Michael Siemers
VINCENT
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Inhaltsverzeichnis
Titel Michael Siemers VINCENT Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel Überraschung La Rochelle, Do. 2. Sept. 2010, 17:45
2. Kapitel Christines Flucht Hamburg, 18:00
4. Kapitel Begegnung mit Roland Vogler Roche, Freitag 9:00
5. Kapitel Der Deal Freitag 3. September 2010 15:00
6. Kapitel Voglers Schicksal
7. Kapitel Brunnel und Campanac
8. Kapitel Wiedersehen mit einem alten Feind
9. Kapitel Arthurs Rundumschlag
10. Kapitel Sympathie für Vincent
11. Kapitel Arthurs Rache
12. Kapitel Vincents Antwort Samstag, 4. September 2010
13. Kapitel Auf nach Albrey
14. Kapitel Schmetterlinge im Bauch
15. Kapitel Alles wird gut
16. Kapitel Das letzte Treffen
Impressum neobooks
1. Kapitel Überraschung La Rochelle, Do. 2. Sept. 2010, 17:45
"Richten Sie Monsieur aus, dass mir seine finanziellen Probleme am Arsch vorbei gehen. Ist das Geld Morgen Mittag nicht da, wird die Anlage deinstalliert!", sagte Vincent Dupont beinahe phlegmatisch und legte den Hörer auf. Ein kurzes Schnalzen seiner Mitarbeiterin Clara Bellier und der strenge Blick über ihre randlose Lesebrille erinnerten ihn an seine, für ihr Empfinden, unkultivierte Ausdrucksweise."Was?", fragte Vincent scheinheilig und lehnte sich, ihre Belehrung erwartend, zurück.
"Ihr Ton war unangemessen, Monsieur", ermahnte sie ihn, ohne von ihrer Tätigkeit aufzublicken.
"Seine Zahlungsmoral auch", kommentierte er knapp und nahm sich ein paar Unterlagen vor. Ein kurzes nichtssagendes "Hm" ihrerseits zeigte deutlich genug, dass das nichts an der Tatsache änderte, sich Kunden gegenüber niveauvoller auszudrücken. Vincent war der Inhaber der Firma S.E.S, die er vor 12 Jahren mit bescheidenen Mitteln gründete. Sicherheits- und Überwachungstechnik verbargen sich hinter den drei Buchstaben "S.E. S", Securite et Surveillance. Er machte sein Hobby zum Beruf und erschloss damit eine Marktlücke in seiner Region, die sehr lukrativ war. Heute mit 36 Jahren hatte er die Firma mit maßgeblicher Hilfe von Clara Bellier zu einem kleinen mittelständischen Betrieb aufgebaut. Er handelte immer intuitiv, legte sein Geld in Aktien, Fonds oder Immobilien an. Damit schaffte er sich im Laufe der Jahre finanzielle Rücklagen und Einnahmequellen, die ihn ein relativ unbeschwertes Leben bescherten. Vincent war schlank, sportlich und hatte blondes mittellanges Haar, was im Regelfall immer ungekämmt war. Ein Schönling war er nicht gerade. Seine blauen Augen hatten einen kleinen Fehler: einen leichten Silberblick. Gerade das machte ihn wiederum auch interessanter. Seine schmalen Lippen und das kantige, sonnengebräunte Gesicht wirkten freundlich, aber auch gleichermaßen nachdenklich. Er war direkt und brachte die Dinge ohne Umschweife auf den Punkt. Seine humorvolle Offenheit hatte einen versöhnlichen Charakter. Seine eher pragmatische Veranlagung konnte er dank seiner Mitarbeiterin hervorragend auskosten. Ob es darum ging mit Kamerasysteme herum zu experimentieren oder seine >Fahrzeuge zu warten. Er lag lieber unter einem Auto, als im Büro zu sitzen und sich mit Kalkulationen und Tabellen herum zu schlagen. Vor eineinhalb Jahren lag er noch regelmäßig unter seinem roten 68er-Ford Mustang und restaurierte ihn zu einem wahren Prunkstück. Clara Bellier machte drei Kreuze, als der Wagen endlich fertig war. Die ständigen Tests seiner Auspuffanlage raubten ihr damals den letzten Nerv.
Seine Mitarbeiter schätzten ihn und sahen es als Glück für Vincent zu arbeiten. Er hatte stets Zeit für ihre Belange und stand ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Dass er ihnen wirklich zuhörte, bewies er damit, dass er sich Tage oder gar Wochen später nach dem Wohlbefinden jener Person erkundigte, von dem ihm berichtet wurde. Seine Mitarbeiter wussten das zu schätzen und es wäre nicht einem Einzigen in den Sinn gekommen, ihn in der Not hängen zu lassen. Je zuverlässiger und fleißiger ein einzelner Mitarbeiter war, umso großzügiger gab sich Vincent ihm gegenüber. Er zahlte übertariflich gut und bot ihnen alle sozialen Annehmlichkeiten, die ein Arbeitnehmer sich wünschen konnte. Als er vor fünf Jahren den ganzen Gebäudekomplex aufgrund der Insolvenz seines Vermieters ersteigerte, in dem er sich anfangs mit einem kleinen Büro und Halle eingemietet hatte, baute er auf dem Dach eine Penthousewohnung mit Terrasse und Pool. Die restlichen Büros und Hallen vermietete er an eine Spedition, einer Autowerkstatt und einer Werbeagentur. In einem späteren Anbau, der zur Straße zeigte, machte ein Chinarestaurant auf und er erfüllte sich so seinen Wunsch, oft und gern Chinesisch zu essen. Natürlich profitierten auch seine Mitarbeiter davon, da er sich an den Mittagstischkosten beteiligte. Da er das eine oder andere Geschäft schwarz abwickelte, verfügte er immer über genügend Bargeld. Somit konnte er dem einen oder anderen etwas zuzustecken oder schlichtweg Leute zu schmieren, von denen er Vorteile hatte. Sei es die Müllabfuhr, die mehr Müll mitnahm, als sie mussten oder das Gewerbeaufsichtsamt, die eine routinemäßige Kontrolle durchführten. Sehr zulasten von Clara Bellier, die Mühe hatte Geschäftseinnahmen und Privatkapital auseinanderzuhalten. Vincent verließ sich da ganz auf sie und vertraute ihr beinahe bedingungslos alles an. Im Gegensatz zu ihm war sie geizig. Wenn es nach ihr ginge, hätten die meisten Mitarbeiter weit weniger auf ihrem Gehaltskonto. Zum Weihnachtsessen wurden stets die Ehepartner mit eingeladen. Sie erhielten noch ein zusätzliches Präsent von Vincent. So stellte er nebenbei sicher, dass die Ehefrauen dafür sorgten, ihren Mann pünktlich zur Arbeit zu schicken, ihre Krankheiten schneller auskurierten oder schlichtweg auch mal auf einem Samstag einzuspringen. Arbeiten für Vincent oder Shopping mit der Ehefrau bedurfte keine Überlegung.
"Wenn es mir gut geht", pflegte er zu sagen, "soll es den anderen auch gut gehen."
"Leben und leben lassen", war seine Devise.
Die Firma S.E.S. installierte Alarm- und Überwachungsanlagen in Büros, Geschäften und Privathäusern. Ein Teil seiner männlichen Kunden waren nichts weiter als notgeile Voyeure, die nicht nur ihr Hab und Gut schützen, sondern auch ihre weiblichen Angestellten im Umkleide- und Aufenthaltsraum beobachten wollten. Einige wünschten sich sogar eine Kamera in den Damentoiletten installiert, um weibliche Beschäftigte bei der Unterhaltung vor dem Spiegel oder gar bei der Verrichtung ihres Geschäftes zu beobachten. Damit aber kam die Firma S.E. S mit dem Gesetz in Konflikt. Vincent konnte dieses Hindernis aushebeln, in dem er eine funkgesteuerte Anlage anbot und der Kunde seine Kamera selbst platzieren konnte. Speziell für solche Kunden baute einer seiner Monteure oder er selbst kleine Kameras in die unmöglichsten Gegenstände, wie, Aktenordner, Deckenlampen, Klorollen, Lüfter oder Handtuchhalter. Diese konnte der Kunde dann nach seinen eigenen Wünschen platzieren. Besonders Privatdetektive deckten sich mit den entsprechenden Accessoires ein. Vincent ließ seine Kunden vorbeugend eine Rechtsmittelbelehrung unterschreiben mit dem Hinweis, bestimmte Räume nicht zu überwachen oder die Mitarbeiter davon in Kenntnis zu setzen.
Er beschäftigte 10 Monteure und zwei Außendienstmitarbeiter. Eine Halbtagskraft für das Büro und Clara Bellier, seine rechte Hand.
Vincent war Junggeselle und hegte nicht sonderlich verpflichtende Liebschaften. Ansonsten führte er ein recht moderates Leben. Wenn die Beziehungen endeten, blieben sie meistens gute Freunde. Er war begehrt, beliebt und großzügig. Jeder, der für ihn arbeitete oder ihm einen Gefallen tat, konnte mit einer Gegenleistung rechnen. Die Auftragslage seiner Firma und die Disposition der Aufträge durch Clara Bellier erlaubten es ihm, in den Sommermonaten seine Wochenenden auszudehnen. Diese verbrachte er in Roche, einem kleinen Ort am Atlantik circa 40 Kilometer nördlich von La Rochelle entfernt, wo er geboren und aufgewachsen war. Dort besaß er eine Dreizimmerwohnung im Parterre mit Garten und kleinem Pool direkt an der Promenade. Ein Eineinhalbzimmerapartment circa zwei Kilometer vom Hafen entfernt, ein kleines Bistro, das von seiner Exfreundin geführt wurde und einen umgebauten, liebevoll restaurierten Fischkutter. Mit diesem Boot fuhr er häufig hinaus und ließ sich auf dem Atlantik treiben oder angelte. Er liebte die Ruhe und Einsamkeit, den Blick aufs Meer und das Wiegen der Wellen. Das Meer, was Ruhe und geballte Kraft in sich vereinte. Was von einer Minute zur anderen mit Urgewalt eine Katastrophe losbrechen konnte und jene abstraften die, glaubten, die Natur besiegen zu können.
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