Achim Kaul
Mord aus kühlem Grund
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Inhaltsverzeichnis
Titel Achim Kaul Mord aus kühlem Grund Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
Epilog
Impressum neobooks
Mord aus kühlem Grund
»Ick lass’n schmoren! Wenn ick den verdammten Bengel erwische, lass ick’n schmoren, und zwar inner Finnischen!« Fred schwitzte. Das war normal. Er wog hundertdreißig Kilo und die waren nicht ausgewogen an seinem Körper verteilt. Die meiste Zeit ruhte er in seiner Mitte, denn da war am meisten Platz. Von Ruhe konnte allerdings gerade keine Rede sein. »Mindestens eine halbe Stunde lang, dit sarick dir, den lass ick vorher nüscht raus!«
»Nu lass mal gut sein«, sagte Johanna, seine Frau, hundertzehn Kilo schwer. In ihr schneeweißes Saunatuch gehüllt, die langen roten Haare in einem türkisblauen Turban verborgen, stand sie seelenruhig vor einem großen Spiegel und begutachtete sorgfältig die roten Äderchen auf ihren Wangen.
»Du hast leicht reden, Jo. Wie steh ick denn da, ohne Handtuch?«, zischte Fred. Johanna ließ einen Seitenblick über ihren Fred gleiten, der augenblicklich nicht so recht wusste, wie er seine Nacktheit, vor allem an den zentralen Stellen verbergen sollte. »Wenn ick nur wüsste, wo dieser Hundling dit verdammte Handtuch vasteckt hat!« Er zog an ihrem Unterarm. »Stell dir mal een bissken vor mir hin! Die jungen Dinger gucken schon so komisch.« Johanna seufzte.
»Jetzt setz dir halt eenfach uff die Liege da, die wird jrad frei.« Fred ließ sich schnaufend nieder und versuchte, den Blicken der anderen Badegäste auszuweichen. »Schnapsidee, blöde«, dachte er. »Warum kann man nich einfach nur Minigolf spielen? Dit is een Sport, der zu meim Körper passt. Dazu brauchtet Ruhe und Konzentration. Da muss man janz in seiner Mitte sein. Aber nee! ›Therme‹, hießet, ›dürfn wa nüscht versäumen‹, hießet, ›wenn wir schon mal hier sind‹, hießet!« Fred schwitzte und steigerte sich in seinen inneren Monolog hinein, an dessen Ende er »verdammter Bengel« zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervorzischte. Johanna zuckte gleichmütig die fleischigen Schultern und ging dazu über, ihr Gesicht mit einer neuartigen Creme zu behandeln, die eine junge Mitarbeiterin ihr am Eingang gratis in die Hand gedrückt hatte. Fred wischte mit der Hand über sein schweißnasses Gesicht und schüttelte den Kopf. »Wenn et umsonst is, tauchtet Zeuch sowieso nüscht«, sagte er mit einem Blick auf Johannas fettglänzendes Gesicht. Sie hielt ihm zur Antwort die lavendelfarbene Tube vor die kurzsichtigen Augen, damit er den regulären Preis entziffern konnte. Kurzzeitig verschlug es ihm die Sprache. Gerade als er zu einem seiner Monologe ansetzen wollte, klatschte ihm jemand ein nasses Handtuch auf den breiten Rücken.
»Seit wann gehst du denn in die Sauna, Elvis?«, ertönte eine Bassstimme. Fred drehte sich wütend um. »Mensch, du bist ja gar nicht Elvis«, kam es seelenruhig von einem schwarzhaarigen Riesen im roten Bademantel. Fred funkelte ihn an.
»Der Elvis, den ick kenne, schwitzt schon seit een paar Jährchen in ’ner anderen Hölle. Noch nüscht mitbekommen?«, knurrte er, zog das Handtuch langsam von seinem Rücken und begann, es auszuwringen.
»Klar Mann, außerdem hast du auch die ganz falsche Frisur.« Der Riese schmunzelte gutmütig und streckte die Hand aus, um Fred das Handtuch wieder abzunehmen.
»Dit bleibt hier! Als Souvenir!«, zischte Fred und schlang es sich im Sitzen um die umfangreichen Hüften. Er verschränkte seine massigen Arme und schauten den roten Riesen herausfordernd an. »Kann ick sonst noch wat für Sie tun? Vielleicht een Ständchen?« Der Riese stutzte, schaute Johanna an, die das Ganze sprachlos verfolgt hatte, und zuckte dann mit den Schultern.
»Von mir aus. War sowieso nicht meins. Wenn’s komisch riecht, nicht wundern.« Damit entfernte er sich gelassen in Richtung der kleinen Bar, die am großen Vitalbecken eingerichtet war. Johanna schaute ihm hinterher.
»Na herzlichen Jlückwunsch«, sagte sie zu Fred, »da bist du ja jünstig an …« In diesem Moment gellte ein durchdringender, langanhaltender Schrei aus dem hinteren Saunabereich. Johanna bekam eine Gänsehaut trotz achtundzwanzig Grad Lufttemperatur. Gleich darauf rannten zwei kreischende Mädchen in rosa Bikinis, verfolgt von zwei Jungs in langen Badehosen, im halsbrecherischen Tempo zwischen den Ruheliegen und am schmalen Beckenrand entlang.
»Biester, verdammte!«, entfuhr es Fred, während Johanna erleichtert aufatmete.
»Ick dachte schon, da is wat …« In diesem Moment ertönte ein weiterer Schrei, wie aus einem Horrorfilm. Er schien überhaupt nicht enden zu wollen. Fred konnte es nicht fassen. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Er hatte noch nie jemanden so markerschütternd schreien gehört. Er schaute Johanna in die schreckgeweiteten Augen und stand abrupt auf. Ein junger Bademeister in Shorts eilte mit genervtem Gesichtsausdruck an ihnen vorbei.
»Do isch was passiert, ha?«, fragte ein Schweizer, der sich aus seiner Ruheliege nebenan schwerfällig erhoben hatte. Er blinzelte Fred zu. »Bekommen wir do jetzt a äcktschn?«, fragte er erwartungsvoll in seinem gemütlichen Tonfall. Ringsum erhob sich teils aufgeregtes, teils ärgerliches Gemurmel. Johanna schaute sich um und begegnete überall fragenden, kritischen oder besorgten Blicken. Vereinzelt waren Leute aus ihren bequemen Liegen aufgestanden. Einige beschwerten sich leise bei ihren Nachbarn, schüttelten die Köpfe oder zuckten ratlos die Schultern. Fred wusste nicht recht, was er tun sollte. Ein zweiter Bademeister, deutlich älter, als der erste, ging eiligen Schrittes mit ernster Miene zwischen den herumstehenden Badegästen hindurch, während er sein Handy ans Ohr hielt. Ein eigenartiger Geruch machte sich bemerkbar und eine ungewöhnliche Stille breitete sich aus. Der permanente Geräuschpegel aus plätscherndem Wasser, Kindergeschrei, Hintergrundmusik und den Stimmen Hunderter von Badegästen war schlagartig auf nahe null gefallen. »Wie die Ruhe vor dem Sturm«, dachte Fred unwillkürlich, während Johanna fröstelnd die Arme verschränkte. Der Geruch wurde stärker. Eine allgemeine Unruhe machte sich allmählich bemerkbar. Der Schweizer und seine Frau begannen, ihre Sachen einzupacken. Niemand achtete auf die beiden jungen Männer in Jeansshorts, von denen einer von der Empore herab sein Smartphone auf das Geschehen gerichtet hatte. Dort oben, wo die komfortableren Ruheliegen verteilt waren, befand sich außer diesen beiden und einem Seniorenpaar, das eingeschlafen war, niemand mehr. Seitdem der zweite Schrei verhallt war, waren gerade mal ein paar Minuten vergangen, doch der Raum, in dem sich das große Vitalbecken befand, hatte sich in dieser kurzen Zeit enorm bevölkert. Die Leute standen dicht an dicht, wie bei einem Open-Air-Konzert. Nur gab es da üblicherweise nicht so viele nackte Besucher.
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