"Oh", entschuldigte sich Christine, "den habe ich noch im Auto. Ich hole ihn sofort."
Sie drehte sich um und verweilte kurz. Natürlich hoffte sie, dass die Empfangsdame doch noch darauf verzichten würde, aber sie schien sich nicht darauf einzulassen. Frustriert ging Christine zum Wagen zurück, stieg ein und setzte ihre Fahrt fort.
Die ersten Kilometer fühlte sie sich noch recht frisch, was vermutlich der kurze Gang zum Motel bewirkte. Doch so nach kurzer Zeit kehrte die Müdigkeit zurück. Sie hatte Mühe die Hinweisschilder zu lesen und musste regelrecht die Augen schließen, wenn die Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge blendeten. Immer wieder kurbelte sie das Seitenfenster herunter oder korrigierte ihre Sitzposition. Erleichtert nahm sie die ersten Hinweisschilder einer Raststätte wahr und zählte die Kilometer hinunter bis zum Ziel.
Nach gerade mal 35 Kilometer stoppte sie an einer Raststätte an der A34, in der Nähe von Reims und ließ sich mit zurückgestellter Rückenlehne nach hinten fallen. Doch schon nach ein paar Minuten zwang sie der Harndrang dazu, doch auszusteigen. In der Dunkelheit der parkenden Lastzüge hockte sie sich hin und verrichtete eilig ihr Geschäft. Sie hätte zwar auf die Toilette der nahe gelegenen Gebäude gehen können, doch sie fror so entsetzlich, dass sie es auf die einfachere und vor allem schnellere Art bevorzugte. Genauso schnell eilte sie wieder zu ihrem Wagen zurück und genoss die wohltuende Innenwärme. Es dauerte nur wenige Sekunden und sie schlief tief und fest ein. Sie bemerkte nicht einmal die nächtliche Kälte, die sich im Wagen breitmachte.
Nach noch nicht einmal einer Stunde wurde sie durch diese kriechende Kälte wieder wach. Sie überlegte, ob sie den Motor laufen lassen sollte. Dachte sich aber, dass das möglicherweise die schlafenden Lkw-Fahrer stören könnte oder sie auffallen würde. Schlimmer noch, dass ein Polizeiwagen sie bemerkte und kontrollierte. Mit nichts in der Hand hätte man sie auch hier in Frankreich mitgenommen.
Christine stieg aus und sah im Kofferraum nach, ob sich dort nicht etwas zum Anziehen fand. Außer einer abgewetzten Decke und allerlei Krimskrams lag da nichts. Wenigstens die Decke, die sie sich um die Schultern legte, schützte sie ein bisschen vor der Kälte der Nacht. Der Nachteil war, dass die Decke nach Öl roch und Christine vermutete, dass ihr Schwager die Decke als Unterlage bei seinen zahlreichen Autoreparaturen auf der Straße benutzte.
Früh am Morgen wurde sie durch das Starten einiger LKWs aufgeschreckt. Die Scheiben waren von innen beschlagen und es war eisigkalt. Die Decke fühlte sich kalt und klamm an. Fröstelnd rieb sie sich die nackten Arme und startete sofort ihren Motor. Sie hatte nicht nur Hunger und Durst, sondern auch noch eine volle Blase. Die Tanknadel zeigte auch nicht mehr sonderlich viel an. Vor Kälte zitternd stieg sie aus und reinigte die Frontscheibe mit einem alten Tuch, was zwischen den Sitzen lag. Der Himmel war klar und die kalte Luft mischte sich mit den Abgasen der laufenden Dieselmotoren der Fernzüge. An einem der Wagen stand ein Mann und urinierte ungeniert gegen seinen Reifen. Als wenn das nicht reichte, drückte er sich mit angehobenem Bein erleichternd einen lauten Furz heraus. Dass Christine nur wenige Meter von ihm entfernt stand, schien ihm nicht weiter zu stören. Sie setzte sich wieder in ihr Auto und fuhr zur Tankstelle, wo sie den Wagen betankte. Anschließend verschwand sie eiligen Schrittes in die Waschräume des Rastplatzes. Nach einer kleinen Katzenwäsche fühlte sie sich wesentlich frischer, strich sich mit gespreizten Fingern noch ein paar Mal durch das Haar. Danach suchte sie das Restaurant auf und genoss die Wärme des Raumes. Außer ihr waren nur zwei weitere Pärchen und ein älterer Mann im Restaurant, dessen Kleidung der einen Truckers glich. Er verleibte sich gerade ein Spiegelei auf Toast und schlürfte zwischendurch lautstark seinen Kaffee. Dabei bemerkte sie, dass er immer wieder zu ihr hinüber sah. Kein Lächeln, kein freundliches Nicken. Christine befürchtete sogar, dass es sich um einen Polizisten in Zivil handeln könnte, der sie verfolgen würde. Sie versuchte so ausgeglichen, wie möglich zu erscheinen. Unauffällig beobachtete sie ihn. Seine Essmanieren ließen zu wünschen übrig. Er sog die an den Zähnen haftenden Essenreste lautstark ein, wische sich zwischendurch mit dem Ärmel über den Mund und benutzte die Serviette als Taschentuch. Als er fertig war, nahm er sich erneut die Serviette, hielt sie vor den Mund und rülpste, wenn auch leise, hinein. Dann wischte er sich wieder den Mund sauber und stand auf. Noch einmal kreuzten sich ihre Blicke und der Mann verschwand in Richtung Parkplatz. Minuten später fuhr ein schwerer LKW einer spanischen Spedition am Rasthaus vorbei und Christine glaubte, den Mann hinter dem Steuer zu erkennen. "Also doch kein Polizist", dachte sie erleichtert. Nach einem ausgiebigen Frühstück setzte sie ihre Fahrt nach Roche fort. Der wolkenlose Himmel kündigte ein schönes Wetter an und die Sonne wärmte den Wagen auf, sodass sie die Heizung wieder herunterdrehen konnte. Immer wieder kontrollierte sie ihre Reiseroute und rechnete sich die Ankunftszeit aus. Auch versuchte sie sich vorzustellen, wie der Ort wohl aussehen mag und wie das Treffen mit ihrem Mann vonstattengehen wird. Der Gedanke, dass sie ihn mit einer anderen Frau treffen würde, bereitete ihr ein unruhiges Gefühl. Schlimmer noch aber wäre, wenn sie ihn nicht antreffen würde. Sie wagte nicht einmal daran zu denken, was danach passieren könnte.
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