„Aber zumindest die älteren Ratsmitglieder, welche das Unglück des Krieges zur Genüge erfahren haben, müssten doch darum bemüht sein, diesen Frieden zu erhalten“, meinte Juliana verständnislos.
„Ich wünschte, dass dem so wäre“, entgegnete Jalúa, „doch selbst jene, auf deren Stimme ich viel Hoffnung gelegt hatte, scheinen vor einem Feldzug zurückzuschrecken, in der Angst davor, gerade dadurch einen weiteren Krieg zu entfesseln, der viele Jahre andauern mag.
„Wir werden vor dem Rat sprechen“, meinte Juliana mit entschlossener Stimme, „kündigt dem Sekretarius eine Audienz durch den Prinzen an!“
Während Aldrĭn seine Frau ungläubig anschaute, hellte sich Jalúas Miene schlagartig auf und er bestätigte begeistert: „Mit Freuden werde ich Euch schon am morgigen Tage die erste Rede in der Sitzung einräumen! Ich bin so überaus glücklich wie dankbar, Euch nun auf der richtigen Seite zu wissen. Sogleich lasse ich Euch Gemächer einrichten!“
Mit diesen Worten eilte Jalúa so plötzlich, wie er erschienen war, wieder davon und verschwand in den Gängen des Schlosses. Aldrĭn blickte Juliana unterdessen mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit und Vorwurf an. „Wie kannst du ihm so etwas zusichern? Ich glaube kaum, dass wir mit dieser Sache irgendetwas zu tun haben sollten!“
„Wie meinst du das, wir hätten nichts damit zu tun?“, entgegnete Juliana gereizt, „du hast doch selbst gehört, was hier geschieht. Wenn du nicht vor dem Rat sprichst, dann werde ich es tun. Dieser Brenon ist im Begriff, alles zu zerstören, wofür wir gekämpft haben!“
„Hast du vergessen, weswegen wir hier sind?“, rief Aldrĭn auf einmal wütend aus. Galeon zuckte zusammen, erschrocken über den plötzlichen Aufruhr seines Vaters. Aldrĭn bemerkte in diesem Augenblick erst, wie grob er Juliana angefahren hatte, ging einen Schritt auf sie zu und griff nach ihrer Hand.
Sie ließ ihn gewähren, doch nichts Zärtliches lag in der Berührung. „Verzeih“, sagte Aldrĭn leise, „aber du weißt doch, weswegen wir hier sind.“
Sie nickte und wartete einen Augenblick mit ihrer Antwort ab, dann sagte sie in einem ruhigen Tonfall: „Eben deswegen musst du vor dem Rat sprechen. Halldor raubt nicht ohne Grund ein junges Mädchen und reitet mit ihr in Richtung Süden davon. Du musst doch verstanden haben, dass es da eine Verbindung geben muss, wenn ein Ritter ein derart undurchschaubares Verbrechen begeht, während sich anderswo eine Gruppe seines Standes zusammenrottet, um die Ordnung zu zerschlagen! Es muss eine Verbindung geben, wenn Halldor gen Süden reitet und auch Brenon im Süden lagert, siehst du das denn nicht? Wir ziehen am selben Strang wie Graf Jalúa!“
Beschämt begriff Aldrĭn, dass Juliana Recht hatte und er tatsächlich das Offensichtliche verkannt. Der Griff ihrer Hände lockerte sich und sanft nahm sie auch seine andere Hand in die ihre. Einen Augenblick standen sie sich wortlos gegenüber und sahen sich in die Augen. Schließlich rang Juliana sich ein Lächeln ab und Aldrĭns Herz wurde von warmer Zuversicht erfüllt.
„Es stimmt“, sagte er und nickte. „Ich hasse es, das zu sagen, aber es scheint, als wäre das Schicksal des Reiches das unsrige…wieder einmal.“
Klirrend trafen die Klingen aufeinander, wurden blitzschnell herumgerissen und wanden sich wie zwei kämpfende Schlangen umeinander. Mit einer kraftvollen Drehbewegung wurde Brenon sein Schwert beinahe aus der Hand gerissen und er musste die Linke zur Hilfe nehmen, um die Waffe unter Kontrolle zu behalten.
Wieder sauste die schwere Schneide seines Gegners auf ihn nieder und er kniff die Augen zusammen, um nicht vom grellen Sonnenlicht geblendet zu werden, das ihm entgegenstrahlte. Er befand sich in einer ungünstigen Position, stellte Brenon beunruhigt fest, denn hinter ihm war kaum noch ein Schritt breit Platz bis zur Mauer, die Sicht auf sein Gegenüber wurde ihm jedoch von der Sonne verwehrt.
Er konzentrierte sich nun ganz auf die Klinge, welche sich im nächsten Augenblick wieder in seine Richtung bewegen würde. Das Schwert blitzte auf und reflektierte die Strahlen zu allen Seiten, da spürte Brenon, dass dies der Moment war, um aus seiner aussichtslosen Lage zu entkommen. Zu langsam hatte sein Widersacher zu seinem Schlag ausgeholt und so gelang es Brenon, in gebückter Haltung einen langen Satz nach vorn zu machen, sodass er unvermittelt neben seinem Gegner landete.
Gerade noch rechtzeitig konnte er den nächsten Schlag des Mannes parieren, mit dem er seit beinahe einer Stunde im Innenhof den Schwertkampf übte. Sowohl Brenon als auch Herbomir stand längst der Schweiß auf der Stirn, derart kräftezehrend war das lange Gefecht und der Jüngere wähnte sich beinahe als Sieger des Freundschaftsduells, denn was ihm an Technik gegen seinen Ziehvater fehlte, das glich er doppelt durch seine Jugend aus. Herbomir würden längst die Kräfte schwinden, ehe Brenon die Muskeln versagten.
Sie hatten sich zum Kampf in einen abgelegenen Hinterhof zurückgezogen, der auf einer Seite vom äußeren Turmzirkel begrenzt wurde und zu den anderen Richtungen hin von Pferdestallungen. Nur wenige der Boxen waren besetzt und kein Stallbursche bei der Arbeit zu sehen, weswegen der Sandplatz regelrecht verlassen wirkte. Doch gerade einen solchen Ort hatten die beiden Männer aufsuchen wollen, um sich ungestört der Lektion hinzugeben.
Mit schrillem Lärmen schlugen die Klingen wieder aufeinander und jeder einzelne Hieb, war er auch noch so geschickt oder kraftvoll, wurde mit einer eleganten Parade abgewehrt. Nun, da ihm wieder genügend Platz zu ausladenden Bewegungen gegeben war und die Sonne im günstigen Winkel stand, entschied sich Brenon dazu, einen letzten Angriff gegen Herbomir zu setzen.
Er täuschte einen Hieb gegen die Flanke seines Gegners an, woraufhin dieser erwartungsgemäß die Waffe schützend vor seine Seite bewegte. Doch dann riss Brenon in einer einzigen fließenden Bewegung das Schwert herum und wirbelte die Klinge um Herbomirs herum. Die Schneide glitt gefährlich nah am Hals des alten Ritters vorbei und hätte nach Brenons Wunsch sogleich dessen gepanzerte Schulter treffen sollen, doch da geschah etwas Unerwartetes.
Für seinen Angriff hatte Brenon sich gefährlich nah an sein Gegenüber heranbewegen müssen, sodass es Herbomir nun gelang, seinen Zögling kurzerhand mit der waffenfreien Linken an dessen Handgelenk zu packen. Scheinbar mühelos lenkte er den Waffenarm an seiner Schulter vorbei und riss Brenon in der gleichen Bewegung zu sich heran. Dann machte er einen Schritt zur Seite, sodass Brenon haltlos an ihm vorbeistolperte. Der Ältere drehte sich auf der Stelle, riss das Schwert herum und stieß seinem Gegner den Knauf seines Heftes zwischen die Schulterblätter.
Brenon stürzte keuchend zu Boden, ließ das Schwert fallen und landete unsanft im aufstiebenden Sand. Der Schmerz in seinem Rücken brannte unerbittlich, doch auf der Stelle rappelte er sich wieder auf, um nach seinem Schwert zu greifen. Herbomir war jedoch längst zur Stelle und richtete den Ort seiner Klinge auf den Geschlagenen. Brenon war am Boden und waffenlos, er hatte das Gefecht durch einen kurzen Moment der Unachtsamkeit verloren.
„Steh auf!“, forderte Herbomir ihn auf. Trotz seiner bitteren Niederlage nahm Brenon den erschöpften Ton in der Stimme seines Bezwingers wahr. „Für heute muss es reichen“, quittierte Herbomir den Kampf.
Seit Brenons Aufnahme im Heim des Ritters hatten sie sich beinahe jeden Tag die Zeit genommen, ein Gefecht dieser Art auszuführen. Die Waffen, welche sie benutzten, waren stumpf und man hätte damit nicht einmal einen Kratzer auf der Haut hinterlassen können. Doch ein gezielter Treffer mit dem Eisen war nichtsdestotrotz schmerzhaft und hinterließ breitflächige Blutergüsse.
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