Achim Kaul
Mord aus heiterem Himmel
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Inhaltsverzeichnis
Titel Achim Kaul Mord aus heiterem Himmel Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22.Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
Impressum neobooks
Mord aus heiterem Himmel
23. Juli
Melinda Zick knallte ihren halb vollen Kaffeebecher auf den Frühstückstisch. Sie war wütend auf ihre Mutter, die ihr diesen bescheuerten Namen gegeben hatte. Sie war wütend auf ihre Nachbarn, die jeden, aber auch wirklich jeden Abend auf dem Balkon unten grillten und die sie im Treppenhaus immer so unverschämt musterten. Sie war wütend auf ihren Chef, der eisern darauf bestand, jeden Morgen um halb neun eine Besprechung abzuhalten. Sie war wütend auf die letzte Nacht, wütend auf diesen elenden, immer wiederkehrenden Albtraum, wütend auf das verdammte Messer in diesem Albtraum. Sie war wütend auf sich. Mit geschlossenen Augen atmete sie tief durch, sprang, immer noch wütend, vom Tisch auf, riss ihre Jacke von der Stuhllehne und floh aus ihrer Wohnung, nicht ohne die Eingangstür ordentlich krachen zu lassen. Als sie das Treppenhaus hinunterrannte verhallte das Echo ihrer Tür allmählich, was ihr ein gutes Gefühl gab. »Für eine Veganerin bin ich ganz schön aggressiv«, dachte sie und musste beinahe schmunzeln.
Zwei Stunden davor betrat Ferdinand Alba den Kurpark. »Ein fabelhafter Morgen«, dachte er. Der Himmel blank gefegt, die frische Morgenluft Balsam für seine Seele. Kein Ton war zu hören im Kurpark. Die Pfauen und Goldfasane träumten in ihrer Voliere von fernen Ländern. Die große Wiese, eingerahmt von gewaltigen Platanen, Ahorn- und Mammutbäumen, lag unberührt vor ihm. Zu dieser frühen Stunde war das nicht anders zu erwarten. Sechs Uhr war eine gute Zeit für ihn, um sich unbeobachtet seinen Qi-Gong-Übungen widmen zu können. Nur flüchtig erklang ein entferntes Fauchen, ein merkwürdiges Geräusch, welches er nicht einordnen konnte. Er zog seine Leinenschuhe aus und lief barfuß über das feuchte Gras, bis er einen geeigneten Platz gefunden hatte. Dort stellte er sich locker hin, fokussierte einen größeren Ast am Rand der Wiese, vermutlich ein Opfer des nächtlichen Gewittersturmes, holte tief und langsam Atem und begann mit den Atemöffnern. Die gleichmäßigen und konzentrierten Bewegungen ließen ihn zur Ruhe kommen. Nachdem er anschließend die acht edlen Übungen jeweils fünf Mal wiederholt hatte, verbeugte er sich. Er warf einen Blick zu dem dunklen Ast hinüber. Etwas hatte seine Neugier geweckt. Er schien nun anders dazuliegen als zuvor. Aus der Entfernung von etwa sechzig Metern war das schwer zu beurteilen. Er näherte sich dem Schatten am Wiesenrand. Was er nun zu sehen glaubte, konnte nicht wahr sein. Seine Schritte verlangsamten sich, wurden kleiner. Schließlich stand er vor dem vermeintlichen Ast und blickte fassungslos in das starre Gesicht Professor Mindelburgs. Ihm wurde schwindlig, seine Knie gaben nach. Er schwankte und gleich darauf lag er neben der Leiche.
»Zweifel, jetzt reicht es allmählich«, sagte Alois Klopfer. Der Chef des Kommissars redete wie immer, wenn er sich aufregen musste, besonders leise. Kommissar Adam Zweifel lehnte sich bequem in seinem Stuhl zurück und streckte die langen Beine aus. Die Arme hinter seinem kahlen Kopf verschränkend musterte er seinen Vorgesetzten mit der ganzen Gelassenheit seiner 48 Jahre.
»Wie viele sind es diesmal?«, fragte er mit müdem Unterton. Sein Chef, der einige Jährchen jünger war, warf ihm einen scharfen Seitenblick zu.
»Sie könnten die Angelegenheit ruhig ein bisschen ernster nehmen.«
»Als ob wir sonst keine Probleme hätten.«
»Sie sind es, der unnötig Probleme produziert, mein Lieber. Wenn schon die Presse ihre Messer wetzt, dann – und darauf können sie ihre Riesterrente verwetten – wird mir morgen der Polizeipräsident mit ein paar deutlich ausgesprochenen Verhaltensmaßregeln behilflich sein.«
»Wegen ein paar Smartphones, die zufällig Bekanntschaft mit Newtons Gesetz gemacht haben? Abgesehen davon hab’ ich keine Riesterrente.«
»Zweifel, sie sind zwar Gesetzeshüter, aber die Naturgesetze sind davon nicht betroffen.«
»Sie lassen sich aber so leicht anwenden.«
»Ich wiederhole mich äußerst ungern, Zweifel, es reicht! Ich verbiete Ihnen hiermit ein für alle Mal, unschuldigen Passanten die Handys aus der Hand zu schlagen.«
»Ich kann nun mal den Anblick nicht ertragen. Den Kopf permanent über so ein dämliches Teil gesenkt mitten durch die Menschenmassen latschen, ohne auf andere zu achten. Das ist krankhaft. Die sind alle wie ferngesteuert. Sie müssen die mal beobachten, wenn …«
»Mir ist ihr gestörtes Verhältnis zur modernen Kommunikationstechnik hinreichend bekannt, mein Lieber. Vielleicht können wir uns jetzt über – ja, was ist denn?«
Die Bürovorsteherin, Frau Lucy, kam, wie immer ohne anzuklopfen, herein. Sie wedelte lässig mit einem Blatt Papier.
»Arbeit für den Kommissar«, flötete sie.
Melinda Zick fuhr gerade mit ihrem Fahrrad, das gegen mindestens fünf verkehrstechnische Vorschriften verstieß, auf den Hof der Polizeiinspektion, als ihr Handy klingelte.
»Mel, du musst mir helfen.« Es war ihr Bruder Zacharias. Ihre Mutter hatte ein eigenartiges Talent bei der Namensfindung ihrer Kinder bewiesen. Nach Mels fester Überzeugung war sie damals komplett unzurechnungsfähig gewesen. Und objektiv betrachtet, bestanden berechtigte Zweifel daran, dass ihr Geisteszustand sich seither geändert hatte. Ihre Mutter war und blieb eine Spinnerin. Leider schien ihr Bruder einiges von ihr geerbt zu haben.
»Zack«, sie wusste, dass er diese Abkürzung hasste, »was glaubst du wohl, was ich heute den ganzen Tag zu tun habe?«
»Du musst mir helfen, Mel.« Pause. »Und nenn’ mich nicht Zack, verdammt.«
»Wieso bist du überhaupt schon wach? Ist doch gerade mal halb neun.«
»Das ist ja der Punkt. In einer halben Stunde stehen die Typen von der Bank bei mir auf der Matte.«
»Seit wann kommen die persönlich vorbei? Dein Kontostand muss ja unterirdisch sein.«
»Mel, du hörst mir einfach nie zu. Die kommen doch wegen meines Projektes.« Schlagartig fiel ihr ein, dass ihr Bruder ja einen Laden aufmachen wollte. »DESSERT INN – vegane Desserts vom Allerfeinsten«. Sie stieg vom Rad. »Ich hab’ doch keine Ahnung, wie ich mit denen reden soll.«
»Sei einfach höflich und beantworte alle Fragen. Aber phantasier’ nicht rum.«
»Mel, das würd’ echt viel bringen, wenn du, also wenn eine von der Polizei, mit dabei …«
»Ich kann nicht!«, fiel sie ihm ins Wort und schloss gleichzeitig ihr Rad ab. Gerade kam Zweifel um die Ecke und winkte sie zu sich. »Du packst das schon allein. Bis dann.« Sie legte auf und packte ihr Handy weg.
»Morgen Melzick«. Adam Zweifel war der Einzige, der sie so nannte. Sie hatte sich nie darüber beschwert. Insgeheim gefiel ihr diese Anrede ganz gut. Hatte für sie irgendetwas Straßenkämpferisches.
»Zweifellos ein guter Morgen«, war ihre Standardantwort darauf.
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