Das Rucken wurde schlimmer, der Motor stotterte und spuckte unaufhörlich.
Britta trat unbekümmert das Gaspedal herunter. Jablonski ließ sie anhalten. Mit
leisen Flüchen stieg er aus und ging nach hinten zum Motor.
„Aber du kommst zu spät!“, rief Britta ihm hinterher.
„Die können mich an die Füße fassen!“, schrie er zurück und öffnete die Motorhaube.
Britta blieb sitzen und wartete ungeduldig. Drinnen hörte sie sein
Gemecker und das klappernde Hantieren am Motor. Zwischendurch musste sie
starten, aber ohne Erfolg. Nervös spielte sie am Lenkrad herum und schaute dabei
ständig auf die Uhr. Die Zeit lief zu seinem Nachteil.
„Mach doch zu!“, rief sie ungeduldig, obwohl sie genau wusste, dass alle Eile
nichts mehr brachte. Zu spät kamen sie ohnehin.
„So, starte mal!“, rief Jablonski. Der Motor sprang auf Anhieb an und lief rund
und gleichmäßig. Britta pustete erleichtert auf, und er ging nach vorn, hob den
Kofferdeckel hoch und zog sich einen Lappen heraus. Während er sich die Finger
abwischte, setzte er sich wieder ins Auto. Britta sah erstaunt auf den Lappen, der
sich langsam immer dunkler färbte.
„Sag mal, bist du noch zu retten?“, fragte sie empört und riss ihn jenes Tuch aus
der Hand.
„Das ist mein T-Shirt!“
Jablonski entschuldigte sich kleinlaut, musste aber doch über Brittas Gesichtsausdruck
lachen. Ihre Erregung übertrug sich natürlich auf ihre ganze Fahrweise und
es kostete ihn einige Entschuldigungsbeteuerungen, bis sie sich wieder beruhigte.
Ihre Stimmung blieb trotzdem gereizt und sie sprach, wenn überhaupt, nur das
Nötigste. Daher ließ er das T-Shirt unauffällig hinter dem Sitz verschwinden, um
sie nicht unnötig daran zu erinnern.
Mit einer viertelstündigen Verspätung erreichten sie das Kasernentor.
„Bin gleich wieder da!“, verabschiedete Jablonski sich hastig, schnappte sich sein
Jackenbündel und lief durch das Kasernentor zur Kompanie. Abschätzend
musterte der Wachposten Jablonskis Freundin, die im Wagen sitzen blieb und
wartete. Sie brachte ein wenig Abwechslung in die langweilige Umgebung seines
Postens.
Breitbeinig, die Hände hinter dem Rücken stand Unteroffizier Hechler wie ein
Feldherr da und schien Jablonski sehnsüchtig zu erwarten. Demonstrativ sah er
auf seine Armbanduhr und verkündete: „Es ist 10 Uhr 15, Herr Gefreiter.“
Jablonski wusste sehr gut, dass er daraus eine Meldung machen würde. Der GvD
(Gefreiter vom Dienst) saß in dem kleinen UvD-Raum und linste durch die
geöffnete Scheibe.
„Notieren Sie, Herr Panzerschütze, der Gefreite Jablonski kam erst um 10 Uhr 15
zum Appell und war noch in zivil“, wies Hechler den GvD an. Jablonski lagen
tausend Dinge auf der Zunge, aber solange dieser Panzerschütze dabei war,
konnte er nichts machen. Die größte Sünde zwischen zwei streitende Soldaten
mit unterschiedlichen Rängen war ein Dritter. Und das wusste Jablonski genau.
Zumal er diesen Grünling noch nicht einmal kannte. Er warf sein Bündel so dicht
an Hechlers Füße, dass dieser einen Schritt zurückweichen musste. Mit gespielter
Gelassenheit und genugtuender Miene kontrollierte er mit peinlicher Genauigkeit
die Jacken. Jeden Knopf fasste er an und prüfte ihn auf festen Sitz. Innen und
außen suchte er nach möglichen Schmutz oder Beschädigungen. Der GvD sah
ihm dabei schweigend zu.
Jablonski konnte es nicht länger ertragen und forderte ihn auf, sich etwas zu
beeilen. Immerhin wartete seine Freundin draußen. Gerade dies nutzte Hechler,
um seine Sachen noch langsamer zu kontrollieren.
„Sie sollten sich mal ne` Freundin zulegen, dann hätten Sie Sonntags
Sinnvolleres zu tun“, schlug Jablonski ihm vor.
„Meine Sache!“ brummte Hechler mehr zu sich und setzte seine Kontrolle fort.
Aus unerklärlichen Gründen blockte Hechler jedes Gespräch über Frauen ab.
Jablonski musste seiner Wut ein wenig Luft machen und lehnte sich zum GvD
hinunter.
„Weißt du“, sagte er todernst und wichtig, „ich kannte mal einen Feldwebel der
hatte Potenzschwierigkeiten. Der Arzt sagte ihm daraufhin, wenn er bei Frauen
versagt, dann müsste er sich anderen Dingen zuwenden, um eine Befriedigung zu
bekommen. Daher ging dieser Feldwebel immer nach einem Appell für zehn
Minuten auf die Toilette.“
Der GvD sah Jablonski fragend an. Offensichtlich hatte er diese Anspielung nicht
ganz verstanden. Hechler dafür um so mehr.
„Ich verbiete Ihnen derartige Gespräche!“, reagierte dieser gereizt. Jablonski
drehte sich betont langsam zu ihm herum und sah ihn herablassend von oben bis
unten an.
„Ich werde mich erkundigen, ob Sie mir ein privates Gespräch mit einem
Soldaten verbieten können, Herr Unteroffizier. Sollte es nicht der Fall sein, werde
ich mich über Sie beschweren.“
„Sie wollten mich damit indirekt beleidigen, Herr Gefreiter!“
„Beleidigt kann nur der sein, der sich angesprochen fühlt Herr Unteroffizier“,
belehrte Jablonski ihn grinsend und freute sich innerlich, dass Hechler wusste, wer
gemeint war. Angesichts seiner Machtlosigkeit fuhr er kochend vor Wut mit seiner
Kontrollefort. Nun endlich fiel auch bei den GvD der Groschen und er hatte große
Mühe, sich das Lachen zu verkneifen. Hechlers Augen blitzten und der arme
Panzerschütze wusste noch nicht, was er sich damit aufgeladen hatte.
Die Suche blieb erfolglos. Hätte Jablonski ihm nicht direkt auf die Finger
gesehen, so hätte er mit Sicherheit etwas nachgeholfen. So aber blieb ihm nichts
anderes übrig, als sich ein kurzes „In Ordnung“ herauszuquälen. Zufrieden packte
Jablonski seine Jacken zusammen und brachte sie auf seine Stube.
„Sie gehen jetzt und kontrollieren die Reviere. Anschließend lassen sie die
Bereitschaft heraustreten!“, befahl Unteroffizier Hechler seinem GvD barsch.
Dieser wunderte sich und sagte: „Aber die waren doch gerade...“
„Führen sie unverzüglich meinen Befehl aus, Herr Panzerschütze!“, schrie
Hechler auf ihn herab, wobei sich seine Stimme fast überschlug. Seine ganze Wut
ließ er auf ihn nieder. Ausgerechnet in diesem Moment machte sich bei ihm ein
kleines Bedürfnis bemerkbar. Aber er traute sich nicht, nach Jablonskis dummen
Bemerkungen auf die Toilette zu gehen. Aus Angst, sich vor dem GvD lächerlich
zu machen, hielt er seinen Drang zurück. Mit zusammengepressten Knien
wartete er, bis der Panzerschütze gegangen war. Hastig machte er sich dann auf
den Weg zur Toilette. Kaum hatte er den Türgriff herunter gedrückt, da trat
Jablonski auch schon aus dem Treppenhaus auf den Flur. Obwohl er die Klinke
rasch wieder los ließ, blieb ihm der zweideutige Spott des Gefreiten nicht erspart.
„Was denn, Sie auch Herr Unteroffizier?“
„Halten Sie ihr blödes Schandmaul, Jablonski!“, fluchte Hechler mit hochroten
Kopf. „Dann man viel Spaß!“, rief Jablonski ihm zu, legte locker seine Hand zum
Gruß an die Schläfe und verschwand.
„Drecksau“, fluchte Hechler hinterher, „dich kriege ich noch!“
Als Jablonski wieder aus der Kaserne trat, schritt Britta bereits ungeduldig neben
ihren Wagen auf und ab. Gefolgt von dem Augenpaar des Wachpostens, der sich
seine eigenen Gedanken über ihre weiblichen Formen machte.
„Meine Güte, habt ihr daraus einen Staatsakt gemacht?“, fragte sie gereizt. Statt
einer Antwort bekam sie einen versöhnlichen Kuss, der sogar vom Wachposten
mit einem lobenden Pfiff begleitet wurde.
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