1 ...7 8 9 11 12 13 ...24 »Ruh dich aus, Sarah. Du bist ganz heiß! Du musst jetzt viel trinken und schlafen. Die Sonne war zu viel für dich, du weißt selbst, man sieht dann viele Dinge, die nicht so sind, wie sie scheinen.«
Sie wollte etwas entgegnen, blieb aber still, als Andrew ihr einen kühlen Lappen auf die Stirn legte und Sarah spürte, wie gut es tat.
Hatte er wirklich Recht? Hatten ihre Augen und ihre Sehnsucht ihr einen Streich gespielt, hatte die Sonne ihr die Sinne vernebelt? Oder drehte sie am Ende langsam durch? Sie war sicher, früher oder später würde sie es herausfinden. Mit einem Seufzen schloss Sarah die Augen.
Esubam hatte ein Ziel. Den kleinen Laden, dessen Besitzer der angeblich beste Kartograph in ganz Ägypten war. Er hatte ihn bei seiner letzten Expedition ausfindig gemacht und überprüft, bevor er ihm den Auftrag erteilt hatte, die Originale zu kopieren und dann einen Satz der Kopien sowie die Vorlagen gut versteckt in dem Safe, den Esubam besorgt hatte, aufzubewahren. Den Schlüssel zu dem Panzerschrank hatte er selber. Er war sich sicher, dass der Besitzer keine Möglichkeit gehabt haben konnte, weitere Kopien anzufertigen.
Esubam hatte Abi zugesehen, wie dieser arbeitete. Und als er fertig gewesen war, hatte Esubam alles im Safe eingeschlossen. Noch dazu war dieser Abi ein von der Krone vereidigter Kartograph.
Trotzdem, Esubam ging immer auf Nummer sicher. Aus seinem Zimmer nahm er eine kleine Ledertasche mit und holte zwei seiner getreuen Leibwächter, die er im Hotel untergebracht hatte. So machte er sich auf den Weg.
»Oh, Sidi! Welch eine Freude für meine Augen, Euch zu sehen. Was kann ich für Euch tun?«, wieselte Abi um Esubam herum.
»Ich will an den Safe!«, brummte dieser.
Es war eine Notlösung gewesen. Im Hotel waren die Karten nach Esubams Ansicht nicht sicher genug, der hiesigen Bank traute er nicht. Zu leicht wäre es für seine Geldgeber möglich gewesen, die Karten an sich zu nehmen. In der Vergangenheit war Abi stets zuverlässig gewesen.
Esubam traute niemandem, aber er war gezwungen gewesen, diese wertvollen Karten zu verbergen. So hatte er sie bei dem Kartografen eingeschlossen, allerdings nicht, ohne Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, von denen der Ägypter nichts ahnte.
»Sicher, wenn Ihr mir folgen wollt.«
Nach wenigen Augenblicken hatte Esubam den Panzerschrank geöffnet und entrollte einen der Kartensätze. Er nahm sie, hielt sie über eine Lampe und betrachtete sie aufmerksam. Kein Muskel rührte sich in seinem Gesicht, als er erkannte, dass die Zeichen, die er mit Zitronensaft angebracht hatte, nicht erschienen. Langsam drehte er sich zu Abi um, gab seinem Leibwächter einen Wink mit den Augen. Dieser begriff sofort und stellte sich hinter den dicken Kartographen.
»Abi, ich lasse mich nicht gerne betrügen.«
»Aber Sidi! Ich bin ein ehrlicher Mann! Warum sollte ich Euch betrügen?«
»Diese Karte hier«, er hob sie hoch und ließ sie auf den Boden fallen, »ist eine Fälschung.«
»Gewiss, Sidi. Ihr habt mir den Auftrag erteilt.«
»Abi, du solltest mir Kopien machen. Die liegen hier auch. Aber das dort, das ist nicht das Original, das ich dir gab.«
Er machte einen Schritt nach vorne. Sein Leibwächter packte den jetzt schwitzenden Mann und umklammerte ihn.
»Oh Sidi! Nein! Nie würde ich es wagen …«
Esubam fasste ihm unters Kinn.
»Ich weiß nicht, wie du es gemacht hast. Aber du hast den Safe geöffnet, das Original herausgenommen, es gefälscht und dann diese Fälschung hineingelegt. Ich frage dich nur einmal: Wo ist meine Karte?«
Abis Gesicht troff vor Schweiß.
»Ich habe nicht …«
Esubam winkte ab.
»Ich sehe, du bist widerspenstig. Ich werde dir helfen, dich zu erinnern.«
Er nahm seine kleine Ledertasche, öffnete sie und nahm einen langen, vorne spitz zulaufenden Gegenstand heraus. Er nahm eine der Öllampen, die auf den Tischen standen, nahm den Schirm ab und hielt die Spitze des Gegenstandes in die Flamme. Schnell begann sie, zu glühen.
»Abi, ich erkläre dir, was geschehen wird. Sobald die Spitze richtig glüht, werde ich sie dir langsam in dein linkes Auge bohren. Es wird wehtun. Und durch die Hitze verdampft die Flüssigkeit in dem Auge. Die Wunde schließt sich jedoch. Und dann … nach wenigen Sekunden … explodiert dein Auge.«
Er wandte sich an den Leibwächter, der neben dem Kartographen stand.
»Sein Kopf!«
Mit einer Hand hielt der Mann dem Ägypter den Mund zu, mit der anderen hielt er den Kopf.
Langsam drang die Nadel in das linke Auge ein. Abi quiekte wie ein Schwein.
Die Torturen gingen weiter, Esubam war gnadenlos. Nach einer halben Stunde hatte er alle Kopien sowie sein Original zurück. Abi war blutüberströmt, er hatte sich beschmutzt.
»Bringt es zu Ende. Und dann fackelt diesen Laden ab«, gab er den Leibwächtern die Anweisung. Es knackte kurz, als einer der Männer das Genick des Geschundenen brach. Dann gossen sie Lampenöl aus und legten Feuer.
Innerhalb weniger Minuten brannte es lichterloh. Esubam war zufrieden. Er konnte nicht wissen, dass Abi einen Satz Karten bereits weitergegeben hatte.
Als sich Esubam wenig später dem Winter Palace näherte, sah er die hagere Gestalt Adils schon von Weitem. Der Mann ging vor dem Eingang hin und her, ruhelos. Es war nicht schwer zu erkennen, dass er nervös war. András fluchte innerlich: Was war jetzt wieder schiefgelaufen? Sie hatten erst einen Tag gegraben und schon ging alles daneben! Mit einer kurzen Geste schickte Esubam seine Leibwächter davon und winkte Adil, als er ihn erreichte.
»Folge mir.«
Der Ägypter gehorchte, kam dem Professor auf sein Zimmer hinterher. Unter der Sonnenbräune war Adil blass.
»Also, was funktioniert nicht und was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen?«
Adil zuckte vor der Schärfe in András Esubams Stimme zusammen, wich vor dem stechenden Blick aus seinen schwarzen Augen zurück, als könne er ihn aufspießen. Der Karawanenführer schluckte hart. Er fürchtete sich in der Tat vor dem Mann, dessen Gesicht wie eine Maske wirkte.
»Ich habe niemanden finden können, der bereit ist, sich der Expedition anzuschließen, Sidi. Die ehemaligen Teilnehmer weigern sich sogar, mit mir zu sprechen, und alle anderen, die sonst nur auf eine Gelegenheit warten, sich einer archäologischen Gruppe anschließen zu können, reden nur wirres Zeug.«
Esubam wurde hellhörig.
»Wirres Zeug? Was meinst du damit?«
Adil zwirbelte nervös die Spitze seines vollen schwarzen Bartes.
»Sie sagen, dass der Fluch des Nophta Sie getroffen hat, Sidi … dass Nophta Sie ausmerzen wird und jeder verloren ist, der es wagt, Ihnen zu helfen!«
»DER FLUCH DES NOPHTA?«
Der Wutausbruch kam für Adil völlig überraschend und er konnte der Vase, die bis eben, mit einem geschmackvollen Blumenstrauß ausgestattet, den kleinen Tisch in Esubams Zimmer geschmückt hatte und nun von eben diesem mit Schwung an die Wand geschleudert wurde, gerade noch ausweichen. Zitternd duckte der Ägypter sich hinter einen Sessel, während Esubam tobte.
»DER FLUCH DES NOPHTA? WAS SOLL DAS DENN FÜR EIN UNSINN SEIN? WER ERZÄHLT SO ETWAS?«
»I… ich vermute, die Arbeiter, die bei dem Überfall dabei waren, Sidi«, stammelte Adil und wagte sich vorsichtig wieder aus seinem Versteck hervor. »Die Halunken, die das getan haben, scheinen ihnen diesen Floh ins Ohr gesetzt zu haben, damit sie nicht wieder in den Wadi zurückkommen.«
András Esubam war fassungslos. Mit so einer Komplikation hatte er nicht gerechnet und sie konnte das Aus für seine Pläne bedeuten. Ohne Hilfskräfte konnte er sich den nächsten Weg in die Wüste sparen.
»Und das funktioniert? Seit wann hängen diese Kerle dem alten Vielgötterglauben an? Was zum Teufel ist aus Allah geworden?«
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