1 ...6 7 8 10 11 12 ...21 »Da hat er bums gemacht und unten ist er«, frotzelte der Hilfssheriff hinter mir. »Los, steh auf, du hast doch lange genug geschlafen!«
Ich erwiderte nichts, während ich mich aufrappelte. Meine Liste mit den Dingen, die ich in meinem Leben unbedingt noch machen wollte, war jedoch soeben um den Punkt Ombringer umlegen erweitert worden.
Mein Hemd war an der Schulter eingerissen, meine Jeans mit Staub bedeckt und selbst in den Haaren trug ich noch ein paar Hinterlassenschaften der Straße – mein Outfit war also mehr als angemessen für einen Besuch beim Oberhaupt dieser Stadt, dessen Büro wir kurz darauf betraten.
Bürgermeister Jogrund Honesty residierte natürlich im Rathaus, einem Gebäude am südlichen Ende der Stadt, das sich eigentlich kaum von den anderen Holzbauten in Copperhole unterschied. Weder Erhabenheit noch Würde strahlte dieser Bau aus und repräsentative Insignien oder gar Prunk suchte man hier vergebens, sowohl außen als auch innen. Lediglich der schwere Schreibtisch des Bürgermeisters war aus einem edlen, dunklen Holz gefertigt, das perfekt mit der ebenfalls dunklen Wandvertäfelung in seinem Amtsraum harmonisierte. Hinter diesem Schreibtisch saß das Gemeindeoberhaupt dann auch. Er war ein älterer Zwerg mit grauem Haarkranz, einem ebenso grauen Backenbart und einer schmalen Lesebrille auf der Nase, über deren Rand er uns anblickte, als wir den Raum betraten.
Sheriff McHardy saß auf einem Sessel vor dem Schreibtisch. Er erhob sich verärgert, als er mich in Handschellen sah.
»Was soll denn dieser Blödsinn?«, fuhr er seinen Deputy an. »Nimm ihm sofort die Dinger ab!«
»Dein Büttel würde sogar ein Brathuhn fesseln, wenn er mit ihm allein sein müsste«, bemerkte ich, während ich von meinen Fesseln befreit wurde. »Es könnte ihn ja angreifen.«
Bürgermeister Honesty verzog keine Mine. Er musterte mich stumm und wandte sich dann dem Hilfssheriff zu. »Danke Deputy, Sie werden hier nicht mehr gebraucht!«
»Wie auch sonst nirgendwo«, fügte ich hinzu.
Während Ombringer sich trollte, nahm der Bürgermeister ein Schriftstück von seinem Tisch und überflog es kurz. Danach sah er mich mit vorwurfsvollem Blick an. Die Ernsthaftigkeit und Seriosität schienen ihm dabei aus jeder Pore zu dringen.
»Gungo Large, die Geißel dieser Stadt. Zweiundzwanzig Verhaftungen wegen Trunkenheit, Körperverletzung und ungebührlichem Verhalten allein in diesem Jahr.« Der grauhaarige Zwerg legte seine ohnehin schon runzlige Stirn noch mehr in Falten. »Das geht so nicht weiter. Stimmen Sie mir da zu, Mister Large?«
Ich nickte und versuchte ein möglichst unschuldiges, aufrichtiges Gesicht zu machen. »Ich bin da ganz Ihrer Meinung, Eure Bürgermeisterlichkeit. Der Sheriff muss endlich damit aufhören, mich ständig zu verhaften. Ich fühle mich auch schon in höchstem Maße gemobbt!«
Honesty erwiderte nichts. Er erhob sich von seinem Stuhl und begann, bedächtig schweigend in seinem Büro hin und her zu gehen. Den Kopf hielt er dabei gesenkt, so als würde er hoffen, auf dem Boden die passenden Wörter zu finden, nach denen er anscheinend suchte.
Sheriff McHardy saß währenddessen in seinem Sessel und hielt sich gänzlich aus der Unterhaltung raus. Doch während er einen ganz zufriedenen Eindruck machte, fragte ich mich, wieso im Rahmen unserer Zusammenkunft keine Drinks angeboten wurden. Unter Ehrenmännern war so was doch eigentlich selbstverständlich. Vielleicht würde es der Bürgermeister noch tun, so hoffte ich, denn meinem Wohlbefinden wäre ein Schluck Whisky sehr zuträglich gewesen.
Nach einer Weile blieb Honesty vor mir stehen.
»Lassen Sie mich ehrlich sein, Large.« Er verschränkte die Arme vor seiner Brust, kniff die Augen ein wenig zusammen und bedachte mich mit den abwertendsten Blicken, zu denen er wohl fähig war. »Ich will Sie nicht mehr in meiner Stadt haben! Sie sind wie ein Streifen Scheiße in einer sonst blütenweißen Unterhose und ich werde nicht zulassen, dass Sie diesen schönen Ort weiterhin mit Ihrer Anwesenheit verunreinigen.«
Solch einen rüden Tonfall hatte ich von so einem distinguierten, älteren Zwerg wahrlich nicht erwartet. Unverständlicherweise schien er keine sehr gute Meinung von mir zu haben, womit sich die Sache mit dem Drink wohl auch erledigt hatte.
Er entspannte sich jedoch schnell wieder ein wenig, trat einen Schritt zurück und lehnte sich lässig gegen seinen Schreibtisch.
»Sheriff McHardy hat mir allerdings von Ihrer, sagen wir mal, schwierigen finanziellen Situation berichtet und dass Sie weder über ein Pferd, noch über Barschaft verfügen. Ich bin kein gewissenloser Zwerg, Mister Large, und ich möchte Sie nur ungern so mittellos aus der Stadt jagen. Immerhin haben Sie als Kriegsveteran ja auch irgendwann mal unserem Land gedient. Darüber hinaus hat der Sheriff mir erzählt, dass Sie sich als eine Art Söldner sehen, aber in unserer friedlichen Stadt damit natürlich nur sehr wenig Erfolg haben.«
Die Mine des Bürgermeisters erhellte sich und plötzlich schenkte er mir sogar ein Lächeln, welches allerdings so falsch war wie ein rostender Goldbarren. »Nun, Mister Large, ich hätte da vielleicht einen passenden Job für Sie – eine kleine Aufgabe außerhalb der Stadt, die mehr als nur angemessen bezahlt wird. Mit dem Geld könnten Sie danach irgendwo neu anfangen, egal wo, Hauptsache weit weg von hier. Ein Pferd und etwas Proviant bekämen Sie von mir ebenfalls zur Verfügung gestellt. All das natürlich nur unter der Voraussetzung, dass Sie danach nie wieder – und ich meine nie wieder – nach Copperhole zurückkehren.«
Der Bürgermeister ging wieder hinter seinen Schreibtisch und setze sich, während ich ihn argwöhnisch beobachtete. Seine unerwartete Hilfsbereitschaft weckte das Misstrauen in mir, so wie es mir entgegengebrachte Wohltätigkeit grundsätzlich tut.
»Und was wäre das für ein Job?«, wollte ich wissen. »Irgendein Verlies von Riesenspinnen befreien, ein verwunschenes Artefakt suchen oder irgendwelche Schmuckstücke in heiße Lava schmeißen?«
Bürgermeister und Sheriff sahen mich irritiert an.
»Wie kommen Sie denn auf so abstruse Ideen?«, fragte Honesty. »Kommt das vom Alkohol? Na egal, natürlich ist es nichts derart Groteskes. Sagt Ihnen der Name Athuro etwas?«
Ich nickte. »Colonel Don Athuro, natürlich, wer kennt den Namen nicht? Er ist der größte, mächtigste und reichste Rancher hier in der Gegend. Im Grunde gehört ihm der halbe Westen Avaritias.«
»Und außerdem ist er mein Cousin«, fügte Honesty hinzu. »Er hat mich gebeten, ihm einen Zwerg zu schicken, der sich im Umgang mit Schusswaffen gut auskennt und der sich selbst zu helfen weiß. Nach allem, was ich über Sie gehört habe, wäre ein Raufbold wie Sie wohl genau der richtige Mann.«
»Sie haben so einflussreiche Verwandtschaft?«, wunderte ich mich. »Und trotzdem haben Sie es nur zum Bürgermeister eines so winzigen Kaffs gebracht? Irgendwie traurig. Was für eine Aufgabe hat Ihr Cousin denn nun für mich?«
Honesty ignorierte meine spitze Bemerkung und beschränkte sich etwas säuerlich dreinblickend auf die Beantwortung meiner Frage. »Das wollte er mir nicht verraten. Als Verwandter bin ich dennoch dazu verpflichtet, seinem Wunsch nachzukommen. Die Details müssten Sie also mit ihm selbst besprechen. Wie Sie vielleicht wissen, liegt seine Ranch etwa einen Tagesritt von hier entfernt. Nun, was sagen Sie?«
Ich ließ mir mit meiner Antwort etwas Zeit, obwohl ich mich eigentlich schon entschieden hatte. Ein Pferd, Proviant und eine Menge Geld – mir gingen tatsächlich die Argumente aus, um meinen Hintern nicht aus der Stadt bewegen zu müssen. Zudem war dies ein Angebot, das ich eigentlich gar nicht ablehnen konnte. Die Alternativen waren zwar gar nicht zur Sprache gekommen, doch sie würden wohl allesamt nicht gerade angenehm für mich sein. Der Bürgermeister würde wohl nicht zögern, mich ohne einen Cent in der Tasche oder einen Gaul unter dem Hintern aus der Stadt zu jagen. Vielleicht würde er mich vorher auch noch eine geraume Zeit lang in der Zelle schmoren lassen.
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