und ein traditionelles, jedoch unangemessenes Bild poppt vor mir auf: ein Bräutigam, der seine Braut über die Schwelle trägt. Es fühlt sich utopisch gut an.
Behutsam lässt er mich auf dem Bett nieder und legt sich neben mich. Wir betrachten einander schweigend; das Herz klopft mir bis zum Hals.
»Geht es dir gut?« Er streicht mir mit seinen kühlen Fingerkuppen über Stirn und Haar; sie gleiten über meinen Hals, meine Schulter, über Arm und Hüfte und ein Stück weiter, bis zum Saum des Kleides. Dort lässt er sie ruhen, und zwischen meinen Oberschenkeln beginnt es zu prickeln.
Er lächelt spitzbübisch, als er die Hand unter den Saum schiebt und an der Innenseite des Schenkels nach oben gleitet. An der Spitze meiner Strümpfe hält er inne und seine Augen werden riesengroß. »Oh mein Gott. Du trägst Strümpfe!«
»Ist das schlimm?«
»Himmel. Das ist fantastisch! Und ich will alles sehen. Sofort.«
Ich setze mich auf, strecke beide Arme in die Höhe, und er pellt mir das Kleid vom Leib. Durch den feinen Wollstoff sehe ich, wie er seinen Kopf schieflegt. Nachdem er es beiseitegelegt hat, verflüchtigt sich sein Lächeln, als hätte er einen verhängnisvollen Fehler begangen und bedauere nun, was er sieht.
Ich äuge nach dem Bettzipfel, will danach greifen, um meine Nacktheit zu bedecken, aber er hält mein Handgelenk fest. »Du bist so un-glaub-lich sexy.«
Meine Brustwarzen werden augenblicklich hart wie Kirschkerne.
Er greift hinter meinen Rücken und öffnet die Häkchen des BHs mit nur einer Hand und streift mit dem Zeigefinger zuerst den rechten, dann den linken Träger von der Schulter. Diese Bewegung hat etwas vollkommen Beiläufiges an sich. Er wischt das sündhaft teure Teil zur Seite und ich lasse mich auf den Rücken sinken. Seine kühlen Finger streichen über meine Oberschenkel – forschend, als seien sie auf Expedition in unberührtem Gelände. Sie hinterlassen eine heiße Spur der Erregung.
Er schiebt den Daumen unter den schmalen Gummibund meines Slips und streift ihn in aller Langsamkeit über Hüfte und Beine. Ich genieße es und er offensichtlich auch. Er betrachtet den Slip wie eine Trophäe und lässt ihn ein paar Mal wie einen Propeller um seinen Zeigefinger rotieren, bevor er ihn auf den Boden sinken lässt. Ich presse meine Lippen zusammen, denn seine Hände schließen sich um meine Fesseln und streichen zart nach oben, bis zur Spitze der Strümpfe. Er fasst sie zwischen Daumen und Zeigefinger und rollt den rechten und anschließend den linken Strumpf von den Beinen. Es knistert, als würden Funken sprühen.
Nun liege ich nackt vor ihm und komme mir wie ein erlegtes Großwild vor. Immerhin sitzt er in seiner safariähnlichen Kluft vor mir. Ich kämpfe meine Verlegenheit nieder, stemme mich auf beide Unterarme und sage: »Mister Runner, Sie haben eindeutig zu viel an und ich fürchte, das muss geändert werden.«
Er scheint überrascht.
Ich lege meine rechte Hand auf seine Brust und streiche über den glatten Stoff des Hemdes, das sich wie eine zweite Haut an ihn schmiegt. Mit Daumen und Zeigefinger der Linken versuche ich, den zweiten Hemdsknopf durch das Knopfloch zu bugsieren, bis er schließlich seine Hand um meine faltet. »Ich mach das.« Er knöpft es sich auf, streift es sich über die Schulter und wirft es von sich, als täte er das heute zum zehnten Mal. Es fliegt auf die Nachttischlampe und gleitet auf den Boden, wie ein Fallschirm bei der Landung.
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