„Ach Ole,“, ließ sie sich erschöpft auf seinen Oberkörper zurücksinken, wobei sie hörbar ausschnaufte, ehe sie anfügte: „Die haben sich vorhin verliebt in die Büsche geschlagen und werden sich dort bestimmt gegenseitig die Seele aus dem Leib vögeln! So, nun ist aber Schluss mit den dämlichen Fragen und es wird geschlafen. Du weißt doch sicherlich noch, wie unangenehm ich werden kann, wenn ich nicht das bekomme, was ich möchte!“.
„Was?“, schreckte Martin aus dem Tiefschlaf gerissen hoch, als sich 2 weiche Lippen auf seine legten.
„Es ist alles in Ordnung, ich bin es nur, Sophia!“, flüsterte sie ihm daraufhin sanft ins Ohr, bevor sie ihn erneut küsste.
„Sophia?“, riss Martin überrascht die Augen auf. „Was machst du denn hier! Und wie um alles in der Welt hast du mich hier oben gefunden?“, betrachtete er sie überrascht.
„Na, indem ich dich gesucht habe!“, lächelte sie ihn glücklich an. „Oder vielmehr, weil Mamá mir vorhin den entscheidenden Hinweis gegeben hat, dass du dich diesem Ort sehr verbunden fühlst“, beugte sie sich zu ihm hinunter und setzte zu einem erneuten Kuss an.
Unbewusst spitzte er die Lippen, dann jedoch zögerte er, während er seinen Kopf ein Stück zurückzog, weil er an gestern Nachmittag dachte, nachdem sie ihre Mutter erwähnt hatte.
Doch, bevor er allzu lange über diese delikate Situation nachdenken konnte, legte sie ihm ihren Zeigefinger auf die Lippen und öffnete den Reißverschluss seines Schlafsacks. „Es ist wirklich alles in Ordnung, glaube mir!“, sagte sie erneut in einen beruhigenden Tonfall, ehe sie ungefragt zu ihm in den Schlafsack krabbelte und sich an ihn heran kuschelte. Danach schwieg sie und ließ stattdessen eine Hand sanft über seinen bettwarmen Körper gleiten.
Währenddessen kämpfte Martin mit sich, um nicht dem innerlichen Druck nachzugeben, lautstark zu protestieren, oder aufzuspringen und wegzurennen. Fühlte er sich doch erneut allzu sehr bedrängt von ihrer forschen Vorgehensweise, so dass er stocksteif vor ihr lag und sie mit großen Augen anstarrte, doch je länger er sie gewähren ließ, umso mehr gewann ein anderes Gefühl in ihm die Oberhand und dieses lange nicht verspürte Gefühl war einfach nur großartig! Die sanften Berührungen ihrer Fingerspitzen und das sanfte Kratzen ihrer Fingernägel auf seiner Haut riefen irgendwann ein so wohliges Kribbeln in ihm hervor, dass er vor Glück erschauderte.
Als dieses Gefühl jedoch schwächer wurde, da ihre Bewegungen immer mehr ins Stocken gerieten, während ihre Atmung immer flacher und schneller wurde, wurden auch seine Augenlieder immer schwerer, so dass er kurz darauf ebenfalls einschlief.
Himmel, Erde und Anderswelt
Anne konnte ihr Glück noch immer nicht fassen und war seit dem Moment völlig euphorisiert, als Lotta sie gefragt hatte, ob sie eine Handfasting mit ihr eingehen wollte. Freudestrahlend hatte sie zugestimmt und war daraufhin ebenfalls, ohne lange zu zögern, über das große Feuer gesprungen, um mit diesem traditionellen Opfer das Wohlwollen der Götter zu erbitten.
Nach der Zeremonie, bei der sie ihre Verbindung symbolisch mittels eines Knoten besiegelt hatten, hatte sie sich mit Lotta in einer kleinen Bucht zurückgezogen, wo sie sich im schwarzen Sand und in der warmen Brandung leidenschaftlich geliebt hatten.
Noch immer durchströmte sie ein Gefühl von Verbundenheit zu Lotta wie flüssiges Glück, aber auch zu allen anderen, ob es nun Menschen, Tiere, Pflanzen oder die 4 Naturelemente waren. Sie fühlte sich eins mit ihnen, was ein ebenso wundervolles, wie auch berauschendes Gefühl war.
Dass es gerade mal 2 Monate her war, seitdem sie zuletzt versucht hatte, sich die Pulsadern aufzuschneiden, kam ihr gerade so unwirklich vor, wie all die anderen Sachen, die seitdem Moment passiert waren, nachdem Lotta sie auf einer Autobahnraststätte bei Neumünster aufgegabelt hatte, an der sie gestrandet war, weil sie zuvor einem ekligen Autofahrer fast einen Finger gebrochen hatte, der sie als Tramperin zuerst freundlich lächelnd mitgenommen hatte, jedoch nur um sie hinterher zu begrapschen.
Zu diesem Zeitpunkt war sie sowohl physisch wie auch psychisch am Ende. Physisch forderte ihr Sportstudium täglich neue Höchstleistungen von ihr, ebenso wie der Job als Trainerin in einem Fitnessstudio und beides hatten ihre Kräfte mit der Zeit aufgebraucht. Dass diese Form von exzessivem Sport eine verbreitete, wenn auch recht unbekannte Form von Magersucht ist, ist ihr erst vor kurzem bewusst geworden. Denn die körperlichen Ermüdungserscheinungen überdeckten wunderbar ihre psychischen Probleme, die sie mit ihrem Kind Ich hatte, welches sich noch unter der harten Knute ihres Vaters wähnte. Außerdem hatte sie erst durch Lotta erfahren, dass Bisexualität nichts Unnatürliches ist. Im Gegenteil, der glückliche Umstand, dass sowohl Lotta wie auch sie selbst sich in kürzester Zeit in Ole, wie auch ineinander, verliebt hatten, komplementierte ihr Glück.
Und in dieser Triade ergänzten sich alle prächtig. Ole gab ihr die Stärke und den Rückhalt, um aus den Schatten ihres patriarchischen Vaters zu treten, welcher ihr zuvor das Leben sprichwörtlich zur Hölle gemacht hatte, nachdem er sie einmal mit ihrer besten Freundin im Bett erwischt hatte.
Zudem zeigte Lotta ihnen, dass Liebe teilbar ist, was für sie eine befreiende Erfahrung war, da in dieser Beziehungsform keiner einen Ausschließlichkeitsanspruch auf den anderen hegt, weder auf dessen körperliche noch auf dessen geistige Liebe.
Dies mag auf den ersten, durch westliche Sozialisation geprägten Blick abwegig, ja sogar ein wenig unmoralisch klingen, entpuppte sich aber für Ole und sie bei näherer Betrachtung als die natürlichere, wenn auch etwas kompliziertere Art des Zusammenlebens, bei der sie sich jedoch noch ab und zu ein wenig schwertat. Denn Polyamorie, wie diese Art des Zusammenlebens heißt, baut unter anderen auf der Erkenntnis auf, das Eifersucht nur ein Gefühl ist, das dadurch hervorgerufen wird, dass man zu wenig Aufmerksamkeit oder Anerkennung von seinem Partner bekommt.
Ole hatte sie zwar noch nie mit zu wenig Aufmerksamkeit oder Anerkennung bedacht. Dennoch verflog ihre Euphorie schlagartig, als sie ihr gemeinsames Schlafzimmer betrat und Angela hüllenlos schlafend in seinem Arm vorfand.
Überrascht blieb Anne noch im Türrahmen zum Schlafzimmer stehen, während sie argwöhnisch die Szene betrachtete, die sich ihr hier unverhofft bot.
Eben noch vor Glück schwebend und sich mit allem verbunden fühlend, fühlte sie jetzt nur noch eine tiefsitzende Wut in sich. ‚ Oh Ole, was macht sie nur mit dir? ‘, zischte sie kopfschüttelnd, während sie allzu deutlich eine fast schon vergessene Szene vor ihrem inneren Auge sah, die sich vor ein paar Wochen in Süd-Frankreich abgespielt hatte. Und genauso verständnislos wie jetzt hatte sie ihn damals betrachtet, als er völlig entblößt und gefesselt unter einem eiskalten Duschstrahl stand, nachdem Angela ihn dort mit einem Weidenstock dominiert hatte.
‚ Was hat sie nur, dass du dich so von ihr behandeln lässt und du sie dann noch so friedlich bei dir schlafen lässt?‘ betrachtete sie ihn verständnislos. Denn wenn sie an seiner Stelle wäre, hätte sie sich das nicht gefallen lassen und Angela ordentlich die Meinung wissen lassen. Danach hätte sie nie wieder ein Wort mit ihr gewechselt und sie nicht einmal mehr mit dem Arsch angeschaut. Doch stattdessen lagen sie innig ineinander verschlungen im Bett und schliefen friedlich beieinander, so als sei nichts gewesen.
Damals, wie auch jetzt machte sie dies maßlos wütend. So musste sie sich regelrecht zusammennehmen, um Angela nicht stellvertretend für ihren hörigen Freund, an die Gurgel zu springen. Denn für sie stand außer Frage, dass Angela ihn quasi verhext haben musste. Ansonsten konnte sie es nicht akzeptieren, was sich hier gerade abspielte.
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