Was dann geschah, wollte Martin nicht mit ansehen. Denn als Roswita die Kapuze abgestreift hatte, wurden darunter zwei Hörner sichtbar. Und als ob ihn das nicht schon genug schockierte, ging sie ebenfalls in die Knie und fiel über die Frau vor ihr her, die sich in den Sand zurückfallen ließ und die Beine spreizte.
Kopfschüttelnd rollte Martin sich auf den Rücken, während seine Gedanken erneut Achterbahn fuhren. Denn solche Szenen kannte er bisher nur aus satanistisch angehauchten Pornofilmen, die sich damals seine Stubenkameraden während seiner Bundeswehrzeit angeschaut hatten.
‚ Aber, Roswita eine Satanistin und wie es aussah ihre hohe Priesterin? Nein, das konnte nicht sein!‘ , schüttelte er bei diesem Gedanken verneinend seinen Kopf. Denn seines Wissens fühlte sie sich als Hippie-Frau doch mit Allem verbunden. Und dies stand im krassen Gegensatz zu Satanisten, die doch eher misanthropisch veranlagt waren.
Weiterhin irritiert starrte er zu den wie immer beeindruckenden Sternenhimmel hinauf. Dabei dachte er über diesen eigenartigen Tag nach, bis ihn der Klang einer Trommel aus seinen Gedanken riss, woraufhin er die Szene unter sich wieder in Augenschein nahm. So sah er wie Roswita, die die Kapuze wieder hochgezogen hatte, mit dem Rücken vor den großen Holzhaufen stand, während sie die Arme in die Luft streckte. Mehr konnte er durch die einsetzende Dunkelheit jedoch nicht mehr erkennen.
Deshalb ärgerte er sich darüber, dass er seinen Feldstecher nicht zu Hand hatte, bis ihm plötzlich einfiel, dass er ihn doch dabeihatte. Denn sein Rucksack mit seinen Habseligkeiten lag neben ihm und darin befand sich eins seiner wenigen, verbliebenen Schätze, sein restlichtverstärkendes Fernglas. Und so lag er kurze Zeit später, wie in etlichen Biwaks geübt, hinter einen schützenden Felsen und nahm das Spektakel unter sich erneut ins Visier.
Roswita konnte er nun wieder gut erkennen, was unter anderem auch daran lag, dass sie mittlerweile eine Fackel in der Hand hielt, mit der sie feierlich auf den großen Holzhaufen zuschritt.
Dort angekommen verharrte sie einen Augenblick und reckte erneut die Arme in die Höhe, woraufhin die Trommeln verstummten und sie kurz darauf laut und deutlich ausrief: „Oh strahlender Mond, wir, die Senoras del la Luna llena, grüßen dich. Leuchte über uns und erfreue dich am Schein des Feuers!“. Dann senkte sie feierlich die Fackel zum Boden, woraufhin dort eine zweite Flamme erschien, die sich schnell ins Innere des Holzstapels ausbreitete, wobei es das übrige trocken abgelagerte Holz in Brand setzte.
Dann schritt sie zu dem kleinen Holzhaufen und entfachte dort ebenfalls ein Feuer mit der Fackel.
Was es mit den 2 Holzhaufen auf sich hatte, erschloss sich ihm immer noch nicht. Während Martin darüber nachdachte, wanderte der Brennpunkt seines Feldstechers unbewusst zwischen den Frauen hin und her, wodurch die Frage kurz in dem Hintergrund rückte. Denn live hatte er schon lange nicht mehr und dann auch noch so nahe, so viel nackte, weibliche Haut gesehen.
Schließlich blieb sein Blick bei Anne hängen und ebenso wie ein paar Tage zuvor, verschlug ihr bloßer Anblick ihm auch jetzt kurz den Atem.
Als er danach allerdings eine schlanke Dunkelhaarige kurz etwas länger ins Visier nahm, da ihre hübschen, kleinen Brüste jeweils mit einer silbernen Kreole verziert waren, hatte er plötzlich das Gefühl, als sein Blick höher zu ihrem Gesicht wanderte, dass sie ihn ebenfalls direkt ansah.
Erschrocken legte er ad-hoc seinen Feldstecher zur Seite. Dann schämte er sich dafür, dass er die Damen so unverhohlen beobachtet hatte. Denn nun kam er sich erneut wie ein Spanner vor und war es wohl auch.
Doch als er erneut zum Strand hinuntersah, war dieser Gedanke vorerst vergessen und er bereute es nicht, den Feldstecher zur Seite gelegt zu haben, da er nun wieder die gesamte Szenerie überblicken konnte.
Mit Erstaunen stellte er dabei fest, dass die Frauen mittlerweile, im Takt der eingesetzten Trommeln, um die Holzhaufen herumtanzten, während ihre nackten Körper ekstatisch zuckten und sie irgendetwas sangen. Dies ging eine ganze Weile so, so dass Martin sich schon zu langweilen anfing.
Doch dann mit einem Mal verstummten die Trommeln und die Frauen stellten sich in zwei Halbkreise vor den kleinen brennenden Holzhaufen auf.
Die ihm zugewandten Frauen nahmen kurze Zeit später, jeweils einen von mehreren identisch aussehenden Beuteln von einer Frau entgegen, die Martin auch ohne Fernglas und Verkleidung erkannte, handelte es sich doch wieder einmal um Roswita.
Als alle ihren Beutel öffneten, griff Martin neugierig erneut zum Feldstecher. Konzentriert scannte er dieses Mal bewusst nur die Hände der Damen ab und so erkannte er, dass die Beutel lediglich eine Scheibe Brot enthielten.
Ein wenig enttäuscht, wollte er gerade das Fernglas zur Seite legen, da trat Anne vor, deren Brotscheibe ein wenig dunkler war als die der anderen. In ihrem Gesicht erkannte er, das sie irritiert war, als sie von Roswita ein Haarband entgegennahm, mit dem sie sich die Haare sorgsam zusammenband.
Derweilen ergriff Roswita ihren Dolch mit dem sie zuerst in Richtung des kleinen, brennenden Holzstapels deutete, bevor sie ihren Arm erhob und mit dem Dolch irgendetwas in die Luft zu schreiben schien.
Daraufhin rannte Anne los.
Erschrocken hielt Martin die Luft an, bevor er vernehmlich zischte: „Nee, sie wird doch nicht…!“.
Währenddessen erwischte die Jugendfreundin seiner Schwester einen guten Absprung und sprang mit einem gewaltigen Satz über die brennenden Hölzer. Jubelnd und frenetisch kreischend, wurde sie von den Frauen auf der anderen Seite empfangen und begrüßt.
Danach trat Anne ein Stück zur Seite und die Beutel wurden erneut von Roswita verteilt. So wiederholte sich diese Szene abwechselnd auf beiden Seiten, bis alle Frauen über das Feuer gesprungen waren.
Als die Letzte gesprungen war, nahmen sich alle an den Händen und tanzten um den großen Holzhaufen herum, während sie enthusiastisch ein Lied sangen.
Unterdessen wartete Martin gespannt darauf, was als Nächstes geschieht, wobei er die dunkle Vorahnung hatte, dass sich das ganze Schauspiel bei dem großen Holzhaufen wiederholen wird.
Und tatsächlich, auf einmal teilten sich die Damen erneut in zwei Halbkreise auf und die junge Dame des Nordens, aus dem Eingangsritual, löste sich von den anderen.
Mit stockendem Atem griff Martin erneut zum Fernglas und so konnte er deutlich erkennen, wie sie eine Art Trampolin mit etwas Abstand zum Feuer platzierte. Dann lief sie zurück und rannte auf das Trampolin zu, ehe ihr Körper in einem hohen Bogen emporstieg. Diese Bewegung mündete in einem Salto überm Feuer, bevor sie mit federnd weichem Knie perfekt auf der anderen Seite landete.
Dort hoben sie ein paar Damen auf die Schultern und trugen sie so ums Feuer, wobei der allgemeine Jubel keine Grenzen mehr kannte. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, rannte sie unvermittelt Anne entgegen und sprang ihr rittlings um die Hüften.
Überrascht stockte Martin der Atem, als er sah, wie sie sich wild und ausdauernd küssten, nachdem sich die beiden etwas zugeflüstert hatten, dass sie dann den Anwesenden feierlich mitteilten.
‚ Wie jetzt! Anne und die Frau des Nordens? ‘, senkte er fragend sein Fernglas, als er versuchte diese überraschende Information zu verarbeiten. Dabei bemühte er sich den Gedanken zur Seite wegzuschieben, was Anne und seine Schwester wohl so alles getrieben hatten, als sie, wie so oft, bei ihnen früher übernachtet hatte. So konzentrierte er sich lieber wieder darauf, was unter ihm vor sich ging.
Nach einer kurzen Konzentrationsphase nahm Anne selbst Anlauf, bevor sie ebenfalls mit einem gewaltigen Satz über das Feuer sprang. Allerdings war ihre Landung bei weitem nicht so elegant, wie die ihrer Vorgängerin, sondern glich mehr einer Judorolle. Doch sprang sie sofort auf und rannte jubelnd und mit erhobenen Armen zu dem steinernen Tisch, wo Roswita und Lotta schon auf sie warteten. Vor Freude strahlend ergriff sie Lottas hingehaltene rechte Hand, während sie rote Flecken am Hals bekam.
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