Susanne Wiborg - Mein Garten, mein Paradies

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Wer einmal Susanne Wiborgs Gartenkolumnen gelesen hat, ist ihnen verfallen wie sonst nur dem eigenen Garten. Das kennt man, genauso ist es … Wie konnte man je ohne Stockrosen leben, ohne Elfenkrokusse, diese 'glückliche Frühlingsüberraschung'? Wo kriegt man die Perle d'Azur, diese aparte Clematis mit den vergissmeinnichtblauen Blüten, her, die den legendären Garten von Sissinghurst schmückt? Wie bekämpft man Giersch erfolgreich? Und wäre 'geflecktes Lungenkraut' nicht doch zu überlegen, wenn man es mit Susanne Wiborgs Augen sieht – unter den Heckenrosen ein Beet voller aufmerksam gespitzter dunkelgrüner Ohren?
Blumen, Sträucher, Bäume wohnen in diesem Garten und pflegen ihr Eigenleben. Und sie bieten ein wundervolles Habitat für andere Bewohner:Frösche, Eichhörnchen, Hirschhornkäfer, Spitzmäuse, zauberhafte Vögel, Libellen und Hornissen – und immer dabei:Erbse, der Terrier.
Susanne Wiborg erzählt Gartengeschichten und vermittelt nebenbei manch kluge Einsicht, manch guten Tipp. Perfekte Lektüre für die gartenfreien Wintermonate.

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Susanne Wiborg

Mein Garten, mein Paradies

Mit Bildern von

Rotraut Susanne Berner

Verlag Antje Kunstmann Neues vom Alten Burgunder Rauhes Klima Sandboden - фото 1

Verlag Antje Kunstmann

Neues vom Alten Burgunder Rauhes Klima Sandboden Regen überreichlich - фото 2

Neues vom Alten: Burgunder

Rauhes Klima, Sandboden, Regen überreichlich: Weinbaugebiet sieht irgendwie anders aus. Weil ich trotzdem von prächtigen Reben geträumt habe, waren Enttäuschungen lange reihenweise vorprogrammiert: Sorten, die unser Klima angeblich vertragen sollten, taten es mitnichten. So hatte mich die harte Heide-Realität irgendwann gelehrt, dankbar zu sein, falls sich wenigstens ein paar Blätter bis zur Herbstfärbung hielten, und weitergehende Winzer-Träume aufzugeben.

Bis der Alte kam. Genauer gesagt: Er kam nicht, ich entführte ihn. Unter dem wartenden Abrissbagger weg schaffte ich es noch, einige Ranken von einem uralten Weinstock zu bergen, der mich an der Wand eines kleinen, jahrelang leer stehenden Bauernhauses schon lange fasziniert hatte. Dort, längst tief im Schatten und inmitten von Müll und Verfall, war er als lebende Unmöglichkeit nicht nur zu einem sagenhaft üppigen und gesunden, sicher gut hundertjährigen Stock herangewachsen, der zum Schluss das ganze Haus überwucherte, sondern hatte auch noch unermüdlich Unmengen kleiner dunkelblauer Trauben getragen. Kurzum: Unter den denkbar ungünstigsten Umständen verkörperte er die größte Stärke von Vitis vinifera : diese fröhliche, schier unbezähmbare Vitalität.

Die zeigte sich auch an den Stecklingen: Alle trieben prompt aus, und bald war ich stolze Besitzerin von mehreren kräftigen kleinen Reben. Einige zogen um, um das alte Backhaus eines emsländischen Bauernhofes zu besiedeln, die anderen lieferten mir den willkommenen Grund, endlich einiges vom überalterten Vorbesitzer-Gestrüpp aus dem Revier zu verbannen. Bisher hatte ich es aus Pietät nicht angetastet, doch nun brauchte mein Nachwuchs eine Pergola, also: Rotwein statt Riesenberberitzen!

Der erste Frühjahrsaustrieb lehrte mich dann, die Neuzuwächse wirklich zu lieben: Er war von einem wunderschönen, intensiven Burgunderrosa, die Triebspitzen weiß bepudert. Schien die Sonne, funkelte die aparte Farbe regelrecht über dem frisch ergrünten Garten – ein absolut bezaubernder Effekt. Später waren die großen, rauen dunkelgrünen Blätter rund, nur leicht gekerbt und unterseits weißlich-rosa. Über mieseste Regenperioden hinweg blieben sie gesund, und die Stöcke wucherten mit genau diesem Überschwang, der die Weinrebe zum Symbol von Lebensfreude und Fruchtbarkeit gemacht hat.

Da entging mir vor Entzücken zunächst völlig, dass es mit der Fruchtbarkeit nicht weit her war: Mein sorgfältig nach Winzer-Rat gestutzter Wein blühte nicht und trug erst recht keine Früchte. Aus dem Emsland kam indessen schon die Kunde von einem ganzen Backhaus voller üppiger Trauben – Erfolgsgeheimnis: einfach in Ruhe lassen. Ich verzichtete also auf jeden Rückschnitt, und im vierten Standjahr war es so weit: Meine Weinstöcke blühten reichlich, und im Herbst baumelten von der Pergola blauschwarze Trauben gesunder Beeren, viel dicker, als sie es am Ursprungsstandort je gewesen waren. Ein Anblick, von dem ich im eigenen Garten schon längst nicht einmal mehr zu träumen gewagt hätte. Profis würden die Trauben zwar vermutlich als höchstens mittelgroß einschätzen, aber für diese Gegend ist das schon dicht am Paradies. Sie hatten derart dicke Schalen, dass sowohl Wespen als auch Vögel sie in Ruhe ließen, kein Mistwetter und kein Pilz brachten sie zum Platzen, und ihr Aroma wurde noch über den ersten Frost hinaus jeden Tag besser, sodass ich schließlich bis tief in den Herbst hinein frische Trauben ernten konnte.

Sie schmecken nach Burgunder, aber mit wem genau wir es zu tun haben, wissen wir immer noch nicht. Die Beschreibung des Schwarzrieslings, wegen des wie mehlbestäubten Austriebs auch »Müllerrebe« genannt, kommt dem Alten recht nahe, passt aber nicht ganz. Vermutlich ist es einfach eine lokale Bauerngarten-Sorte aus Kaisers Zeiten, die so robust war, dass sie sogar das raue Heide-Leben bereitwillig versüßte, und die mit dem Abriss des alten Hauses endgültig in der Vergessenheit verschwunden wäre. Vor diesem Schicksal vieler lokaler Kulturpflanzen hat ihre Vitalität sie zum Glück einstweilen bewahrt: Im Emsland hat sie – außer dem Backhaus – inzwischen eine komplette Stallwand erobert, Tendenz buchstäblich: steigend, und längst gedeiht sie auch weithin im Freundeskreis.

Selbst hier, auf dem so ärgerlich beschränkten Raum, grüble ich schon wieder, wo noch eine Pflanze mehr hinpassen könnte. Was schwer werden dürfte, denn einen Nachteil hat der wuchskräftige Beinahe-Wildling leider doch: Er hasst Einschränkungen. Muss ich die Reben hart zurückschneiden, nehmen sie das schwer übel, treiben weniger stark aus und tragen im folgenden Jahr kaum. Dürfen sie sich frei entfalten, was bedeutet: bedecken, was immer ihnen vor die Ranken kommt, hängen sie prompt voller Trauben. Also eher ein Bauernhof- als ein Minigarten-Mitbewohner, doch wo ein Wille ist, ist für eine Kletterpflanze ja bekanntlich meist auch ein Weg – nach oben. Mangelnder Wille ist wirklich das Letzte, was man dem Alten nachsagen könnte, und so wird es für ihn hoffentlich auch weiterhin heißen: Fortsetzung folgt!

Einer geht immer Efeu Typisch Februar Sobald die Sonne schon steigt der - фото 3

Einer geht immer: Efeu

Typisch Februar: Sobald die Sonne schon steigt, der Frühling aber noch hoffnungslos weit weg scheint, übersteigt mein gärtnerischer Frustpegel regelmäßig den Intelligenzquotienten. Die Weihnachts-Gartenbücher sind längst gelesen, die Kataloge sowieso, und immer noch zieht sich der Winterrest dermaßen zähe, dass ich in einem Anfall akuten Grünentzugs sogar schon im Schuppen die Werkzeuge geölt habe. Ich will endlich wieder raus, aber was kann ich da bloß machen?

Als die Sonne zum ersten Mal mühsam über die Nachbarsfichten geklettert war und es frühlingshaft warm zu werden schien, fiel mein gartengieriges Auge auf ein paar alte Blätter hinter dem Birnbaum. Normalerweise hätte ich die nicht mal registriert und gern den Regenwürmern überlassen. Aber es war eben nicht normal, es war Februar. Ich war fast ein Vierteljahr lang nur noch in dickem Regenzeug durchs Revier gehuscht, hatte höchstens mal Schneematsch räumen dürfen und die Nase voll vom Winter. Also schnappte ich mir die Fächerharke und stürzte mich mit vollem Frühlings-Elan auf die Blätter – nur um dann festzustellen, dass sie allesamt am Boden angefroren waren.

Während dieses slapstickverdächtigen Leerlauf-Harkens zupfte mich jemand unablässig an Haar und Jackenkragen: Der Efeu am Birnbaum reckte schon wieder kecke Ranken in die Luft. Hedera helix ist so ziemlich der Einzige hier, dem nicht nur die Jahreszeiten beneidenswert egal zu sein scheinen, sondern der sich im immer tieferen Fichtendunkel auch uneingeschränkt wohlfühlt. Einst haben ihn die Vögel mitgebracht, und seine Anfänge waren zart und täuschend niedlich: apart geschnittene und gemusterte Blättchen, die sich bescheiden in den Schatten duckten. Allerdings nicht lange. Inzwischen gilt: Wo ich dem Efeu keinen Platzverweis erteile, gehört alles ihm.

»Es gibt kaum ein treueres Grün«, begeistert sich ein Gartenbuch aus Kaisers Zeiten, »eine idealere Blattform, eine herrlichere Liane als den Efeu.« »Treu« ist hier allerdings ein absolutes Understatement. Was der Efeu hat, das hat er. Seine Festklammer-Fähigkeit grenzt an Magie, und wie schwer es ist, die vitale Liane auch nur einigermaßen im Zaum zu halten, brauche ich niemandem zu erklären, der mit Hedera helix ein kleineres Revier teilen muss als eine zünftige Burgruine.

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