Achim Kaul - Mord aus gutem Hause

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Tausende Demonstranten strömen aufgewühlt durch Augsburgs Fußgängerzone. Aus dem Hinterhalt schießt jemand scheinbar wahllos in die Menschenmenge. Ein Mann stirbt im Kugelhagel. Erlebt Augsburg einen Terroranschlag? Tobt ein Amokschütze seine Wut aus? Handelt es sich um einen gezielten Mord? Kommissar Zweifel hat es in seinem neuen Revier mit brandgefährlichen Gegnern zu tun, auch aus den eigenen Reihen. Zudem erlebt Klaus-Peter Wolf, berühmter Autor der Ostfriesenkrimis, bei seinem Gastauftritt in diesem neuen Augsburgkrimi sein «blaues» Wunder.

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Achim Kaul

Mord aus gutem Hause

Der neue Augsburgkrimi

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Inhaltsverzeichnis Titel Achim Kaul Mord aus gutem Hause Der neue - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Achim Kaul Mord aus gutem Hause Der neue Augsburgkrimi Dieses ebook wurde erstellt bei

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

Epilog

Nachbemerkung und Danksagung

Impressum neobooks

1. Kapitel

Mord aus gutem Hause

Zweifel wurde am Samstagmorgen von einem ungeduldigen Klopfen geweckt. Es war eher ein Hämmern, unrhythmisch und unangenehm laut. Er wälzte sich aus dem Bett und versuchte, die Augen offen zu halten. Er stand auf und tappte verschlafen den Flur entlang. Er gähnte. Das heftige Hämmern setzte wieder ein.

»Ja doch«, brummte er genervt und blieb mit den Zehen des rechten Fußes an seinem Bücherregal hängen. Der plötzliche Schmerz machte ihn hellwach. Er riss die Eingangstür auf.

»Seit wann hast du denn eine Glatze?« Zweifel war wie vom Donner gerührt. Sein Vater stand vor ihm.

»Dad …«, brachte er mühsam hervor und presste stöhnend die Augen zusammen, als er seine Zehen bewegte.

»Sag nicht Dad. Kannst du kein anständiges Deutsch?« Zweifel schüttelte heftig seinen Kopf. Einerseits um die nach Aufmerksamkeit brüllenden Zehen aus seinem Bewusstsein zu verscheuchen, andererseits, um die Fragen zu sortieren, die ihm kreuz und quer durchs Hirn schossen und schließlich, um die Fata Morgana in Gestalt seines Erzeugers als solche zu entlarven. Was nicht gelang. Sein Vater, den er mehr als nur eine Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte, stand leibhaftig vor ihm. Er starrte auf den blankpolierten, schwarzen Schuh am linken Fuß seines Vaters und auf die arg ramponierte Sandale an dessen rechtem Fuß. Die Frage, die sich daraus ergab, schob Zweifel auf seiner Prioritätenliste ganz nach hinten. Sein Vater hatte ihn etwas gefragt.

»Die hatte ich schon bei meiner Geburt«, antwortete er fast automatisch.

»Bist du sicher? Hat Ed wohl vergessen. Ich wollte, den Rest hätte Ed auch vergessen.« Zweifel hatte keine Ahnung, was genau sein Vater damit meinte. Sie standen einander in der offenen Tür gegenüber, wie ein Mann, der einen anderen Mann nach dem Weg fragt, den dieser nicht kennt.

»Kaffee wäre gut für Ed. Und eine Orange. Ja, ich denke, das wäre angemessen. Hast du so was im Haus?«, fragte Edwin Zweifel auf eine etwas irritierende Weise.

»Sicher«, sagte sein Sohn, »komm rein.« Kaum hatte er sie ausgesprochen, schwante ihm, dass er diese Worte noch bereuen würde.

Wenig später saß Ed unbequem auf einer Art Barhocker an der Küchentheke seines Sohnes. Zweifel war im Bad. Er hatte seinem Vater eine Tasse Kaffee durchlaufen lassen und ihm gezeigt, wie die Maschine zu bedienen war, falls er eine zweite wollte. Orangen hatte er zwar keine, schenkte ihm dafür aber ein Glas Saft ein. Ed hatte sich schweigend an die Theke gesetzt, ein Tütchen Zucker aus einer Keramikschale herausgefischt, sorgfältig an einer Ecke aufgerissen und langsam in das Glas Orangensaft rieseln lassen.

Zweifel stand unter der Dusche und versuchte, sich zu erinnern, wann er seinen Vater das letzte Mal gesehen hatte. Zwanzig Jahre war das her, länger noch, es musste Anfang 1994 gewesen sein, im nasskalten Berliner Winter. Zweifel stellte die Dusche ab und blieb eine Weile tropfnass stehen. Die Bilder aus der Vergangenheit stürzten auf ihn ein und blockierten vorübergehend das Bewusstsein dafür, was als Nächstes zu tun war, nämlich, sich abzutrocknen und anzuziehen. Als er damit fertig war, hörte er, wie die Kaffeemaschine ihre typischen Geräusche von sich gab. Sein Vater schien sich also schon wie zuhause zu fühlen. Ein Gedanke, der Zweifel zu beunruhigen begann. Er ging in die Küche.

»Der Saft ist Ed zu süß«, brummte sein Vater.

»Hast du immer noch diese Angewohnheit?«, erwiderte Zweifel, holte Brot aus dem Schrank und fütterte den Toaster mit zwei Scheiben. Sein Vater zog die frisch gefüllte Tasse unter der Auslaufdüse hervor und stellte sie vorsichtig auf die Theke, auf der er vorhin schon etwas Kaffee verschüttet hatte. Er nahm ein weiteres Zuckertütchen, riss eine Ecke ab und versenkte den Inhalt in das volle Glas Orangensaft.

»Was willst du damit sagen?«, fragte er im gleichen brummigen Ton. Zweifel stellte seine Tasse unter den Koffeinspender.

»Der Saft ist Ed zu süß«, ahmte er seinen Vater nach. »Du redest von dir in der dritten Person. Du tust so, als ob dieser Ed jemand anders wäre. Das meine ich damit.« Edwin Zweifel nippte an seinem Kaffee und schwieg. Dieses Schweigen kam Zweifel wie die Ankündigung großer Schwierigkeiten vor.

Er hatte seinen Vater nicht schweigend in Erinnerung. Im Gegenteil. Wenn er nicht gerade mit seinen Kunden telefonierte, selten kürzer als eine halbe Stunde, redete er mit Nachbarn, quatschte mit Bekannten, die zufällig am Haus vorbeiliefen, sprach Fremde an, die zufällig am Haus vorbeiliefen und anschließend zu den Bekannten zählten. Einmal hatte Zweifel von seinem Fenster aus beobachtet, wie sein Vater einen Müllmann in ein Gespräch verwickelt hatte. Der Fahrer des Müllwagens hatte ungeduldig gehupt, war schließlich mit einem Fluch auf den Lippen ausgestiegen und lauschte wenig später fasziniert den Worten seines Vaters. Zweifel hatte keine Ahnung, was Ed, so nannte ihn alle Welt, den Leuten erzählte. Aber es war seine Art und Weise, Geld zu verdienen. Zweifels Mutter war früh gestorben. Eines Tages kam er nach Hause und fand seinen Vater im Wohnzimmer vor, wo er aus dem Fenster starrte und ihn nicht beachtete. Seine Mutter war in der Küche. Zuerst sah er die Flecken am Kühlschrank. Ein Stuhl war umgefallen, die Tischdecke halb heruntergezogen. Es roch säuerlich nach Essig und Zwiebeln, der Salat war auf dem ganzen Küchenboden verteilt. Die Schüssel war verkehrt herum auf ihrer Hand gelandet, zwischen den verkrampften Fingern lugte ein Stück rote Paprika hervor. Sie lag auf der Seite, als hätte sie auf dem Boden ein Schläfchen machen wollen, die Knie angezogen. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Zweifel kniete neben seiner Mutter, die Hand unter ihrem Nacken, in dem fassungslosen Bemühen, sie ins Leben zurückzuwünschen, als er die Stimme seines Vaters hörte.

»Hirnschlag«, verkündete er so sachlich, als wäre nur eine Sicherung herausgeflogen.

»Warum hast du keine Hilfe …«

»Da kam jede Hilfe zu spät, Junge. Da war nichts zu machen.« Es war merkwürdig, aber im Rückblick kam es Zweifel so vor, als hätte sein Vater damals begonnen, von sich in der dritten Person zu reden.

»Ich rede, wie es mir passt«, sagte Ed und stellte seine Tasse auf die Theke. Zweifel war nicht nach einem Streit mit seinem Vater zumute. Nicht eine halbe Stunde, nachdem er seit ewigen Zeiten plötzlich wiederaufgetaucht war. Ihm lagen viele Fragen auf der Zunge, die er mit einem großen Schluck Kaffee hinunterspülte. Es war Samstagmorgen und er hatte sich für das Wochenende vorgenommen, seine umfangreiche Sammlung an Kunst- und Fotobänden in aller Ruhe durchzusehen und vielleicht einen oder zwei ausgedehnte Waldspaziergänge zu machen. Außerdem musste er seinen Umzug nach Augsburg vorbereiten. Dieser Plan war nun in Gefahr. Er musterte seinen Vater über den Rand der Kaffeetasse hinweg. Wie alt war er jetzt eigentlich? Er stellte eine schnelle Berechnung an und kam auf 74 Jahre. Im Gegensatz zu seinem Sohn hatte Ed Zweifel einen dichten, weißen Haarschopf, den er noch nie zu bändigen vermocht hatte. Die Haare standen wild in alle Richtungen ab, als wäre er in einem Doppeldecker ohne Helm hergeflogen. Die grünen, hellwachen Augen hatte er halb geschlossen. Er tat, als bemerkte er den Blick seines Sohnes nicht. Zweifel gab sich einen Ruck.

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