„Der Zakunthier auch nicht. Für einen Holzkopf ist er erstaunlich klug. Er wird Zeit gewinnen wollen, Zeit für die Reformen, die sein Reich braucht. Am Schlimmsten wäre Dorn.“
„Ja. Ein sadistischer Berserker, der sofort ausziehen würde, möglichst viele Fenloras zu pfählen. Aber ich glaube, dazu kommt es nicht. Zum Glück für uns alle.“
„Was hört man aus dem Zarijat?“
„Alura soll noch immer schäumen wegen der Niederlage, die der Zakunthier ihr als Lordcenturion vor zwei Jahren in Gromien zugefügt hat. Alle wissen, dass sie den Krieg will, doch die Hohen Orden sträuben sich, vor allem die Shakeshumon. Die Händlerinnen fürchten die ökonomischen Schäden, und ihre Macht wächst bekanntlich. Da sie es sind, bei denen die anderen Orden und letztendlich auch das Zarijat verschuldet sind, wirken sie noch als Bremse. Die Zarija ist noch nicht bereit für eine Kraftprobe. Wenn sie jedoch, gegen die Interessen der anderen Orden, den Shakeshas ein gutes Angebot macht, dass ihre politische Macht der wirtschaftlichen annähert, kann der Krieg morgen da sein.
Da fällt mir ein, gerade in diesem Zusammenhang las ich erst gestern eine beunruhigende Nachricht. Das Zarijat soll in Verhandlungen mit Yoltekucza stehen, ein Handelsvertrag ist in Vorbereitung, fenlorische Genussmittel, vor allem Zigaretten, gegen yoltekisches Gold.“
„Das ist sehr überraschend, in der Tat. Wenn die Zarija auf diese Weise sich finanziell von den Shakeshas emanzipiert…
Aber wie kommen die Yolteken plötzlich dazu? Ist nicht ihre Politik seit jeher gewesen, mit den Bleichhäuten sowenig Kontakt wie möglich zu pflegen und ihr Gold zu hegen? Verbietet nicht gar ihr Echsengott, das Gold außer Landes zu bringen?“
„Anscheinend hat der große Echsengott, oder besser, die Priesterschaft, sich eines Besseren besonnen.“
„Schneiden sie dort in den Tempeln armen Menschen immer noch die Herzen heraus?“
„Ich fürchte, mehr denn je.“
„Von allen finsteren Orten Terkloras ist dies wohl der Finsterste.“
„So schlimm die Menschenopfer dort sind, bedenklicher scheint mir aber, wenn ihr Gold, dass sie bekanntlich im Überfluss haben, in den Wirtschaftskreislauf des Zentralkontinents gelangt und der Vorbereitung des Krieges hier dient.“
„Nur allzu wahr. Wie zu erwarten, ist die Angelegenheit äußerst komplex.“
„Wollt ihr immer noch die Informationen durcharbeiten?“
„Mehr denn je, Signol Wild-Wechsel.“
„Gut. Ich werde Euch bei Eurer Abreise einen Koffer mit dem Material aushändigen lassen. Ihr werdet als Nächstes in Kleshegu auftreten?“
„Ja. Ich kann diese Tournee nicht abbrechen, mein Agent würde zu körperlicher Gewalt schreiten.“
„Ihr werdet doch noch mit mir speisen?“
„Kocht ihr selbst?“
„Natürlich, ich bin Pograner.“
„Verzeiht.“
Die vier Heiligtümer des pogranisches Mannes an sich waren schöne Frauen, Kinder, Geld und gute Soßen. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
Wildnis Zentralgromien, 2.Juli 2.325, 12.Stunde
Es war vor allem Wut, die sie trieb. Wut auf die tumben Terkonnier, die sie und die Mädchen gefangen hatten, Wut auf sich selbst, dass sie sich so einfach überrumpeln hatte lassen. Wut, Fesseln und Knebel nicht loswerden zu können. Der Knebel wurde von Minute zu Minute unerträglicher, der knebelnde Ballen voll gesogen mit ihrem eigenen Speichel, der Knoten des Sicherungstuchs an ihrem Nacken ebenso unangenehm. Schließlich Wut, in dieser Lage, wo es um ihre Freiheit, ihr weiteres Leben ging, ständig sich nach einer Zigarette zu verzehren, in den Fängen der Sucht so bindend wie Seil und Tuch um ihren Körper.
Die Wut gab ihr jedoch auch Kraft, und wo die junge Offizierin und die wehrpflichtigen Miepbabies sich in ihrer Hilflosigkeit suhlten, hatte sie gehandelt, als die Chance kam.
Gamma-Legilalita – Feldwebelin 3.Grades – Malesha Smirnov war eine entschlossene, zielstrebige Person, die in der Legion ihr Khakumon so fest im Griff hatte wie die jungen, ihr anvertrauten Mädchen im Wehrdienst und ihre, nominell vorgesetzte, Offizierin.
Auf ihr Reittier zumindest war Verlass, und dies war ihr auch als hilfloses „Paket“, wie die Männer gefangene Frauen so gerne nannten, geblieben, ein Fehler der Feinde, den sie bedauern sollten. Klug, schnell und ausdauernd war Sakasha – „Wind“ auf fenlorisch – und emphatisch wie die Khakumons waren, spürte es der Herrin Freiheitsdrang und flog dahin über die gromische Ebene.
Der Wald, mächtige Ollvonen-Bäume und Riesenfarne, war nah, und dort konnte sie die Verfolger abzuschütteln hoffen. Allein, die Bande musste sie irgendwie loswerden. Das Messer in ihrem Stiefelschaft hatten die Terkonnier gleich entfernt, den Trick kannten sie leider nur zu gut, zu alt war er.
Doch auch sie kannte das Geschäft. Wohlbekannt war es, dass die Phallokraten ihre weiblichen Feinde lieber fingen als erschlugen, und ihre Obsession mit Fesseln war auch nicht neu. Eine kluge Kriegerin stellte sich darauf ein, und so war Malesha wohl geübt in der Kunst des Entfesselns.
Jeden Morgen vor dem Aufbruch hatten die Krieger ihre Gefangenen kurz befreit, damit sie sich recken und strecken und die Glieder massieren konnten, natürlich bedroht von aufgelegten Pfeilen allzeit. Genau beobachtet hatte die Fenlora die Feinde, geschickt Sorge getragen, dass der offensichtliche Pechvogel der Gruppe, ein appetitlicher Blonder, jedes Mal ihre erneute Fesselung besorgte.
Er war ein Mann, also hielt er sich für besser als er war, zudem ein Gewohnheitstier wie die Kerle alle. Jedesmal gleich die Fesselung, exakt geknüpft die Knoten. Sie war sicher, sich frei winden zu können, sollte sie nur einige Minuten Zeit haben.
In immer schnellerem Rhythmus zerfurchten Sakashas Klauen den fruchtbaren Boden, grasbewachsene Erdbrocken flogen hinter Tier und Reiterin auf. Maleshas Nasenflügel blähten sich, schwer war es, mit dem Knebel tief Luft zu holen. Sie sah zurück. Ihr Vorsprung wuchs. Sie war nun sicher, den Wald zu erreichen weit vor den beiden Kriegern, die ihr folgten. Groß und schwer waren die Männer, trugen zudem die Ankylo-Brustpanzer, viel leichter zwar als die Metallrüstungen alter Zeiten, doch schwer genug, um einen Unterschied auszumachen. Außerdem waren ihre Tiere natürlich Männchen.
Männer waren oft so dumm, ein Wunder, dass die Legionen des Zaijats ganz Terkonnia nicht schon vor Jahrhunderten in Schutt und Asche gelegt hatten. Jeder, der ein Tierkundebuch auch nur flüchtig durchblätterte, musste wissen, dass bei allen Saurierarten, so auch den Khakumons, die Weibchen größer und stäker waren als die Männchen. War das Tyrannopärchen, dessen Auftauchen die Legilalita ihre Fluchtmöglichkeit verdankte, dafür nicht ein Beispiel gewesen?
Dennoch, da die Männchen in der Regel aggressiver waren, zogen die Terkonnier männliche Reittiere vor. Auf Ausdauer, Tragkraft und Schnelligkeit kam es bei Reittieren an, zudem wurden Weibchen seltener krank und waren nicht so wehleidig. Die Zylevis, phallokratische Söhne der südlichen Wüste, waren da klüger, auch sie ritten Weibchen. Noch schlimmere Frauenunterdrücker als die Terkonnier waren sie, jedoch weniger zahlreich und mächtig. Wenn Terkonnia vernichtet war, würden auch sie noch an die Reihe kommen, Zarija Alura würde dafür sorgen.
Malesha war eine glühende Verehrerin der stolzen blonden Herrscherin mit dem passenden Namen – „Alura“ bedeutete Stolz. Jedes Kind in Fenlora kannte die Geschichte, wie die Zarjia als Teenager, bettelarm auf der Strasse lebend, bei einem Hausbrand mehrere Bewohnerinnen, ihre eigenes Leben nicht achtend, gerettet. Weniger bekannt war die Tatsache, dass die heutige Zarija in jener Nacht in diesem Haus war, um zu stehlen. Malesha wusste dies auch nicht, doch hätte sie es gewusst, es hätte sie nicht schockiert. Von der kleinen Diebin zur Lenkerin des mächtigsten Matriarchats der Welt, diese Geschichte beflügelte die Phantasie.
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