Irene Dorfner - Tödliche Vetternwirtschaft

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Der erfolgreiche, vermögende und überall beliebte Architekt Gerald Haferstock starb eines natürlichen Todes. Viele Menschen in seiner Umgebung sind nicht davon überzeugt. Susanne Bruckmayer überredet Rudolf Krohmer, Leiter der Polizeiinspektion Mühldorf am Inn, sich der Sache anzunehmen. Leo Schwartz und Hans Hiebler nehmen die Ermittlungen auf. Je tiefer sie graben, desto mehr sind die beiden davon überzeugt, dass Haferstock tatsächlich ermordet wurde. Aber noch fehlen die Beweise. Die Spurensicherung findet im Haus des Toten endlich deutliche Indizien für einen Mord. Wer hatte ein Interesse daran, Haferstock zu töten? Dann wird ein Bekannter Haferstocks auf die gleiche Weise getötet…

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Endlich war es so weit und er war als erster im Besprechungszimmer. Er hatte den Leiter der Spurensicherung Friedrich Fuchs dazu gebeten, obwohl es dafür noch keinen Grund gab. Fuchs war wie immer mürrisch und einsilbig, als beide auf die anderen warteten. Die Tür ging auf und Frau Gutbrod, Krohmers Sekretärin, brachte Kaffee und Kekse. Was war hier los? Warum wurde diese Besprechung zu der ungewöhnlichen Zeit einberufen? Sie wusste ganz sicher, dass kein neuer Mordfall vorlag. Eigentlich wollte sie mit ihrer Nichte Karin zum Shoppen, aber das hatte sie natürlich sofort abgesagt. Sie wollte hierbleiben und herausfinden, was es Dringendes gab. Das spitzenbesetzte graue Kleid glitzerte in der Abendsonne und die vielen Armringe klimperten laut gegeneinander, als sie sich setzte. Frau Gutbrod war 62 Jahre alt und war eigentlich nur noch wenige Wochen von ihrem Renteneintritt entfernt, was sie sich nicht eingestehen wollte und wogegen sie mit Gewalt arbeitete. Sie kleidete sich nicht nur wie eine 20-jährige und achtete mit viel Disziplin auf ihre schlanke Figur, sondern färbte fast wöchentlich die grauen Haaransätze nach, ließ sich regelmäßig die Falten unterspritzen und trug seit Jahren falsche Fingernägel in den verrücktesten Variationen. Das Make-up wurde von Jahr zu Jahr dicker und auffälliger, die Röcke und Kleider immer kürzer, und die Schuhe dafür umso höher. Hilde Gutbrod wollte nicht alt werden und dachte nicht im Traum daran, jetzt schon in Rente zu gehen. Sie rechnete mit der unwahrscheinlichen Möglichkeit, dass diese Tatsache niemandem auffällt und sie noch weitere Jahre hier arbeiten durfte. Was sollte sie sonst machen? Sie hatte nie geheiratet und auch nie Kinder bekommen. Lange Zeit schob sie dieses Vorhaben vor sich her, hatte Männern gegenüber immer höhere Ansprüche; eigentlich fand sie immer etwas, was ihr nicht passte. Und irgendwann war es zu spät für eine Familie. Gleichaltrige Freundinnen waren ihr viel zu alt. Außerdem hatte sie keine Freundinnen, mit anderen Frauen außer ihrer Nichte kam sie nicht klar. Sie verbrachte ihre wenige Freizeit mit ihrer Nichte Karin. Aber die musste arbeiten. Sollte sie sich ein Hobby suchen, nur um nicht allein zu sein und irgendwie die Zeit totzuschlagen? Nein, das kam überhaupt nicht in Frage. Ihr Lebensinhalt war ihre Arbeit.

Der 38-jährige Friedrich Fuchs stöhnte hörbar mehrfach auf und saß mit verschränkten Armen auf seinem Stuhl. Krohmer versuchte, ein Gespräch mit ihm zu führen, was aber nicht möglich war. Fuchs bockte und war sauer, dass er hier seine Zeit vertrödelte und nicht wusste, was er hier eigentlich sollte. Es war schon viertel nach fünf, als die anderen endlich auftauchten. Krohmer atmete erleichtert auf.

„Schön, dass Sie hier sind, wir haben Sie schon sehnsüchtig erwartet. Setzen Sie sich und berichten Sie, was Sie herausgefunden haben.“

„Ich habe mir den Laptop des Verstorbenen vorgenommen,“ begann Wastl Kranzbichler. „Leider habe ich nichts gefunden, was für einen eventuellen Fall relevant wäre. Sorry.“

Das Lächeln war aus Krohmers Gesicht verschwunden und er sah Viktoria voller Erwartung an.

„Ich habe einige Informationen, die sehr interessant sein könnten. Die Mitarbeiterin des Verstorbenen hat uns freundlicherweise die Telefonliste überlassen und die letzten beiden Gespräche wurden mit einem Christian Huber in Mühldorf geführt. Ich habe das Alibi des Mühldorfer Hoteliers überprüft und seine Aussage stimmt, er war im fraglichen Zeitraum, also zum Zeitpunkt des Todes von Haferstock, in Wien und kann somit nicht mit ihm telefoniert haben.“

„Christian Huber vom Hotel Alpenblick?“ Krohmer war irritiert. Was hatte der Mann mit diesem Haferstock zu tun? Er kannte Huber persönlich.

„Richtig Chef. Huber und Haferstock waren befreundet. Nach dessen Aussage haben er und Haferstock zusammen an einem Projekt gearbeitet. Dabei soll es um einen Umbau eines alten Hotels in Braunau gehen, das Huber kürzlich erworben hat. Am Abend vor Haferstocks Tod wurden zwei Telefonate mit dem Anschluss Hubers geführt.“

„Dafür gibt es ganz bestimmt eine einfache Erklärung. Vermutlich nur eine Zimmerreservierung.“

„Das glaube ich kaum. Das erste Telefonat wurde 32 Minuten geführt, und das zweite 21 Minuten. Mit wem hat Haferstock gesprochen, wenn nicht mit Christian Huber?“

„Huber hat eine Tochter, die am Empfang arbeitet,“ sagte Hans, der wie die anderen auch über die Länge der Telefongespräche überrascht war. „Ihr Name ist Margit und sie ist 19 Jahre alt. Sie ist im dritten Ausbildungsjahr zur Hotelfachfrau und soll einmal in die Fußstapfen ihres Vaters treten, zumal sie sein einziges Kind ist.“

„Das stimmt so nicht ganz Chef. Huber hat auch einen Sohn, der ebenfalls im Hotel Alpenblick arbeitet. Was er genau macht, weiß ich nicht, aber ein Anruf im Hotel genügte und ich hatte meine Information. Der Name des Sohnes, der aus Hubers erster Ehe stammt, ist Karsten Huber. Er ist 26 Jahre alt und ist so etwas wie die rechte Hand seines Vaters. Das hatte ich so zumindest verstanden. Ob das der Wahrheit entspricht, ist fraglich. Wir sollten dringend mit ihm sprechen.“

Krohmer wurde nervös, denn er hatte mehrfach mit Christian Huber bei den verschiedensten Anlässen gesprochen und ihm war nicht bekannt, dass Huber einen Sohn hatte. Warum? Von seiner Tochter Margit erzählte Huber immer wieder, er war sehr stolz auf sie, obwohl sie auf ihn nicht gerade den intelligentesten Eindruck machte. Aber sie war immer freundlich und höflich zu ihm gewesen. Warum hatte Huber ihm den Sohn verschwiegen?

„Wir sind die Unterlagen des Architekturbüros der letzten 6 Monate durchgegangen, was nicht ganz einfach war, denn von diesem Metier verstehen wir überhaupt nichts,“ sagte Leo. „Wir haben das Objekt gefunden, von dem Huber gesprochen hat und das Viktoria vorhin erwähnte. Dabei geht es tatsächlich um den Umbau eines Hotels in Braunau, das Huber sehr günstig ersteigert hat. Daneben hat sich Haferstock mit einigen Neubauten und Umgestaltungen verschiedener Großprojekte beschäftigt, die sich bis nach München erstrecken. Haferstock war sehr fleißig und offenbar auch sehr gut in seinem Job, die Auftraggeber und Geschäftspartner sprechen nur gut von ihm.“ Krohmer nickte. Das war ihm alles bekannt, denn das wusste er alles schon von seiner Bekannten Susanne. „Allerdings haben wir ein Projekt entdeckt, das etwas aus dem Rahmen fällt. Haferstock hat einen Plan eines riesigen Freizeitparks am Rande Altöttings entworfen. So wie wir das verstanden haben, sind noch nicht alle erforderlichen Grundstücke gekauft worden und das Projekt ist noch in der Schwebe.“

„Das soll vorkommen,“ murmelte Krohmer enttäuscht, denn er hatte sich mehr Informationen und Hinweise auf eine Gewalttat versprochen. „Ich glaube nicht, dass dieses Vorhaben für eine Morduntersuchung relevant ist.“

„Auch nicht, wenn einer der Investoren dieses riesigen Projekts ein Christian Huber aus Mühldorf ist? Uns gegenüber hat er mit keinem Wort dieses Projekt erwähnt, obwohl den Unterlagen zufolge neben dem Plan bereits ein Großteil der benötigten Grundstücke erworben wurde. Die Sache läuft also bereits. Wir haben mit dem Grundbuchamt gesprochen und es ist tatsächlich so, dass die Grundstücke in den Besitz einer Investorengruppe übergegangen sind. Neben Christian Huber und dem Verstorbenen Gerald Haferstock sind Helmut Burgmeister und Dr. Theo Unger als Teile dieser Investorengruppe eingetragen. Um wen es sich bei den beiden Personen genau handelt, wissen wir noch nicht. Aber einen der Investoren kennen wir genau, bitte erschrecken Sie nicht: Die katholische Kirche.“

„Das ist nicht Ihr Ernst!“ rief Krohmer, der Burgmeister und auch Unger kannte. „Burgmeister ist Geschäftsführer der Großmetzgerei Müh-Gro-Fleisch in Mühldorf und Dr. Unger ist Arzt in Altötting. Und die katholische Kirche beteiligt sich an diesem Freizeitpark? Sind Sie sicher?“

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