„Es gibt was Schönes daran?“ Malin zog eine einzelne Augenbraue misstrauisch hoch.
„Ich mag das. Eine einzelne Augenbraue hochziehen. Kann meine Frau auch.“ Er lächelte. „Weißt du, Marlin...“
„Malin. Das a in der Mitte wird ausgesprochen wie das oooo im mitleidigen Oooh! Fast: Moolin. Schwedisch. Man versteckt ein r nach dem a. Malin.“
„Meine kleine Schwedin, du kannst heilen!“
„Wie bitte?“
„An Neumond. Es ist die Strafe Gottes. Kennst du den Witz mit dem Golf spielenden Rabbi?“
„Nein.“
„Pass auf. Ein Rabbi war auch Golfspieler, er ist auf Reisen und kommt in einem Hotel an. In der Frühe lugt er hinaus, es ist ein perfektes Grün, ein Golfplatz. Jungfräulich geschnitten, perfekt. Aber Scheiße, es ist Sabbat. Weißt schon, Rabbi darf am Sabbat nichts tun. Und schon gar nicht Golf spielen. Aber die Sünde ist stark im Menschen. Er denkt sich, nur ein zwei Schläge. Wenn mich jemand sieht, die Bälle können von jemand anderem sein. Und er schnappt sich seine Schläger, schleicht sich raus, keiner sieht ihn, Sommer, 5 Uhr. Und da drückt er den Tee in den Boden, legt den Ball drauf und holt mit dem passenden Schläger aus. Soweit alles klar?“
„Ja.“
„In dem Moment wandert das Bild in den Himmel, Petrus sagt da zu Gott. Ich weiß, du bist barmherzig. Aber Regeln sind Regeln. Und bei einem normalen Juden würde ich nicht mal was sagen, ich sagte schon, du bist barmherzig und rufst nach der Sünde die Gefallenen immer wieder zu dir zurück. Aber es ist ein Rabbi! Du MUSST ihn bestrafen. Und Gott überlegt, schließlich nickt er. Hast du die Pointe vom barmherzigen Gott mitgekriegt, Schwedenname?“
„Sicher.“
„Das Bild geht wieder auf die Erde, der Rabbi holt aus, schlägt. Und der Ball fliegt hoch, noch weiter hoch, noch weiter weg, viel weiter weg. Und als er runterkommt, fällt er geradewegs ins Loch. Ein Hole-In-One. Nur ein Schlag und der Ball ist über zig Meter im Loch. Eine absolute Seltenheit, ein Wunder. Bild geht wieder hoch zu Petrus, der ist verblüfft, nein, verdattert, viel mehr: entsetzt, sagt zu Gott: Und ich dachte, du wolltest ihn bestrafen??!! Und was antwortet Gott, was sagt er?“
„Weiß nicht.“
„Habe ich doch. Wem kann er DAS jetzt erzählen?“
Der Kommissar machte eine Pause.
„Die Vampire Werwölfe Wrukolas. Sie können heilen. Es ist genauso eine Bestrafung von Gott. Gerade sie, die sich dem Bösen verschrieben haben indem sie Blut saugen. Was für eine große Bestrafung! Ausgerechnet sie. So werden sie immer wieder daran erinnert, selbst das Böse hat eine gute Seite. Es sagt ihnen, du bist nicht ganz böse. Du bist nur Teil von Gottes Vollkommenheit. Wie Engel, die nur einen Flügel haben. Die Ahnung vom Fliegen, es aber nicht können. Wie der blödsinnige One-Night-Stand mit Sandu. Diese sexuellen Kurzgeschichten – einfach zu blöde, zu schlimm. Es ist ein liebender Gott, auf jeden Fall. Aber die Zustimmung zu solch schnellebigem Mist wird es nie geben. NIE! Diese Schnellgeschichten sind vor allem eins: schnell schlecht. Du kannst heilen – und das ist eine Strafe!“
„Davon ist in keinem Film, in keinem Buch die rede.“
„Doch. In der Bibel. Jesus sagt: Wer nicht mein Fleisch isst und mein Blut trinkt – und so weiter. Das ist natürlich nur sinnbildlich gemeint. Bis ein paar Mönche im 11ten Jahrhundert auf die Idee kamen. Gregor J. Mendel mit der Vererbungstheorie war einer von den Nachfolgern – da hatten sie sich auf Pflanzen zurückbesinnt. DAVOR aber haben die schon immer mit der Verbesserung des Menschen beschäftigt. Nachdem man gesehen hatte, zu was Menschen fähig sind, die Hunnen, die ganze Völkerwanderung: die hatten ganze Landstriche ermordet. Das ganze Mittelalter ist voll von Versuchen, den Menschen zu was Besserem Göttlichem zu machen. Im 14ten Jahrhundert suchte man genetisch besondere Kämpfer gegen die Osmanen. Sie begannen, Blut an andere Menschen zu verfüttern. Experimentierten herum. Kräuter hier. Alchemie da. Sie sperrten sie in Käfige. Sie ließen sie unter Vlad Dracu aus Rumänien auf die Osmanen los. Und so weiter und so fort. Es ist eine der modernen Märchen der Anti-Kirchen-Leute - zu behaupten, im Mittelalter wurde nicht geforscht. Doch, Täubchen, es wurde. Halt anders. Man hatte damals ja nicht die Erfindung der Statistik. Man hatte auch nicht die Forderung, dass etwas nur wissenschaftlich war, wenn es sich wiederholen lässt. Man war ganz frei - in den Klostern. Wird man zum Wrukola, wenn man die ganze Zeit – über zwei drei Generationen hinweg nur Blut trinkt? Sonst nichts isst? Das weiß niemand – auf der ganzen Welt nicht. Ich weiß nur, Essen ist zu großen Teilen angelernt, die in Asien essen keine kaputte Milch, also Buttermilch, Käse, Butter. Und wir essen keine gegrillten Spinnen. Und wenn du dann nur Blut hattest – sagen wir 18 Jahre lang, in deinem Käfig. Und sie hätten dir immer wieder gesagt, du verträgst kein anderes Essen und dir Schauergeschichten erzählt, 18 Jahre lang, von deinen körperlichen Reaktionen als Kleinkind darüber, dass du nichts anderes verträgst. Und dann brichst du aus und wirst hungrig: was wirst du suchen zum Essen? Hm? Was suchst du, um deinen Hunger zu stillen?!“
„Ist das irgendwie belegt?“
„Ich kenne da nichts. Natürlich hatten später die aufkommenden neuen Wissenschaftler auch ein Interesse, sowas unter den Tisch zu kehren. Du denkst, die Kirche hat die Bücherverbrennungen erfunden? Es könnte aber sein, dass es Hinweise gibt, zumindest auf die Versuche. Man berichtete damals die Erfolge in den Vatikan – und die Bibliothek des Vatikan ist ja nicht digitalisiert im Internet“, er lachte laut auf. „Was sicher ist, es taucht in Romanen auf. Und schon bei Bram Stoker? Indirekt. Sie bezaubern die Frauen, diese Vampire. Womit denn? Mit einer dunklen romantischen Ader? Neumodischer Blödsinn. Haben sie erfunden, weil ihnen nichts einfiel. Nein. Sie spielen die Guten, sie können heilen. Die Frauen sind nicht dunkelromantisch, sie spüren in ihnen wegen der Heilungsfähigkeit die Nähe des Guten. Die Frauen sind doch nicht SOO dämlich, auf Liebesschwüre zu hören. Was diese Wrukolas – sicher – nicht zum unbedingten Vorteil der Frauen ausnutzen. Weil SOO klug sind die Frauen dann auch nicht.“ Er lächelte diebisch. „Es wird doch erwähnt, dass sie sich selbst heilen können, oder nicht?“
Malin nickte.
„Sandu hat dich geheilt.“
Malin nickte wieder.
„An Neumond. Da fließt aus ihnen die pure Liebe der Heilung. Die unterschwellig wirkende ewige Macht Gottes. Du bist der beste Beweis, dass es funktioniert. Gleichwohl nutzen sie es natürlich zu ihrem eigenen Zwecken. Warum auch nicht? Warum fliegt eine Mücke? Weil sie es kann.“
„Ich dachte, das hätte mit seiner Art des Sex zu tun.“
Der Kommissar schüttelte eifrig den Kopf: „Als mit der Macht Gottes in Verbindung stehende kennen sie natürlich den schönen Satz: Warum sollten Frauen beim Sex mindestens einen, wenn nicht mehrere Orgasmen haben? Weil sie es kann. Auch das wiederum wurde in den Filmen überspielt. Mit dem dunkelromantischen Blödsinnserfindung. Die Vampire wissen, sie tun es, sie haben Erfolg. Bram Stoker konnte doch kaum was von mehrfachen Orgasmen zu der Zeit schreiben. Die weiblichen Orgasmen waren damals unbekannt.“
„Aha? Woher haben Sie das Wissen?“
„Meine Frau wurde gebissen. Während sie eine lesbischen Sex hatte - mit einer anderen Frau natürlich. Sie kam zu mir zurück, wir hatten diesen Ganzkörpersex. Sie hat es mir erzählt. Sie ist inhaftiert. Wir wurden nicht mal geschieden, sonst müsste man ihren Aufenthalt preisgeben. Sie ist bis heute offiziell verschwunden – wie so viele. Einfach so“, er schnippte mit den Fingern.
„Und?“
„Ich bin, wie bereits gesagt, gläubiger Christ. Und diese Sache macht mich noch gläubiger. Ohne mehr zu sagen ist der Konflikt klar. Mir wurde dann angetragen, den Job zu machen.“
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