Sie sahen sich an, und der Doktor sagte, er solle sich zu ihm setzen mit der Decke. Es sei kühl geworden.
Er überlegte, ob er seinen Arm um Knolle legen sollte, oder ihm wenigstens mit der Hand über die Schulter fahren sollte.
Das wäre wie kondolieren, dachte er, zog seinen Arm wieder zurück und fragte, ob Anna die polnische Frau sei, die eine Zeit lang bei ihm gewohnt habe.
„Ania“, sagte Knolle, „mit ‚i’ und einem ‚n’.“ Ja, Ania habe solche Schuhe getragen. Und er könne sich nicht vorstellen, dass sie die freiwillig ausgezogen und dann auch noch liegengelassen hätte. „Sie war auf dem Weg nach Polen.“
Das nehme er auch nicht an, sagte der Doktor. Es sei aber viel wahrscheinlicher, dass es sich nicht um die Schuhe seiner Ania handele. Eisenbeschläge hätten schließlich viele Schuhe.
„Aber nicht solche.“ Er fuhr mit einem Finger an dem Eisen entlang - so vorsichtig, als ob er es streichele, dachte der Doktor -. „Mit einer geraden Kante hinten. Bei uns sind die Beschläge gebogen, vorne und hinten.“
„Immer?“
„Ich habe noch keine anderen gesehen.“
Aber auch das müsse noch nichts heißen, sagte der Doktor.
„Es sind Anias Schuhe, Doktor. Sie kannte den Weg zur Heuwiese. Nur densind wir zusammen gegangen, ein paar Mal, wegen den Kräutern. Ins Dorf ist sie nie mitgekommen. Sie wollte mit den Leuten nichts zu tun haben.“
Er saß, nach vorn gebeugt, die Arme auf die Knie gestützt, sein Gesicht auf die Schuhe gerichtet mit einem Blick wie nach innen gerichtet auf ein Bild, das er von Anias Schuhen in seinem Gedächtnis gespeichert zu haben schien. Das halb verrottete Schuhwerk vor ihm schien ihm ausschließlich als Marke zu seiner inneren Gewissheit zu dienen. Die Unzuverlässigkeiten des vermodernden Leders waren für ihn ohne Bedeutung. Das spürte der Doktor.
Er fragte, wann sich Ania denn auf den Weg gemacht habe.
Irgendwann habe sie es nicht mehr ausgehalten. Ihre Familie sei ihr wohl wichtiger gewesen als er und seine …, er stockte, und es zuckte in seinem Gesicht und er fuhr fort, ja, so sei das gewesen.
Dann erzählte er von Ania, so wie er sie in seinem Gedächtnis behalten hatte, von ihrer Freundschaft und sanft sei sie gewesen, und wie sie sich verstanden hätten, auch ohne viele Worte. Und wenn sie ihn zu sich in ihr Bett gewunken habe … Der Himmel auf Erden sei es gewesen. Wenn sie geblieben wäre, hätte er sie geheiratet. Das Gerede der Leute habe ihm nichts ausgemacht. Aber eines Morgens habe ein Zettel auf dem Küchentisch gelegen und seitdem sei sie weg.
‚Dziękuję 6Danke’ und ‚Przepraszam 7Absalon’ habe auf dem Zettel gestanden. Irgendwann habe er ihr seinen Vornamen gesagt und was przepraszam 7heiße, wisse er nicht.
Eine Entschuldigung, sagte der Doktor.
„Ach so“, sagte Knolle und es zuckte wieder in seinem Gesicht.
„Knolle, Ania ist weg, mehr weißt du nicht. Alles Andere … Meine Güte, was ist nicht alles passiert nach dem Krieg. Dieses Leder da und der Beschlag, dafür gibt es tausend Erklärungen. Wann ist sie gegangen?“
„Vor zwei Jahren ungefähr.“
„Die ist sicher längst in Polen, so wie meine Heidelinde in Kanada und irgendwann kriegen wir beide einen Brief und sie schreiben uns, dass es ihnen gut geht. Und darauf trinken wir jetzt.“
„Das wär schön“, sagte Knolle und erwiderte das Prost seines Freundes. Trotzdem, er würde gern noch mal zu der Stelle gehen, aber nicht allein. Ob er ihm den Gefallen …
„Am besten gleich morgen, vielmehr heute“, sagte der Doktor beim Blick auf die Uhr.
„Dziękuję 6“, sagte Knolle.
„Proszę 8“, antwortete der Doktor.
Sie sahen in die Nacht. Der Morgen schob sich nun vor die Sterne.
„Bald muss ich wieder in den Stall“, sagte Knolle.
„Ich muss auch los“, sagte der Doktor und legte die Decke neben sich auf die Bank.
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