Gabriele Bärtels
Das Universum der Hundehalter
Über Eigenheiten, Ticks und Typisches dieser besonderen Menschenart
Berlin 2021 © Gabriele Bärtels
Umschlaggestaltung: Gabriele Bärtels
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Zieht ein Welpe ein, so explodiert der Alltag
Der Hund und seine Sachen
Hundebesitzer brechen das Ansprech-Tabu
Was gibt´s denn heute zu fressen?
Der Leckerli-Automat
Der Hundeerzieher
Schlechtwettergassi
Rüdengassi
Der Erzfeind
Streicheln
Der Hund als Mensch
Man kann nicht alles haben
Dreck und Haare
Die No-Go-Area namens Küche
Autofahren
Hintenrum
Wir müssen zum Tierarzt
Der Hundehalter ist krank
Hinterlassenschaften
Hundehasser
Die staatlichen Quälgeister
Es wird schon nichts passieren
Der Rudelführer
Zwei Halter und ein Hund I
Zwei Halter und ein Hund II
Gefahrengerüchte
Der falsche Hund
Die Zukunft ist schon da
Hundehalter Typ 2 – Der Selbstoptimierer
Hundehalter Typ 3 – Der Ängstliche
Hundehalter Typ 4 - Der Brutale
Hundehalter Typ 5 – Das Mutti
Hundehalter Typ 6 – Der Esoteriker
Liebeserklärung
TEIL 1
DER TYPISCHE HUNDEHALTER
Zieht ein Welpe ein, so explodiert der Alltag
Bevor wir unseren jungen Hund abholten, hatte ich das Internet durchforstet: Auffallend viele Welpen wurden dort angeboten, deren Besitzer sie wieder loswerden wollten, oft wegen einer ¨plötzlichen allergischen Reaktion¨.
Diese Ausrede soll nur verschleiern, dass sich diese Leute nie mit Welpenerziehung befasst haben, empörte ich mich. Ich hingegen fühlte mich gut gerüstet, hatte Welpenbücher studiert und verpasste keine Folge des „Hundeprofi“.
Dann brachten wir unsere acht Wochen alte Hündin heim, zeigten ihr den Hundefutternapf, ihr Spielzeug, ihr Bett. Sie quirlte durch den Garten, verirrte sich im Bademantel meines Liebsten, pinkelte auf den Fußabtreter, wackelte statt mit dem Schwanz mit ihrem ganzen, rundlichen Körperchen, und wir riefen: ¨Wie niedlich!¨
So begann der neue Alltag. War mein Liebster aus dem Haus, so übte ich mit Emma ¨Sitz¨, entfernte Hundekacke aus der Küche, pappte Elektrokabel mit Klebeband hoch an die Wände, rief ¨nein, Emma!¨ und ¨fein, Emma!¨, rettete das Tier aus der Einkaufstasche, sprang dreifache Rittberger, um nicht auf sie draufzutreten. Die Kaffees, die ich mir kochte, wurden ungetrunken kalt, während ich meine 15 Jahre alte Brille beerdigte, die Emma geschrottet hatte. Und dann wieder raus, damit sie nicht ins Haus pinkelte, und wieder loben und toben und Grundgehorsam üben.
Wie dankbar war ich, wenn sie sich um sich selbst kringelte und ihren Jetzt-schlaf-ich-Schnaufer ausstieß.
Auf Zehenspitzen schlich ich herum, um zu bügeln, und nach der Post zu sehen - nur der Staubsauger blieb im Schrank und auch der Besen, weil Emma sonst mit einem Satz aus dem Tiefschlaf in den Kampf gegen das Ungeheuer gezogen wäre. Doch so leise konnte ich gar nicht sein, dass sie nicht bald wieder den Kopf hob, in den Augen ein lebenshungriges Funkeln. Und ich spürte meinen angespannten Nacken und heraufziehende Kopfschmerzen, weil ich ständig so unnatürlich herum huschte.
Mails blieben unbeantwortet. Geranien verdorrten in ihren Kästen. Ich jagte nur unserem Welpen hinterher, der bestens gelaunt die Klopapierrolle bis zum Gartenzaun ausrollte. Vom dauernden Bücken nach dem durchgedrehten Fellbündel hatte ich Kreuzschmerzen.
Wenn mein Liebster heimkehrte, fand er alles nicht so schlimm, aber er sah ja nur das erschöpfte Knuddeltier, das sich auf meinen Schoß gedrängelt hatte. ¨Ehrlich, ich weiß nicht mehr, wer ich bin¨, sagte ich am fünfzehnten Abend, die Haare fettig, das T-Shirt fleckig, die Socken hundespuckefeucht.
Und dann brach es aus mir heraus, das Tabu, das man nicht denken und nicht sagen darf: ¨Ich kann nicht mehr. Ich überlege, ob wir Emma zurückgeben. Ich glaub, ich hab mich gründlich überschätzt.¨ „Wir schlafen noch mal drüber¨, schlug mein Liebster vor.
Am nächsten Morgen machte Emma auf Anhieb ¨Sitz¨ und ¨Platz¨. Sie ließ sogar den nassen Küchenlappen fallen, als ich ¨Nein!¨ rief. Und sie bohrte ihren Kopf in meine Kniekehle, da zerfloss ich vor Rührung über unser Viech, das mich lieben musste, ob es wollte oder nicht, denn ich war der einzige Rudelführer, den es hatte. ¨Okay, Ratte¨, sagte ich. ¨Wir versuchen es noch mal.¨
Und so stotterten wir weiter von Tag zu Tag. Meine Friseurin rief an und fragte, ob ich verstorben sei. Statt durch die Stadt zu bummeln, streifte ich in Gummistiefeln über Felder, und nicht nur Emma schleppte Zecken ins Haus. Immerhin ging die Ratte jetzt schon ein paar Meter bei Fuß.
Inzwischen kenne ich erstaunlich viele Leute, genauso schmuddelig gekleidet wie ich, mit Leinen über den Schultern und Leckerlis in der Tasche. Und während wir unseren Hunden beim Balgen zuschauen (was ohne eigenes Zutun total glücklich macht!) begann ich eine Umfrage.
Und hier ist das Ergebnis: Fast alle haben mehr als einmal erwogen, ihren Welpen zurückzugeben, fast alle waren am Ende ihrer Kraft und kämpften mit Schuldgefühlen. Fast alle haben Bücher gelesen, Hundeschulen besucht und Züchter befragt, aber nirgends haben sie die blanke Wahrheit erfahren: dass man nämlich die ersten Monate mit einem Welpen nur dramatisch unterschätzen kann.
Kein Wunder, dass die Tiere dann in zahllosen Kleinanzeigen weiterverkauft werden.
Zu gern würde ich all die selbstgerechten Tierschützer, welche traumatisierte Mischlinge aus Spanien als problemlose Welpen vermitteln, all die arroganten Züchter edler Tiere, die behaupten, dass sie ihre Hunde nur in ausgewählte Händen geben, und all die Ratgeberschreiber mit den ausgefeilten Erziehungsplänen mal fragen, wieso sie Welpen nicht schützen, BEVOR sie an einen Halter gehen, denn sie wissen doch am allerbesten, was auf die Ahnungslosen zukommt. Ihre Erfahrungen können sie dabei gar nicht abschreckend genug ausmalen.
Mancher Wackelkandidat würde sich ob solcher Warnung die Anschaffung sicher besser überlegen. Aber er wäre dann halt kein Kunde und kein Leser mehr und die Tierfutter-Industrie würde nichts an ihm verdienen.
Emma und wir haben uns inzwischen berappelt. Aus dem ungelenken Welpen ist ein halbwegs ordentlich erzogener Hund geworden. Ich rieche wieder frisch und meine Haare sind gewaschen, aber dreckige Hosen werde ich tragen bis an Emmas Lebensende.
Der Hund und seine Sachen
Haben Sie je Tiere in freier Wildbahn gesehen, die einen Koffer hinter sich herzogen? Man wundert sich, dass alles, was draußen kreucht und fleucht, ohne ein einziges Accessoire die schärfsten Jahreszeiten überlebt.
Ganz anders der Hund - denkt sein Besitzer - und müllt seine Speisekammer mit angebrochenen Leckerlitüten aller erdenklichen Sorten voll, stolpert im Wohnzimmer über Quietschetierchen jeglicher Größe und Form. Der Hund besitzt ein Wohnzimmerbettchen, ein Schlafzimmerbettchen, ein Reisebettchen und ein Bettchen für einen Schattenplatz auf der Terrasse. Und das ist noch längst nicht alles.
Dabei hatte es so harmlos angefangen: mit Halsband, Leine, Futter- und Wassernapf, Bettchen, zwei Spielzeugen. So könnte es ein Hundeleben lang bleiben.
Doch an dieser Stelle prallten zwei Interessen aufeinander und vereinen sich aufs Schönste: Die Heimtierbedarfsindustrie will Umsatz und der Hundebesitzer diesen roten Gummiball mit den gebleckten Zähnen. Nicht wirklich nötig, aber hübsch, wie so vieles in seinem Haushalt, was er nicht vermissen würde, hätte er es nicht gekauft.
Solange es kleine Beträge sind, möglichst im einstelligen Euro-Bereich, schnappt er deswegen im Tierfutterladen rechts einen Gummi-Hamburger, links einen Neonbeißring, und da sind ja auch Schweineohren, Rinderkopfhaut, getrocknete Fischchen und Elchfleischhäppchen.
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