„Du bist eine Spielverderberin“, zischte Pamela wütend, „gerade heute ist viel los in dieser Singlebar. Die haben nicht jeden Tag eine Party.“ Neugierig beobachtete ich Melanie, die nervös auf ihrem Sessel hin- und her rutschte. „Warum kannst du ein „Nein“ von mir nicht akzeptieren? Ich möchte heute auf keine Singleparty. Abgesehen davon heißt es Singleparty. Du kannst da ruhig allein hingehen, wenn du unbedingt möchtest.“
„Auf keinen Fall gehe ich allein hin, das weißt du ganz genau!“ Pamela konnte ihre Wut fast nicht mehr im Zaum halten. „Das ist aber nicht meine Schuld, wenn du dich nicht traust ein Lokal ohne Begleitung zu betreten!“ Melanies Stimme wurde eine Oktave höher und etwas lauter. Ich kratzte auf meinem Teller herum und verfolgte gespannt den weiteren Verlauf der Diskussion. Der Kellner näherte sich dem Tisch und unterbrach für eine kurze Zeit das Streitgespräch.
„Weißt du was?“, fauchte Pamela, nachdem er wieder weg war, stand auf und zog sich ihre Jacke an. Melanie blieb sitzen und funkelte sie streitlustig an. „Was?“
„Wenn du heute nicht mit mir auf diese Party gehst, dann kannst du in Zukunft auch allein ausgehen, dann brauche ich dich nicht mehr!“ Einige Leute hoben die Köpfe und sahen in die Richtung der Streitenden. Pamela aber war in Fahrt und merkte gar nicht, dass sie die Aufmerksamkeit des ganzen Lokals auf sich zog. Melanie blieb ruhig sitzen. „Ich lasse mich nicht erpressen. Ich werde jetzt definitiv nach Hause gehen, ob dir das passt oder nicht!“, Melanie bemühte sich um eine feste Stimme.
Pamela knallte einen Geldschein auf den Tisch, so wie ich das aus amerikanischen Spielfilmen kannte, drehte sich auf dem Absatz um und lief aus dem Lokal. Ich merkte, wie schlecht es Melanie in diesem Moment ging. Sie kämpfte mit den Tränen und langsam nahmen die anderen Gäste ihre Gespräche wieder auf. Melanies Hand zitterte, als sie zum halb vollen Glas griff und einen winzigen Schluck nahm. Ich stand auf und bewegte mich auf Melanies Tisch zu, noch nicht wissend, wie ich ein Gespräch mit ihr anfangen sollte. Ein kurzer Blick auf ihre Schuhe gab mir aber Mut und ich griff nach der Lehne des leeren Stuhls.
„Darf ich?“, fragte ich pro forma und setzte mich, ohne ihre Antwort abzuwarten. Melanie sah mich verwundert an. „Es tut mir leid, aber ich habe Ihr Gespräch verfolgt. Es war leider nicht zu überhören“, sagte ich und streckte ihr die Hand hin.
„Augustine“, sagte ich und lächelte aufmunternd. „Melanie“, stammelte sie etwas unsicher. „Vor ein paar Jahren hatte ich mit meiner besten Freundin auch so eine Diskussion, nur in einem anderen Restaurant“, log ich und versuchte ganz ungezwungen zu klingen. „Wirklich?“, fragte Melanie neugierig. Ich spürte, dass sie mir instinktiv vertraute. „Ja. Ich war an diesem Abend sehr müde und sie ließ mich nicht in Ruhe. Immer tat ich das, was sie wollte. Meistens gab ich nach. Meine Freundin war eine sehr dominante Persönlichkeit und sie wusste das auch und nützte es aus. Und ich“, lächelte ich, „ich kann schlecht „Nein“ sagen.“ Mit diesen Worten hatte ich genau den Kern der Sache getroffen. Es kam Leben in Melanie. „Ja, genauso ist es. Pamela bestimmt immer, was wir tun, wohin wir gehen und wann wir nach Hause gehen sollen. Wenn ich einen anderen Wunsch habe, dann übergeht sie ihn meistens. Sie ist egoistisch!“, sagte sie trotzig. Ich nickte zustimmend.
„Vor kurzem hat sie mir gestanden, dass sie eifersüchtig wäre, wenn ich einen Freund hätte und sie nicht!“, erklärte sie bereitwillig. „Genau wie meine Freundin“, log ich weiter. „Aber dann kommen mir Zweifel, ob sie mich wirklich mag. Denn wenn ich jemand gernhabe, dann vergönne ich ihm doch das höchste Glück! Oder liege ich da falsch?“
Da sie anscheinend meine Meinung dazu hören wollte, konnte ich ihr nur lebhaft zustimmen, was sie dazu bewegte, mir ihr ganzes Herz auszuschütten. „Pamela wollte, dass wir zusammen eine Wohnung nehmen, aber ich hatte Angst davor, da sie zu krankhafter Eifersucht neigt. Ich überlege mir, mich mit einem Mann zu treffen, denn dann würde ich sie verletzen“, Melanie drehte etwas nervös das Glas in ihrer Hand. „Und was würde sie zu einer neuen Freundin sagen?“, fragte ich und sah sie zwinkernd an. Melanie musste unwillkürlich lächeln. Der Gedanke schien ihr zu gefallen. „Naja, damit könnte sie sich wahrscheinlich nur schlecht abfinden. Bis jetzt stand ich ihr immer, oder fast immer, zur Verfügung. Aber… das könnte man ja ausprobieren!“
Melanie hob ihr Glas, um mit mir darauf anzustoßen. Wir waren bereits Komplizen. „Leider werde ich die Stadt bald verlassen“, sagte ich und bereute bereits, dass ich davon angefangen hatte. „Warum denn das?“, fragte Melanie neugierig. „Ich habe ein gutes Jobangebot“, sagte ich knapp und wechselte das Thema.
Nachdem wir noch je ein weiteres Viertel Wein getrunken hatten und ich sie davon überzeugen konnte, dass ich mir noch überlegen würde zu übersiedeln, verließen wir das Restaurant. „Ich bin etwas, wie solle ich sagen, aufgekratzt“, meinte sie und suchte nach Worten. „Möchtest du doch noch nicht nach Hause?“, fragte ich augenzwinkernd und Melanie nickte erleichtert. In mir brannte die Sehnsucht, ich spürte mich ganz nahe am Ziel.
Ich wollte ihre Schuhe!
Pamela betrat das „Seasons“ mit klopfendem Herzen. Vielleicht war es gar nicht verkehrt, dass sie mit ihren dreißig Jahren die Erfahrung machte, ein Lokal ohne Begleitung zu betreten. Das schafften andere auch! Unverzeihliche Gedanken tauchten in ihr auf. Melanie hatte sich ihr gegenüber unmöglich benommen.
Wie konnte sie sie einfach im Stich lassen!
Die Wut auf ihre beste Freundin beflügelte sie und mit Schwung stieß sie die Tür auf und fand sich in einem vollen Lokal wieder, das die partygeschwängerte Luft vibrieren ließ. Es war noch nicht spät, trotzdem merkte man bereits, dass der Alkohol in Strömen floss, um sich leichter näherzukommen. Pamela bahnte sich einen Weg zur Bar und bestellte sofort einen starken Cocktail, um „dabei zu sein“. Als sie sich mit dem Getränk umdrehte, um an der Bar für den nächsten Platz zu machen, bekam sie einen unsanften Stoß, der sie den halben Cocktail auf ihre Bluse verschütten ließ. Mit einem lauten, nicht gerade damenhaften Fluch drehte sie sich in die Richtung, wo sie den ungeschickten Partygast vermutete. Die bereits in Gedanken geformten Beschimpfungen, die sie in einer Salve auf den vermeintlichen Täter loslassen wollte, blieben ihr im Hals stecken, als sie in die schönsten braunen Augen sah, die ihrem Blick je begegnet waren.
„Sorry“, lächelte atemberaubend ihr Gegenüber. „Macht nichts“, stammelte Pamela und zupfte an der nassen Bluse. „Darf ich Sie zur Wiedergutmachung auf einen neuen Cocktail einladen?“, fragte der Charmeur und winkte, ohne auf ihre Antwort zu warten, dem Barmann. „Sex on the Beach?“, fragte er zwinkernd zweideutig und bestellte ihn auch schon.
„Es ist normalerweise nicht meine Anmache, einer Dame einen Cocktail in den Ausschnitt zu gießen“, scherzte er und blickte in ihr Dekolleté. Pamela quetschte sich auf einen Barhocker, der gerade frei wurde und lächelte verlegen.
„Ich bin Dominik“, sagte er und reichte ihr die Hand. Er hatte weiche Hände, was Pamela gefiel.
„Pamela“, sagte sie kurz. „Können wir uns duzen?“, fragte Dominik und hielt auffordernd sein Glas hoch. „Können wir“, erwiderte Pamela und stieß mit ihm an. Ohne zu fragen gab er ihr ein Küsschen auf die Wange. „Auf das Leben mit seinen Überraschungen!“, sagte er und lächelte ein breites, wunderbares Grinsen. Pamela rutschte nervös auf dem Barhocker hin und her. Der Typ war zu attraktiv, um ihr geheuer zu sein. Was sollte sie bloß mit diesem Traummann reden? Noch während sie sich darüber Gedanken machte, erübrigte sich diese Frage, weil Dominik zwanglos über seine Person zu sprechen anfing und sich eine nette Unterhaltung ergab.
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